1.Rundbrief aus Rumänien, Vanessa Zengerling

  1. Rundbrief Rumänien, Vanessa Zengerling

Liebe Leserinnen und Leser, Freunde und Bekannte,

nach zwei Monaten in Rumänien schreibe ich meinen ersten Rundbrief, um euch von meinen Erfahrungen zu berichten und euch Rumänien näher zu bringen.

Aber als erstes: mir geht es gut hier, sehr gut sogar! Die Leute, die ich hier bereits kennen lernen durfte, waren offen und besonders gastfreundlich. Ich wurde lächelnd empfangen und gut aufgenommen und fast immer zum Kaffee oder sogar zum Essen eingeladen. Und auch die Landschaft hier ist beeindruckend. Egal in welche Himmelsrichtung ich schaue, überall kann ich den Ausblick auf Gebirgsketten genießen, da meine Stadt bei den Karpaten liegt. Man kann wunderbar wandern gehen oder im Winter Ski fahren.

Ausblick aufs Stadtzentrum von meinem Arbeitsplatz

Sonniger Tag in Miercurea Ciuc

Ich bin Ende August mit einem Bus quer durch Europa bis nach Rumänien gefahren, was so um die 30 Stunden gedauert hat. Eins kann ich euch versichern: es ist nicht gemütlich einen ganzen Tag allein in einem Bus zu sitzen und voller Spannung und Vorfreude darauf zu warten, dass er einen zu seinem neuem Zuhause für ein Jahr bringt. Doch ich bin nicht direkt in meine Stadt gereist, sondern zuerst nach Târgu Mures, wo ich meinen Sprachkurs mit einer anderen Freiwilligen, Lena, absolvierte. Doch obwohl wir in Rumänien leben, lernen wir Ungarisch und nicht Rumänisch. Das kommt daher, dass in unserer (Transsilvanien) aus historischen Gründen viele Ungarn leben und unsere Partnerorganisationen von Ungarn geleitet werden und daher auch alle unsere Kollegen Ungarisch sprechen. Ungarisch ist das Alien unter den Sprachen, da sie keiner anderen Sprache gleicht, außer Finnisch, und komplett unterschiedliche grammatikalische Grundlagen hat. Kurz gesagt: Ungarisch ist echt schwer zu lernen. Doch wir hatten eine gute Lehrerin, Reka, die stets geduldig mit uns war und uns nicht nur die Sprache, sondern auch ein wenig die Kultur näher brachte, indem sie sowohl ungarische als auch rumänische traditionelle Gerichte für uns kochte. Dazu gehörten Pflaumenknödel (Szilvásgombóc), Auberginen-Püree (Zakuszka) und Langos. Besonders den Zakuszka kann ich empfehlen, da er nicht nur als Aufstrich wunderbar zu genießen ist, sondern auch eine großartige Zutat für Soßen, Suppen und Dips ist. Er ist sehr vielfältig und die Einwohner hier lieben ihn, genau wie ich.

Meine Mitfreiwillige Lena mit hausgemachtem Zakuszka und Croissants

Nach den zwei Wochen Sprachkurs ging es für mich weiter nach Csikszereda/ Miercurea Ciuc, meine eigentliche Stadt, in der ich jetzt lebe. Die meisten Städte in Transsilvanien haben 2-3 Namen, einen rumänischen, einen ungarischen und manchmal auch einen deutschen, da die verschiedenen Völker alle ihren eigenen Namen für die Städte haben und in der Regel diesen auch eher benutzen. Das kann manchmal echt verwirrend sein, denn je nachdem ob man mit Ungar/innen oder Rumän/innen spricht, benutzt man auch deren Namen für die jeweilige Stadt.

Jedenfalls lebe ich hier jetzt in einer Freiwilligen WG mit Leuten aus aller Welt. Die meisten sind aus den USA, England oder Australien und bleiben für 2-3 Wochen. So lerne ich stets neue Menschen kennen und lerne auch viel über deren Lebensstil. Und alle kommen aus den verschiedensten Gründen nach Rumänien und haben unterschiedliche Projekte, in denen sie arbeiten. Es ist eine tolle Erfahrung mit so vielen Leuten aus anderen Ländern, Kulturen, Altersklassen und Gesellschaftsklassen mit den verschiedensten Persönlichkeiten zu leben. Für mich war das eine krasse Umstellung im Vergleich zu Hotel Mama, wo ich mein eigenes Zimmer und viel Privatsphäre hatte. Jetzt ist ständig was los um mich herum, mein Zimmer ist der Gemeinschaftsraum geworden und das Bad darf nicht zu lange besetzt werden. Doch jeder Tag macht unglaublich viel Spaß und es entstehen die interessantesten Unterhaltungen mit diversen Themen und Meinungen. Doch es ist jedes Mal wieder traurig, wenn man gerade eine Freundschaft geschlossen hat und dann wieder Abschied nehmen muss, und es ist kaum möglich den Kontakt zu Allen zu halten. Aber jetzt, da der Winter kommt, kommen auch weniger Freiwillige und nicht jedes Bett ist besetzt und man hat etwas mehr Platz für sich selbst.

Ich könnte ewig über meine Unterkunft hier reden, doch ihr wollt bestimmt auch etwas über meine Arbeit erfahren. Wie ihr wisst arbeite ich bei der Caritas in einem Tageszentrum für geistig behinderte Jugendliche, wobei Jugendliche nicht ganz korrekt ist, da alle Altersklassen von 15- 40 vertreten sind. Es gibt zwei verschiedene Gruppen, eine mit einfachen Behinderungen und eine mit mehrfachen. Ich wechsle jede Woche zwischen den zwei Gruppen und lerne die Kinder immer besser kennen und lieben. Meine Arbeit ist zwar mental sehr anstrengend, aber das zahlt sich doppelt wieder aus. Jedes Mal wenn ich mich auf meinem Heimweg befinde bin ich tot müde, doch habe immer ein strahlendes Lächeln auf den Lippen, denn wenn die Kinder glücklich sind, macht das mich umso fröhlicher. Wenn ich morgens ins Zentrum komme, werde ich stets mit Umarmungen und Küssen begrüßt und die Freude, die die Kinder dort ausstrahlen, fühlt sich so viel echter und ungezwungener an, als alles andere was ich bisher erlebt habe.

Im Zentrum funktioniere ich als eine Art Aufpasserin. Da die Jugendlichen selbständiger werden sollen, sollen wir ihnen nur helfen, wenn es auch wirklich nötig ist und ihnen die Aufgaben immer wieder erklären und vormachen. Wir bringen ihnen lesen, schreiben, nähen, zeichnen, kochen, etc. bei und beobachten ihre Fortschritte. Einem Mädchen haben wir versucht es abzugewöhnen, ständig ihr Geschirr abzulecken, und so mussten wir es ihr jeden Tag auf neue zeigen und erklären, doch nach einigen Wochen hat sie es endlich verstanden und ich und meine Kolleginnen waren danach unheimlich glücklich, dass diese Aufgabe gemeistert war. Ansonsten unterstütze ich meine Kolleginnen bei den Sportstunden, damit die Kinder fit und gesund bleiben, und helfe bei der Musiktherapie.

Außerdem organisiert die Caritas Projekte mit lokalen Freiwilligen bei denen ich auch teilnehme. Eines dieser Projekte war z.B.: „Egymillió csillag a szegényekért 2017“ – Eine Millionen Sterne für die Bedürftigen. Wir haben Spenden für die Armen gesammelt und für jede Spende wurde ein Licht angezündet. Mein Job war es also die Lichter anzuzünden und das, währenddessen ein eiskalter Wind wehte, der natürlich jedes Teelicht wieder ausgeblasen hat… Doch es war trotzdem ein schönes Event und ich konnte einige lokale Leute kennenlernen. Dabei sind mir ein paar ungarische Umgangsformen aufgefallen: die Männer schütteln den Frauen nicht die Hand. Das kam mir zuerst total unhöflich vor, doch mir wurde erklärt, dass es als respektlos gilt, wenn der Mann einer Frau die Hand schüttelt, und dass man sich einfach umarmt, wenn man sich erst kennengelernt hat. Einige Männer gaben mir dann stattdessen einen Handkuss als ich ihnen die Hand reichen wollte.

Das war es fürs Erste von mir und ich hoffe ich konnte euch einen guten ersten Einblick in meinen Freiwilligendienst geben,

Bis bald und liebe Grüße,

Vanessa

Young Caritas Freiwillige und Mitarbeiter