Eine Fahrt nach Mangochi
Mir sind unheimlich viele interessante Sachen eingefallen, die ich alle gar nicht in einem Rundbrief unterbringen kann! Zur Veranschaulichung einiger dieser Dinge möchte ich euch auf eine kleine Tour mitnehmen: Wir reisen von meinem Heimatort Chipoca Village zur nächsten größeren Stadt, Mangochi, die ca. 20 km entfernt ist.
Gehen wir los! Es ist heiß, und schon auf dem Weg in den Nachbarort Maldeco läuft der Schweiß. Überall drehen sich die Menschen, insbesondere die Kinder nach uns um. Sie rufen „Bo“ (=“Hi“), „Amzungu“ (=“Weißer“) und „Give me money“ (=“Gib mir Geld!“). Als Weißer steht man gerade auf dem Land einfach im Mittelpunkt. Auch, wenn man schon seit Monaten dort wohnt.
Wir sind in Maldeco und gehen über den Markt. Während die frischen Früchte und das Gemüse verführerisch aussehen, liegt ein nicht unbedingt angenehmer Duft in der Luft. Es wird hier am See nun mal viel Fisch verkauft. Der Müll liegt einfach auf der Straße, es wird viel geschwitzt und wenig gewaschen. Malawi ist nichts für schwache Nasen!
Wir halten ein Taxi an. Das Auto, welches sieben Plätze für Passagiere hat, beherbergt schon acht Fahrgäste. Trotzdem werden wir noch irgendwie rein gequetscht. Komfort ist hier kein Thema bei Taxifahrten. Schauen wir lieber aus dem Fenster, um uns abzulenken. An uns zieht eine Landschaft vorbei, die noch recht trocken ist. Viele Felder mit ikonischen Ameisenhügeln. Immer wieder zeigt sich einer der großen Baobab-Bäume. Außerdem sind viele Menschen auf der Straße. Sie fahren auf den Fahrradtaxis oder gehen zu Fuß. Gerade fahren wir an einer Gruppe Frauen vorbei. Wie in Malawi üblich, tragen sie alle ihre schweren Körbe auf dem Kopf. Sie sind darin so geübt, dass sie die Hände gar nicht zum Abstützen nutzen müssen.
Ein paar Meter weiter transportiert ein Mann eine Ziege auf seinem Fahrrad, das Tier schreit verängstigt. Im selben Moment berührt uns etwas am Arm. Unser Sitznachbar hat ein panisches Hühnchen, welches er mit dem Kopf nach unten an den Füßen festhält.
Wir schauen wieder nach draußen, wir passieren gerade eine weitere große Moschee. In dieser Region Malawis leben viele Muslime, folgerichtig gibt es viele Islamische Zentren mit Moscheen.
Wir kommen an einer kleinen Ortschaft vorbei, dort ist heute Markt. Hunderte Malawier kaufen und verkaufen lautstark ihre Waren. Große Haufen mit Second-Hand Wäsche liegen auf dem Boden, einige Händler haben ihre Metallwaren oder Schuhe ausgebreitet. Zwischen den Massen laufen viele Kinder mit fertig zubereiteten Snacks und Mahlzeiten herum und verkaufen Essen und Getränke an die Käufer.
Direkt neben dem Markt haben ein paar Kinder ein paar provisorische Pfosten aufgestellt und spielen barfuß Fußball. Hier wird unglaublich viel Fußball gespielt! Wir sehen, dass anders als in Deutschland Taktik und Stellungsspiel egal sind, allerdings haben viele Spieler ein bemerkenswertes Dribbling und laufen sehr schnell. Ihre Ausdauer scheint dabei Unendlich zu sein.
Wir nähern uns Mangochi. Die Landschaft ist auf einmal sehr grün. Die Bäume und Pflanzen blühen und die Felder werden fleißig bearbeitet. Hier fällt mehr Regen, daher haben die Bauern schon mit der Aussaat begonnen. Das Grün der Pflanzen ist stark und saftig. Kühe und Ziegen tummeln sich auf den Wiesen. Leider liegt immer noch überall Müll am Straßenrand. Neben uns wirft ein Mann seine leere Plastikflasche einfach aus dem Fenster. Mülltrennung ist kein Thema, nicht mal Müllentsorgung.
In Mangochi sehen wir sehr viele Menschen. Dabei fällt uns einiges ins Auge. So suchen wir zunächst vergeblich nach langhaarigen Menschen. Auch die Frauen tragen ihre Haare hier kurz geschoren, lange Haare sind üblicherweise Perücken. Mit unserem europäischen Blick wirken viele Frauen zunächst androgyn. Erst mit der Zeit legen wir diese deutsche Brille ab.
Diese deutsche Brille meldet sich auch, als zwei Männer Händchen haltend an uns vorbei schlendern. Für Männer in Malawi ist das mehr als normal, in Deutschland würde es direkt als Homosexualität gedeutet werden. Eigentlich sehr traurig. Doch Homosexualität ist hier gesetzlich verboten, wer sie trotzdem praktiziert kommt ins Gefängnis.
Der Taxifahrer versucht, uns einen höheren Preis zahlen zu lassen. Doch wir kennen die lokalen Preise und verhandeln uns auf den richtigen Betrag runter. Das passiert aber nur selten, die meisten Menschen berechnen den richtigen Preis, egal welche Hautfarbe und Herkunft man hat.
Weitere Menschen schlendern an uns vorbei, wobei sie uns natürlich interessiert betrachten. Ja, sie schlendern alle. Keiner geht besonders schnell, keiner rennt. Das entschleunigt ungemein. Für uns aus Europa ist das Gehen immer nur das Überwinden einer Distanz, eines Hindernisses zwischen uns und unserem Ziel. Doch für die Malawier scheint schon das Gehen selbst einen Sinn zu haben. Wir merken, dass uns diese ruhigere Atmosphäre entspannt. Die Menschen sitzen alle im Schatten, immer wieder sehen wir Frauen auf Matten und in Hauseingängen dösen. Die Menschen leben im Heute und machen sich nicht zu viele Sorgen über sie Zukunft.