Liebe Leser*innen,
die Zeit vergeht wie im Flug und es ist kaum vorstellbar, dass ich schon fast ein halbes Jaht hier bin. Ich habe wieder viel erlebt und viel zu erzählen, aber trotzdem frage ich mich, wo die die vergangenen sechs Monate sind.
Allerheiligen
Der 01. November ist ein wichtiger Tag für die Bolivianer. Dann wird hier nämlich Allerheiligen gefeiert. Aber nicht wie in Deutschland, nein, es wird wirklich gefeiert. Die Menschen glauben, dass die Seele der verstorbenen Person um 12 Uhr für einen Tag zurückkommt. Die Angehörigen bereiten einen Tisch mit dem Lieblingsessen (Mast’aku) der verstorbenen Person vor. Die Mast’aku Tradition beinhaltet nicht nur das Lieblingsessen. Las T’antawawas: Teig in Form der Verstorbenen Person. Escaleras: Leitern aus Teig, die den Verstorbenen helfen zwischen Himmel und Erde hinauf und hinunter zu klettern. Ein Kreuz aus Brot: Repräsentiert Christus und beschützt den Verstorbenen. Cana de azucar: Zuckerstange, dient dem Verstorbenen als Stock. Coca, Zigaretten, Wein und andere Getränke: Falls dem Verstorbenen einige dieser Sachen gefielen, damit er sich bedienen kann.

In der Nacht auf den 02.11 bin ich in Häuser gegangen, die draußen Plastikblumen hängen hatten, damit man erkennt, dass jemand verstorben ist. Vor den Tischen haben wir dreimal das Vater Unser und das Ave Maria gebetet. Nachdem wir gebetet hatten wurden wir zum Essen und Trinken eingeladen. Wir bekamen Masitas (Gebäck) und wurden zu Wein oder Chicha (alkoholisches Maisgetränk) eingeladen. Nach dem Beten gingen wir zum nächsten Haus und recht schnell füllte sich die mitgebrachte Tüte mit Gebäck.
Am 02. November gehen viele Menschen auf den Friedhof. Auf dem Friedhof, der nicht wie ein deutscher aussieht, sind Musikgruppen, die gegen Bezahlung für die verstorbene Person singen. Die Menschen beten für die Verstorbenen, bringen Blumen und Kerzen mit etc. Außerhalb des Friedhofs stellen viele ihre Tische auf und wenn man dann betet erhält man Essen und Trinken von dem Tisch.
1° Convite
Am 05. November war die erste Convite zur Fastnacht in Oruro. Zusammen mit meiner Fraternidad (sowas wie ein Verein) San Simon fuhren wir nach Oruro. Morgens begann der Umzug und wir konnten ihn uns noch ein bisschen selbst anschauen bis wir selbst Teil des Umzugs wurden.
Um etwa 20 Uhr sind wir dann in den Umzug eingestiegen. Zuerst hatte ich Angst mich vor so vielen Menschen zu vertanzen, doch schnell verwandelte sich alles in Freude. Der Umzug war etwa 4 km lang – auf 3700 m echt nicht so ohne! Es war ein tolles Erlebnis, auch wenn es manchmal anstrengend war, wenn von allen Seiten Leute kamen um mit der „Chokita“ (Bez. für Menschen mit heller Haut und blonden Haaren) ein Foto zu machen.
Meine Projekte
In der Fundacion durfte ich jeweils einen Monat im Salon anaranja und im Salon rojo bleiben. Im Salon anaranja waren die Kinder sehr offen und wir verstanden uns direkt. Auch die sprachliche Barriere lässt immer mehr nach, aber trotzdem ist es immer wieder lustig, wenn ich etwas nicht verstehe und die Kinder mir das Wort erklären. Im Salon rojo langweilte ich mich ein bisschen, da es kurz vor den Ferien war und die wenigen Kinder, die kamen, kaum Hausaufgaben aufhatten und wenn, brauchten sie keine Hilfe. Zudem waren manche Jugendliche mir gegenüber verschlossen. Doch dann bastelte, spielte oder half ich manchmal in den anderen Salons aus.
In den letzten zwei Wochen im Dezember haben wir nur noch gespielt, was den Kindern viel Spaß gemacht hat. Zudem bastelten wir auch etwas für Weihnachten und bereiteten unser Krippenspiel vor. Dieses wurde am letzten Tag mit einer Messe begleitet und im Anschluss gab es Bunuelos (frittiertes Gebäck) mit Kakao und Geschenken für die Kinder.

Nach der Reinigung der Fundacion begann dann auch unsere „Mission Pueblo“. Vom 20. – 23. Dezember bin ich mit meinen Kolleginnen der Fundacion in ein Dorf namens Cauca gefahren. In diesem Dorf haben wir mit den Kindern Weihnachten vorbereitet, indem wir gebastelt, gespielt und gesungen haben. Am Ankunftstag sind wir von Haus zu Haus gegangen um den Kindern von unserer Aktion zu berichten. In Cauca sprechen viele Menschen Quechua, sodass es zwischen ihnen und mir oft zu Verständnisproblemen kam. Ein paar Wörter brachten die Kinder, die Castellano (Spanisch) konnten, mir bei und alle hatten immer etwas zu lachen wenn ich versuchte etwas zu sagen, da die Aussprache nicht sehr leicht ist. Am ersten Nachmittag kamen etwa 20 Kinder und wir spielten mit ihnen auf einem Bolzplatz. Am zweiten Tag bastelten wir mit den Kindern Schafe und am dritten Tag Kleider aus Plastikflaschen. Am vierten und somit am letzten Tag fand die vorbereitete Messe mit Krippenspiel statt. Die Messe war jedoch auf Quechua, weshalb ich nur Amen sagen und verstehen konnte :D. Die Eltern der Kinder bereiteten mit von uns mitgebrachten Zutaten Bunuelos und Kakao vor. Nach der Messe feierten wir und überreichten den Kindern Geschenke. Erwähnen möchte ich auch noch, dass alle wieder super lieb waren. So bin ich an einem Tag mit zwei anderen nach einem stillen Örtchen suchen gegangen, als eine ältere Frau aus ihrem Haus kam und uns zum Essen einlud. Hier hat das Essen eine große Bedeutung und vor allem wenn man eingeladen wird. (nebenbei: Cochabamba ist die Stadt des Essens). Jhuliana freute sich, dass uns das Essen so schmeckte, weshalb sie schnell noch was anderes zum probieren kochte.



In der Guarderia kamen ebenfalls immer weniger Kinder vor den Ferien, weil die Eltern oft nicht kamen oder ihren Abschluss haben. Trotzdem spielten wir mit denen die kamen und bastelten ebenfalls Weihnachtssachen.
Am 15. Dezember war die Abschlussfeier der Schüler des CEA. In einer großen Sporthalle erhielten alle Schüler ihre Zeugnisse und jene, die ihre Friseurausbildung abgeschlossen haben, führten in einer Modenschau ihr erlerntes auf. Ich fand es schön, dass ich eine Promocionsfeier miterleben durfte.
Weihnachten
Am 24.12 bin ich mit Nele zu ihrer Gastfamilie gefahren. Es war ein komisches Gefühl zu wissen, dass meine Liebsten zu Hause Weihnachten feiern und ich nicht dabei bin. Umso dankbarer war ich Nele und ihrer Gastfamilie, dass ich mit ihnen Weihnachten feiern durfte. Meine Gastfamilie feierte in Tarija wo ich natürlich herzlich willkommen war, aber da ich erst am 23. von der Mission zurück kam war es zu kompliziert nach Tarija zu kommen.

In der Familie angekommen, frühstückten wir und gingen in die Messe. Nach der Messe gingen wir zu dem Onkel der Kinder, wo wir spielten, backten, kochten, sangen und einfach Spaß hatten. Nele und ich machten die ganze Zeit „Dauerschleifen – Weihnachtslieder“ wie Last Christmas, All I want for Christmas etc. an, da wir sie hier in der Weihnachtszeit kein einziges Mal hörten, es irgendwie doch fehlte und da der Onkel Amerikaner ist, er sie natürlich auf seinem Laptop hat. Bevor wir abends in die Messe gingen, aßen wir. Die Kirche war voll und die Messe war echt beeindruckend. Wir sangen die ganze Zeit „Feliz Navidad“ und man dachte nicht in einer Messe zu sein, da sie hier die Geburt Jesu wirklich feiern! Alle waren super gut gelaunt und sangen freudestrahlend mit. So ist es hier auch Tradition, dass man das Jesuskind an einer Stelle küsst, was für Nele und mich eine Herausforderung war. Nachdem die feierliche Messe zu Ende war, gingen wir mit Magdas Familie und den Hermanas zu Padre David (Bruder meiner Gastmutter Antonia) und feierten weiter. Nach dem Festmahl (ja, wieder Essen) sangen wir ebenfalls und warteten gespannt auf 0 Uhr, Jesus Geburt. Als es dann soweit war, wünschten wir uns wieder frohe Weihnachten und jeder ging nach Hause. Bei Magda gab es dann eine kleine Bescheerung und wir fielen müde ins Bett. Am 25.12 sind wir wieder zu dem Onkel gegangen und backten unter anderem unsere Plätzchen weiter. Im Nachhinein kann ich sagen, dass es richtig schön war, Weihnachten mal anders zu feiern!
Und sonst…
Soweit geht es mir gut und ich bin richtig zufrieden mit meinen Projekten.
Leider habe ich immer noch Probleme mit dem Essen und habe täglich Bauchschmerzen, woran ich mich jedoch gewöhnt habe. Jedoch habe ich auch gelernt die Gewöhnung an Schmerzen nicht zu unterschätzen… Am Anfang bin ich zum Arzt gegangen um zu wissen was ich habe, aber da mir dann irgendwann klar wurde, dass ich immer eine Infektion oder ähnliches habe bin ich nicht mehr gegangen. An einem Tag hatte ich sehr starke Schmerze und dachte, dass sie am nächsten Tag vorbei seien. Doch als ich dann in der Fundacion war und mich von jetzt auf gleich vor Schmerzen nicht mehr bewegen konnte, ging ich zum Arzt. Im Labor wartete ich so lange auf die Blut- und Ultraschallergebnisse, bis meine Begleitung irgendwann mal ein bisschen Druck gemacht hat. Der Arzt rief mich rein und übergab mir die Papiere – ohne zu sagen was ich habe. Auf Nachfrage sagte er, dass ich so schnell wie möglich operiert werden muss, da ich eine

Blinddarmentzündung mit ganz viel Flüssigkeit habe und diese sonst aufplatzt. In Vinto beim Arzt zeigten wir ihm die Papiere und das große Zittern begann. Nach langem hin und her entschlossen Juampi (mein Ansprechpartner), die Chefin der Fundacion und Gaby sich für ein Krankenhaus. Ich hatte soooooo Angst, denn schließlich war es meine erste OP und die Hygiene ist hier einfach nicht so wie in Deutschland. Doch als ich im Krankenhaus ankam verflogen alle Zweifel. In Deutschland habe ich noch nicht so ein schönes Krankenhaus gesehen (es war eine Privatklinik in der der Präsident auch schon operiert wurde, was mir auch ganz oft gesagt wurde). Kaum angekommen klärte Juampi noch ein paar Sachen und ich wurde in den OP Saal gefahren, indem ich mich vor Angst nicht umschaute, da er wirklich so aussah wie in Filmen. Mein Arzt, der Anästhesist und die Krankenschwestern waren alle super lieb. Ich bekam viel Besuch, sodass ich mich nicht langweilte, aber vor allem an dem Tag nach der OP war es echt anstrengend! Diese Erfahrung hätte echt nicht sein müssen, doch im Nachhinein kann ich auch lachen, da es echt verrückt ist!
Ich freue mich wieder arbeiten zu gehen, denn im Januar waren Sommerferien, in denen ich mit anderen Freiwilligen Bolivien ein bisschen erkundet habe. Außerdem freue ich mich besonders auf Fastnacht und auf das nächste halbe Jahr, was bestimmt noch besser wird.
Liebe Grüße
Julia