Ruanda: 2.Rundbrief von Claire Ademes

Liebe Leserinnen und Leser,

es ist so weit, mein zweiter Rundbrief lädt euch ein, mehr über meinen Freiwilligendienst und Ruanda zu erfahren. Ruanda wird auch als „das Land der tausend Hügel“ bezeichnet und das hat vor meiner Ausreise das Bild in meinem Kopf von der physischen Beschaffenheit Ruandas stark beeinflusst. Diese Bild hat sich dann auch mit großem Staunen bestätigt, allerdings erst im November. Ich habe einen Ausflug mit Lukas, meinem Mitfreiwilligen aus Nyarurema, in den Westen Ruandas gemacht.  Dabei hat sich das Bild vom „Land der tausend Hügel“ dann auch mit großem Staunen bestätigt. Bei diesem Ausflug zeigte sich, dass einen, wenn man Kigali Richtung Westen verlässt, riesige Hügel erwarten, einer direkt an dem anderen. Das war ziemlich beeindruckend. Zum einen, weil es wunderschön ist, aber auch die Vorstellung, dass die Menschen hier in diesen steilen Hängen Sachen kultivieren ohne jegliche maschinelle Hilfe. Im Gegensatz dazu ist die Ostprovinz eine eher wellige Hügellandschaft und Wälder sind hier kaum noch zu finden. Matimba war bis 1995 komplett mit Wald bedeckt, in dem auch noch wilde Tiere gewohnt haben. Heute ist alles Siedlung oder landwirtschaftlich genutzte Fläche, sowie der Großteil gesamt Ruandas. Die „wildesten“ Tiere, die man jetzt hier noch treffen kann, sind Krokodile oder Nilpferde im Akagera, dem Grenzfluss zu Tansania. Als ich hier angekommen bin, war gerade Trockenzeit, das heißt, alles war ziemlich staubig und braun. Es gab kaum einen grünen Fleck. Doch ab Oktober/November hat es schließlich angefangen zu regnen und alles wurde grün. Hier ist also auch der „Winter“ eingebrochen wie sie sagen. Auch wenn man das natürlich nicht mit unserem Winter vergleichen kann. Es ist immer noch sehr warm, abends vielleicht ein bisschen kühler (was sich für mich allerdings schon kalt anfühlt) und ab und zu gibt es dann Regen, meist eine Schauer für ein paar Stunden, die so schnell wieder geht wie sie gekommen ist. Das ist ab und zu allerdings ein Problem, da die meisten Leute von der Landwirtschaft abhängig sind bzw. von ihr leben. Da spielen die Hügel auch eine Rolle, da sie es in einigen Regionen regnen lassen, in anderen, naheliegenden allerdings nicht. Meiner Familie sind im letzten Jahr 13 Kühe gestorben, weil es aufgrund von mangelndem Regen nichts für sie zum Essen gab. Die Dürre ist schon seit einigen Jahren ein Problem für die Menschen hier.

Die Festtage in Matimba
Die Vorweihnachtsstimmung wie wir sie kennen war wenig bis gar nicht vorhanden, was bei 30°C auch schwierig ist. Aber gestört hat es mich nicht. Weihnachten wird hier nicht zum Geschäft gemacht, das fand ich ziemlich angenehm. Die Weihnachtsvorbereitungen hier zu Hause sahen so aus, dass wir das ganze Haus auf Vordermann gebracht haben, da wir Besuch erwarteten. Auch die Kirche wurde einen Tag vorher mit dem Chor zusammen geputzt und ein wenig geschmückt. Mit einigen Kindern zusammen habe ich Gräser gesammelt. Damit und mit langen biegsamen Ästen haben wir in der Kirche den Stall Jesu Geburt gebaut. Am Weihnachtsmorgen, dem 25., gab es eine lange Messe, in der wir mit dem Chor gesungen haben. Bei einem der Lieder hat die ganze Kirche laut mitgesungen und getanzt, das war, glaube ich, mein schönster Moment an ganz Weihnachten. Dort spürte man so viel Energie und wir waren alle gemeinsam Eins. Die Wehmut, dass ich dieses Fest nicht bei meiner Familie verbringen kann, wurde abgelöst durch Freude, ein Teil dieser Gemeinschaft zu sein. Zu Hause hatten wir zwei Besucher über die Tage und auch sonst viel Besuch. Und wir wurden von Freunden zum Essen eingeladen. Neben den Besuchern war das Essen das, was die Tage von gewöhnlichen unterschieden hat. Davon gab es nämlich reichlich. Viele Variationen und viel Fleisch. Geschenke gibt es keine, aber wir haben uns einen kleinen Weihnachtsbaum aufgestellt, aus den Ästen einer Art Fichte und die haben wir mit kleinen Luftballons geschmückt. Auch wenn dieser Baum die weihnachtliche Stimmung nicht gerade stimuliert hat, war er trotzdem irgendwie sympathisch. Ein paar Tage nach Weihnachten gab es ein „noel des enfants“. Kinder aus allen Unterzentralen Matimbas sind gekommen. Zuerst gab es eine Messe und danach einen Wettbewerb, wo jede Untergemeinde Tanz, Gesang und/oder Sketch aufgeführt hat. Ich war mit drei anderen die Jury und musste jede der 11 Gruppen bewerten. Das war gar nicht so einfach, weil alle sich super viel Mühe für Choreographie und Kostüme gemacht haben. Nach den Aufführungen gab es für alle Soda und „Amandazi“, das ist ein frittiertes ruandisches Gebäck.
An Silvester gehen die meisten Leute in die Kirche um dort das neue Jahr zu beginnen. Darauf habe ich allerdings verzichtet, da wir morgens schon mit dem Chor gesungen haben. Den Abend habe ich also ziemlich ruhig mit meinen Brüdern verbracht. Neujahr bzw. „bonne anneé“ wurde dann wieder mit gutem Essen zelebriert. Bei Freunden haben wir eine Ziege geschlachtet und zusammen gegessen.

Im November gab es für die dynamiques femmes, die ich in meinem ersten Rundbrief schon erwähnt habe, ein Seminar. Dieses Seminar sollte zum Ziel haben, dass sie zum einen ihre Fähigkeiten verbessern und zum anderen eine Kooperative gründen. Das bedeutet, dass die Organisation „dynamique femmes“ den Frauen selbst gehört und von ihnen selbst demokratisch verwaltet wird, also von niemandem abhängig. Sie werden dadurch auch berechtigt ihre Produkte wie Kleidung, Kerzen oder selbstgeflochtene Körbe („agaseke“) auf dem nationalen und internationalen Markt zu verkaufen. Die ersten paar Tage war eine Seminaristin da, die sie in die Strukturen der Kooperative eingeführt hat und ihnen dabei helfen wird, diese zu gründen. Danach kam dann jeweils eine Lehrerin für die Mädchen, die nähen lernen, und die Frauen, die die Körbe flechten. Ich habe vormittags immer mit Dina und Mama Boy zusammen gekocht für alle. Am Nachmittag habe ich mich dann den Frauen angeschlossen um „Agaseke“ zu flechten („kuboha“ auf kinyarwanda). Auch wenn es mit der Kommunikation eher mühsam war, da keine der Frauen Englisch kann, hat es trotzdem ziemlich Spaß gemacht zu lernen und ich werde meinen eigenen Korb flechten. Der ist allerdings bis heute noch nicht fertig, aber ich habe ja noch etwas Zeit. Diese Körbe sind etwas sehr traditionelles in Ruanda. Sie werden aus verschiedenen Gräsern geflochten und in der Regel zu Hochzeiten an das Brautpaar verschenkt mit nützlichen Dingen darin. Dieses Seminar wurde von inshuti, dem Partnerverein aus Vallendar, finanziert.

Im Dezember hat in Gisenyi ein Forum für die gesamte katholische Jugend Ruandas stattgefunden. Gisenyi ist eine Stadt im Westen Ruandas am Kivu See, direkt an der Grenze zur D.R. Kongo. Hier aus Matimba sind wir dort mit 3 Leuten hingefahren und insgesamt waren über 6000 Jugendliche dort aus ganz Ruanda. Es war ziemlich beeindruckend wie  alle zusammen ihren Glauben gefeiert haben und auch wie präsent dieser im Leben der Jugendlichen ist. Am ersten Tag gab es eine große Prozession durch die Stadt angeführt von einem riesigen Kreuz, das jemand trug. Dann haben sich alle im Stadion versammelt und es wurden Messen gefeiert, Reden über verschiedene Themen wie zum Bespiel Aids gehalten und vor allem wurde viel getanzt und gesungen. Nachmittags, nach dem gemeinsamen Essen, haben verschiedene Gruppen Sachen vorgeführt und es gab noch mehr Reden. Insgesamt ging das Ganze vier Tage lang. Mir gefiel es nicht so gut, dass das Ganze ziemlich frontal und nicht sehr interaktiv gestaltet wurde.  Außer halt beim Singen und Tanzen, was wiederum ziemlich cool ist mit 6000 Leuten zusammen. Für mich war es vielleicht auch etwas extrem, weil ich bei den Reden zum Beispiel nichts verstanden habe, wenn ich nicht gerade jemanden neben mir hatte, der gut Englisch konnte. Allen Teilnehmern wurde für die Tage eine Gastfamilie zugeordnet, so auch mir. So hatte ich die Chance in einem anderen Umfeld das Leben einer ruandischen Familie kennenzulernen. In dem Haus, in dem ich wohnen durfte, lebt eine Mama mit ihrer Mama und zu diesem Zeitpunkt war auch eine ihrer Töchter da. Mit ihr habe ich abends zusammen gekocht und sie hat mir Gisenyi gezeigt. Ich habe dort natürlich auch wieder ausgiebig die ruandische Gastfreundschaft gespürt, aber bei jedem Besuch nach Gisenyi werde ich mich dort wieder willkommen fühlen.

Kurz vor Jahresende hat hier in einer Untergemeinde ein weekend de jeunes stattgefunden. Dort kamen circa 300 Jugendliche aus den verschiedenen Untergemeinden. Das war ziemlich cool, da ich da einige wieder getroffen habe, die auch mit nach Gisenyi waren. Das Wochenende stand unter dem Thema „Eine gute Familie ist die Basis für eine gute Entwicklung der Jugendlichen, sowie der Weg zu Einheit und Versöhnung.“ Dementsprechend wurde über verschiedene Themen diesbezüglich diskutiert. Einmal war eine Krankenschwester aus dem Health Center aus Matimba da und hat mit uns über die physische Entwicklung eines Menschen und die biologischen Punkte der Familienplanung gesprochen. Und ein anderes Thema war die Familienplanung im Allgemeinen. Das war ziemlich spannend und hat für gute Diskussionen außerhalb der offiziellen Runde gesorgt. In Ruanda ist es üblich im frühen Alter zu heiraten (mit etwa 21) und Kinder zu bekommen. Im Durchschnitt hat eine Familie etwa 5 Kinder, ich beziehe mich da jetzt auf die ländliche Region. Das ist sicherlich ein Teil der Kultur. Ich denke, dass es auch andere Gründe dafür gibt wie zum Beispiel der unzureichende Gebrauch von Verhütungsmitteln oder die Tatsache, dass die Familien oft auf die Kinder als Arbeitskräfte, zum Beispiel in der Landwirtschaft, angewiesen sind. Natürlich sind große Familien etwas Schönes. Es kann aber auch einige Probleme mit sich bringen. Oft passiert dieser rasche Familienwachstum unkontrolliert und die Eltern sind damit überfordert, ihnen zum Beispiel das Schulgeld zu bezahlen.

Samstag haben wir dann eine Umuganda Aktion gestartet. Umuganda findet immer am letzten Samstag im Monat statt und ist eine gemeinschaftliche Arbeit für die Gemeinschaft. Wir haben für zwei Witwen aus dem Dorf Ziegelsteine hergestellt, damit sie sich eine Küche bauen können. Das Ganze hat die Gemeinschaft der Jugendlichen gestärkt und auch das Zusammenleben innerhalb der Dorfgemeinschaft. Man merkt dadurch, dass man nicht alleine da steht. Auch für mich persönlich hat es geholfen, mich besser in der Gemeinschaft einzufügen, da die Sprache immer noch oft eine Barriere darstellt und wir uns deswegen gegenseitig mit einer gewissen Schüchternheit begegnen. Ich versuche eigentlich immer meinem Gegenüber offen zu begegnen, aber manchmal werde ich von der Verhaltenheit mir gegenüber angesteckt und dann ist es bequemer diese Barriere nicht zu überwinden. Das werde ich vielleicht in meinem nächsten Rundbrief noch genauer thematisieren. Es war auch ziemlich cool sich körperlich zu betätigen, was dann noch durch ein Fußballturnier ergänzt wurde.

Bis Bald und Danke fürs Lesen,
Claire