Kroatien: 2. Rundbrief von Annika Henner

Liebe Familie, liebe Freunde, lieber Soli-Kreis,

seit meinem letzten Rundbrief ist einige Zeit vergangen; Zeit, in der sehr viel passiert ist. Das Wichtigste vielleicht schon einmal direkt zu Anfang: Ich habe meinen Freiwilligendienst abbrechen müssen und bin nun seit Mitte Januar wieder in Deutschland. Dennoch (oder viel eher gerade deswegen) wollte ich mich allerdings nochmal bei Ihnen und Euch melden und ein bisschen von meinen Erfahrungen während der letzten Monate berichten. Onda, idemo:

Irgendwie dann doch ein bisschen Alltag

Nachdem ich die ersten Wochen und Monate sehr damit zu kämpfen hatte, dass mein Aufgabenbereich im Projekt unklar und meine Woche unstrukturiert war, ist es mir bis Ende Oktober dann doch gelungen, einen Arbeitsalltag zu entwickeln: Montag, Donnerstag und Freitag arbeitete ich im Kindergarten, dienstags und mittwochs verbrachte ich meine Zeit in der Bibliothek der Grundschule.

In der Grundschule konnte ich mich leider kaum einbringen, doch hatte ich Glück, dass ich mich gut mit Marina, der Bibliothekarin, verstand. Wir freuten uns immer über die Gesellschaft der jeweils anderen, unterhielten uns über Gott und die Welt, und widmeten uns verschiedenen Bastelprojekten, damit die Bibliothek auch immer der jeweiligen Jahreszeit und Anlässen entsprechend geschmückt war.

Marina und ich

Am besten gefielen mir jedoch die Tage, die ich im Kindergarten mithalf: Als „teta Annika“ (Tante Annika) fand ich schnell Zugang zu den Kindern, die gerne mit mir spielten und sich begeistert mit mir unterhielten, sobald mein Kroatisch halbwegs dazu ausreichte. Mit den Erzieherinnen und den Kindern habe ich mich im Vergleich zu allen anderen Bereichen des Projekts am wohlsten gefühlt und ich hatte im Kindergarten am ehesten das Gefühl, mit anpacken zu können.

teta Ivana, teta Annika und teta Veronika

Ein paarmal begleitete ich zudem meine Kroatischlehrerin Davorka, die in Šibenik an einem Gymnasium Deutsch unterrichtet, in den Unterricht ihrer Matura-Klasse (die Matura entspricht dem deutschen Abitur und wird nach insgesamt 12 Schuljahren abgelegt). Dort berichtete ich von meinem Dasein als Freiwillige, aber auch von meinem Leben in Deutschland, wobei die Schüler mir aufmerksam zuhörten; ich erzählte nämlich alles auf Deutsch. Zum Schluss musste ich mich jedoch auch immer ein paar Fragen auf Kroatisch stellen; wir sollten schließlich alle etwas aus der Stunde mitnehmen ;-).

Im Dezember entschied Davorka, dass ich keinen weiteren Unterricht mehr bei ihr benötigte, da wir die Grammatik durchgearbeitet hatten und ich mit der Struktur der Sprache inzwischen einigermaßen vertraut war. Heute kann ich sagen, dass ich mit einem langsam und deutlich sprechenden Gegenüber auf jeden Fall Smalltalk halten kann; für ausschweifendere Gespräche fehlt mir allerdings das Vokabular.

Vorweihnachtszeit

Im Dezember kam mit dem kalten Wetter und dem kleinen Adventsmarkt dann auch in Šibenik weihnachtliche Stimmung auf. Dennoch fiel mir im Verlauf der letzten Monate der wirklich enorme Unterschied in Sachen Lebensstil zwischen Sommer und Winter auf: In einem derart touristisch geprägten Städtchen floriert das Geschäft im Sommer. Alle Läden sind bis spät abends geöffnet, die Cafés sind vollbesetzt, und nachts ziehen all´ jene durch die Gassen der Altstadt, die die Temperaturen tagsüber in den klimatisierten Innenräumen festhalten.

Im Winter hingegen ist die Stadt wie ausgestorben. Wenn ich durch die Innenstadt spaziert bin, begegnete mir selbst am Nachmittag oder Wochenende kaum jemand auf der Straße. Die meisten Geschäfte sind außerhalb der Sommersaison geschlossen und gerade wenn der kalte Nordwind „Bura“ weht, bleiben die meisten Menschen am liebsten drinnen.

Im Gegensatz dazu herrschte im Kindergarten und in der Schule geschäftiges Treiben, da sich in beiden Einrichtungen auf die jeweilige Weihnachtsfeier vorbereitet wurde: Die Schule führte in der letzten Woche vor den Ferien ein Theaterstück auf, im Kindergarten hatte jede der drei Gruppen eine eigene kleine Showeinlage für die Eltern vorbereitet. Wochenlang wurde akribisch geprobt und beide Aufführungen waren letztendlich ein voller Erfolg.

Die „Engel“ warten auf ihren Auftritt

Abbruch des Freiwilligendienstes

Über Weihnachten und Neujahr flog ich nach Hause, um die Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden zu verbringen. Ich habe die zwei Wochen sehr genossen, da ich meine Lieben wirklich vermisst hatte und von allen Seiten ganz verständnisvoll umsorgt wurde.

Direkt am Anfang des neuen Jahres hatte ich hier in Trier dann einen Arzttermin, da ich in den vergangenen Monaten immer häufiger mit Atemproblemen zu tun hatte und mir dieser Zustand alles andere als geheuer war. Mein Arzt diagnostizierte allergisches Asthma und riet mir, so schnell wie möglich die Rückkehr nach Deutschland anzutreten, da der Auslöser unklar und ansonsten mit einer Verschlimmerung der Symptome zu rechnen sei. Daraufhin stand für mich mein Abbruch außer Frage und ich flog lediglich für knapp zwei Wochen zurück, um meine Sachen zu packen und mich zu verabschieden.

Ein paar Worte zum Schluss

Um ehrlich zu sein habe ich mir schon vor der Feststellung meiner gesundheitlichen Probleme Gedanken darüber gemacht, ob ich meinen Freiwilligendienst die ganzen 13 Monate würde durchziehen können. Einige Umstände vor Ort haben es mir wirklich immer wieder schwer gemacht und schon vor meiner Anreise bestand eine schlichtweg fehlerhafte Kommunikation zwischen verschiedenen Beteiligten in und um mein Projekt, was den Einsatz eines Freiwilligen betrifft; ein Problem, das ich in meiner Zeit in Kroatien leider immer wieder zu spüren bekommen sollte.

Doch trotz all‘ der Dinge, die während meines Freiwilligendienstes schiefgelaufen sind, kann ich nicht sagen, dass es nicht auch schöne und insbesondere einige lehrreiche Momente gab. Ich habe viele neue Gedankenanstöße bekommen und hoffe, mir diese auch weiterhin zu Herzen nehmen und dementsprechend handeln zu können.

Ich habe unter anderem erfahren, was es bedeutet, als einzige Fremde mit am Tisch zu sitzen und mich nicht am laufenden Gespräch beteiligen zu können. Ich habe gelernt, dass es überall Menschen gibt, die einem die Hand reichen und entgegenkommen, genauso wie es überall Menschen gibt, zu denen man schlicht und einfach keinen Draht findet und denen man nichts zu sagen hat (ganz unabhängig von einer gegebenenfalls bestehenden Sprachbarriere!).

Ich habe knapp ein halbes Jahr lang auf mich alleine gestellt versucht, mich in einem fremden Land zurechtzufinden, und dabei gelacht, geweint und mehr als einmal den Kopf geschüttelt.

Ich habe so viel gelernt und für mein weiteres Leben gewonnen, dass ich wirklich dankbar dafür bin, dass ich diese Erfahrung des Freiwilligendienstes im Ausland habe machen dürfen.

Am Schluss steht natürlich ein großes Hvala vama; ein Dankeschön an alle, die mich vor und während meiner Zeit in Kroatien auf allen möglichen Wegen unterstützt und begleitet haben.

Danke an meine Familie, die mich immer bei allem unterstützt, was ich tue.

Danke an meine lieben Freundinnen Nina, Paula und Verena, die sich immer Zeit für meine kleineren oder größeren Probleme genommen und mich mit Telefonaten, Skype-Gesprächen oder Sprachnachrichten versorgt haben, wenn ich jemanden zum Reden brauchte.

Danke an alle meine Mitfreiwilligen; wie sich gezeigt hat, besteht einfach ein großes gegenseitiges Verständnis unter uns Freiwilligen, was unser Befinden und unsere Probleme vor Ort angeht. Ich bin sehr froh, dass ich in euch Menschen gefunden habe, mit denen ich meine Erfahrungen teilen konnte, ohne mich ausschweifend erklären zu müssen.

Danke auch an Euch und Sie alle, die Ihr euch/Sie sich die Zeit genommen und meine Rundbriefe gelesen und damit meinen Dienst mitverfolgt habt/haben.

Fühlt euch alle ganz fest gedrückt! (Oder herzlichst an der Hand geschüttelt, ja nachdem, was beliebt ;-))

Doviđenja, Hrvatska! Hvala za sve što ja sam mogla doživjeti i naučiti. Sigurno ću te opet posjetiti!

Bis bald und viele Grüße

Ihre/Eure Annika