Und die Zeit, sie rennt und sie geht, doch niemals steht sie still.
Hallo, ihr Lieben!
Hitze, Klassenarbeiten und Vampire
Die Lücke, welche Jonas´Abschied hinterlassen hatte, wurde schon bald wieder aus Frankreich gefüllt: In Myriam kam für zwei Wochen eine weitere Freiwillige ins MOET. Zwischendurch war auch eine Fotografin, Daniela, für eine Woche im Projekt. Erneut bedeutete das Austausch, Gesprächspartner, Abwechslung. Doch Myriam flog wie gesagt nach zwei Wochen wieder zurück.
Dadurch blieb ihr die große Hitze erspart: Im Oktober und November kletterte das Thermometer. Und hatten sich für mich schon 25 Grad eher wie 30 Grad angefühlt, waren fast 40 Grad doch eine massive Belastung. Ich hatte und habe (denn es ist immer noch heiß!) andauernd Durst, bin energie- und leider oft auch motivationslos.
Doch bei dieser Hitze ist der See, an dessen Ufern ich wohne, eine besondere Versuchung, für das gesamte Kollegium. Also organisierten wir einen Trip nach Cape Maclear, einem Ort in der Nähe von Monkey Bay. Dort gibt es kilometerlangen Strand, Hotels und Lodges sowie Krokodil- und Nilpferdfreies Wasser. Wir sind alle schwimmen gegangen und haben gemeinsam gekocht, gegessen und ausgeruht. Es war herrlich! Nur die Busfahrt war, mit 17 Leuten in einem Bus mit 9 Plätzen, grenzwertig.
Cape Maclear
Bald darauf war es auch schon Zeit für die Mid-Term Examens. Zur Erklärung: Das Schuljahr ist in drei Terms aufgeteilt, die von Weihnachten und Ostern getrennt werden. In der Mitte und am Ende eines jeden Terms werden in den Hauptfächern Klassenarbeiten geschrieben. Ich bin bei Mathe und Englisch natürlich auch dabei.
Die Klassenarbeiten zu korrigieren war aufwendig und anstrengend. An alle Unterstützer und Unterstützerinnen, die als Lehrer im Bildungswesen aktiv sind: Ich habe durch diese Erfahrung noch einmal mehr Respekt für Ihre und eure Arbeit gewonnen!
Kleinere Probleme machte indes mein Fahrrad, welches wieder und wieder zur Reparatur muss. Doch nach mehrmaligem Ärger wurde mir bewusst, das alleine der Besitz eines Fahrrads hier in meinem Umfeld schon ein Privileg und Luxus ist!
In Malawi ist der Glaube an Magie weit verbreitet. Die meisten Menschen glauben aber nur an kleine magische Phänomene. Doch einige wenige im Süden des Landes glaubten an Vampir-Attacken. Als Folge wurden im Oktober Menschen in der Nacht angegriffen und aufgrund des Verdachts des „Blood suckings“, also des Blutsaugens, getötet und verbrannt. Dies geschah nur sehr selten und nur wenige Menschen nahmen daran Teil. Außerdem war es schnell wieder vorbei.
Ich teile diese Erfahrung mit euch, weil es ein großes Gesprächsthema im Oktober war. Das Ganze zeigt, das Malawi auch nicht nur schöne Seiten hat. Ich habe hier aber nichts davon erlebt, diese Vorkommnisse fanden auch nur im Süden statt und sind schon wieder vorbei. Es passt auch überhaupt nicht zu den friedlichen Malawiern! Die sind nämlich normalerweise freundlich, ruhig und herzlich. Gewalt und Aggression sind hier sehr selten.
Probleme und Madisi
Das alltägliche Leben hält noch immer Herausforderungen bereit. Der Strom fällt weiterhin andauernd aus, was streckenweise äußerst frustrierend sein kann! Andererseits habe ich mir so einige Fähigkeiten im Bereich „Kochen auf dem Feuer“ erwerben können. Und ich lerne viel über die Haltbarkeit einzelner Lebensmittel. Durch Hitze und Feuchtigkeit sowie fehlende Kühlung werden viele Lebensmittel schnell schlecht. Auch die Abwesenheit von Konservierungsstoffen macht sich bemerkbar.
FEUER!!
Koche ich zu spät, ist es dunkel und diverse Insekten kommen aus ihren Löchern gekrochen. So wird abendliches Kochen gerne von Spinnen, Fliegen und laut brummenden Insekten begleitet. Überhaupt sind alle Insekten größer. Wespen, Ameisen und auch Spinnen erreichen teilweise unangenehme Größen. Allerdings gehören sie hier so sehr zum Alltag, dass sie mich nicht mehr großartig stören. Außerdem lassen sich einzelne von ihnen gut zubereiten, was durchaus auch schmackhaft ist.
Nur die Ameisen erweisen sich als unheimlich nervig!
Mein Alltagsleben verließ ich Ende Oktober in Richtung Madisi, wo ich mit zwei der (bereits im vorherigen Rundbrief erwähnten) MaZ-Freiwilligen ein Wochenende verbrachte. Es war sehr spannend, andere Deutsche in ihrem Projekt zu besuchen und dieses Projekt kennenzulernen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten herauszufinden. Madisi erwies sich als anderer Ort. Die Menschen dort sind Weiße eher gewohnt, wodurch uns erfreulicherweise weniger Aufmerksamkeit zukam.
In Madisi fällt neben dem Strom auch das Wasser aus, sodass ich meine lückenlose Wasserversorgung nun noch einmal ganz anders zu schätzen vermag! Wir verbrachten unsere Zeit mit Backen, Spielen, Reden und Madisi kennenlernen. Es war ein sehr schönes und motivierendes Wochenende für mich! Da haben sich die 6 Stunden Anfahrt gelohnt.#
Cosmogolem und Trauer
Und schon wieder erhielten das MOET sowie meine Unterkunft Besuch:
Aus Belgien kamen Kuno und Elisabeth. Kuno ist ein Künstler, welcher das Cosmogolem-Projekt ins Leben gerufen hat. Bei diesem Überlebensgroßen Holzmenschen (siehe Bild) handelt es sich um eine Art „Bewahrer“ der Träume der Kinder. Sie können ihre Träume in verschiedenen Kunstformen visualisieren und in den Cosmogolem legen. Der Cosmogolem ist nur für die Kinder da, er gehört nicht den Erwachsenen. Seht euch auch die Website für umfangreichere Informationen über das Projekt an! (www.cosmogolem.com)
Ein solcher Cosmogolem befindet sich jetzt im MOET und wurde im Rahmen einer Feier eingeweiht. Daher waren auch Elisabeth und Kuno hier. Doch beide blieben nur wenige Tage.
Es gab auch traurige Dinge im MOET. Eine Kollegin verstarb überraschend. Noch am selben Tag fuhr das Kollegium geschlossen zum Haus der Familie. Dort trauerten wir schweigend mit der Familie. Am Todestag einer Person ist es hier Brauch, dass Freunde, Verwandte und Kollegen der oder des Verstorbenen so die Familie unterstützen.
Am nächsten Tag war dann die Beerdigung. Es war ein bedrückendes Ereignis, denn die malawischen Frauen verleihen ihrer Trauer offen klagend und weinend Ausdruck. Stundenlang saß ich mit den anderen Männern dort und hörte die tiefe Trauer. Es war herzzerreißend.
Auf dem Friedhof dann bildeten die Männer eine Menschenkette und trugen so den Sarg zum Grab. Dieser Brauch hat mir sehr gefallen, so helfen alle mit, sie auf ihrem letzten Weg zu begleiten.
Mit den Tagen ging im Projekt die Trauer und wich dem normalen Leben.
Herausforderung Alltag
So stellte sich mehr und mehr ein Alltag ein.
In diesem Alltag zeigte und zeigt sich für mich, dass ich noch nicht vollkommen zufrieden mit mir und meinem täglichen Leben bin. Es wurde etwas eintönig, ich unternahm kaum etwas an den Wochenenden und auch nicht unter der Woche. Während der Wochentage ging ich zur Arbeit und war auch durch die Hitze meist dermaßen erschöpft, dass ich kaum Ausflüge oder Treffen planen wollte, da ich um halb 4 nach Hause kam, müde und hungrig war und nach einer Pause meist nur eine bis zwei Stunden bis zum Sonnenuntergang blieben. Und zu diesem Zeitpunkt wollte ich wieder im Haus sein. So verbrachte ich viel Zeit in einem Hotel, wo ich ins Internet konnte und nutzte so diese Zeit ähnlich wie auch in Deutschland. Dass das nicht dauerhaft zufriedenstellend sein kann, ist klar. Allerdings zeigt sich bei dieser Thematik auch etwas, was ich hier erfahren habe: Alle Menschen sind offen und freundlich und sehr spontan. Lange Planungen im Voraus gibt es nicht. So passiert es oft, dass meine Kollegen kurzfristig etwas planen und unternehmen, meist erst nach Schulschluss. Da ich weit von den meisten entfernt wohne und den meisten immer wieder das Geld für Telefonate fehlt, werde ich fast nie eingeladen, mitzukommen. Und wenn ich versuche, etwas im Voraus auszumachen, kann es sein, dass es vergessen wird, dass wir zu spät loskommen oder dass es verschoben wird. Da prallen Kulturen aufeinander! Ich bin nicht auf derart viel Spontanität eingestellt, und viele Malawier tun sich schwer mit Planungen. So kommt es, dass ich im November und Dezember viel meiner Freizeit alleine verbracht habe. Da ich im Gegensatz zu vorher weder Mitbewohner hatte noch Ausflüge zu anderen Freiwilligen machte, war diese Zeit immer von einer gewissen Unzufriedenheit begleitet. Ich war nicht durchgehend unzufrieden, aber ich muss feststellen, dass es mir nicht guttut, lange Zeit alleine zu sein.
Zu dieser Situation gesellte sich auch noch Motivationslosigkeit. Zum Teil mit Sicherheit der Hitze geschuldet, war es auch der innere Schweinehund, den ich nicht immer überwunden habe. Mit meinem Projekt selbst hatte das gar nicht viel zu tun, immerhin habe ich die Schüler mittlerweile echt ins Herz geschlossen.
Es zeigt sich allerdings, dass viele große Defizite in Englisch haben, wodurch sich die Kommunikation immer wieder als schwireig erweist. Trotzdem habe ich sie echt gern! Einmal hatte ich ein Gespräch mit einem Kollegen, in dessen Folge ich meine Situation verbessert hat. Dazu mehr im nächsten Brief!
Für Sie live aus Malawi
Mein Leben hier ändert sich also wieder und wieder, mal rast es spannungsgeladen davon, mal plätschert es leise vor sich hin. Und auch meine Stimmungslage deckt immer wieder verschiedene Bereiche der Skala ab.
Die beiden vergangenen Monate Oktober und Dezember hatten wenige Ausflüge und spektakuläre Erlebnisse zu bieten. Dafür hatte ich viel Alltag mit all seinen Herausforderungen und Zeit für mich selbst. Die wenigen besonderen Erlebnisse waren umso beeindruckender. Ich habe meinen Alltag hier gefunden, nun mache ich mich auf die Suche nach mir selbst und nach Leben, mit dem ich diesen Alltag füllen kann.