Hallo, liebe Unterstützer und Unterstützerinnen!
Die Zeit scheint auf einmal zu fliegen, es ist schon Februar. Daher möchte ich jetzt von meinen beiden vergangenen Monaten hier, Dezember und Januar, berichten.
Regenzeitmelancholie
Der Dezember übernahm nahtlos meine ernüchterte Stimmung des Novembers. Ich verlor mehr und mehr die Motivation und auch meinen guten Willen. Das zeigt sich vor allem an einem Aspekt: ich kam häufig sehr spät zur Arbeit. Fiel morgens Regen, suchte ich nicht nach einer Lösung (wie die Nutzung eines Regenschirms) sondern saß zuhause, bis der Regen aufhörte.
Ja, der Regen ist gekommen und es veränderte sich einiges. Die Regenfälle selbst zwingen einen in die Häuser, und zwar für Stunden! Sie sind meist sehr stark, dauern lange an und hinterlassen tausende große Pfützen bzw. vielmehr kleine Seen. Lasst es mich so formulieren: „sintflutartige Regenfälle“ ist für mich kein abstrakter Begriff mehr.
Abends kommen, wenn es tagsüber stark geregnet hat, riesige Schwärme von riesigen Insekten zu jeder Lichtquelle geflogen. Die Einheimischen fangen diese Insekten ein, trocknen, rösten und essen sie. Ich muss sagen, die schmecken wirklich gut!
Des Weiteren hat sich das Land sehr verändert: es ist alles grün geworden, die Menschen sind andauernd auf ihren Feldern unterwegs. Zudem sind viel mehr Vögel zu hören. Da mich das an den deutschen Frühling erinnert, fühle ich mich in dieser Umgebung wohler.
Ich habe im vorherigen Rundbrief ein Gespräch angesprochen, in dessen Folge sich mein Alltag verbessert habe. Das war so: Ich habe einem Freund die unzufriedenstellende Situation geschildert. Er erzählte mir daraufhin, wie meine Vorgänger diese Situation viel besser als ich gemeistert hätten. Sehr hilfreich waren diese Informationen nicht, doch sie regten mich zum Nachdenken an. Ich fragte mich, was ich in diesem Jahr erreichen will und ob ich etwas ändern möchte. Letztlich kam ich zu dem Schluss, dass ich etwas ändern möchte. Und das ich mich nicht vergleichen lasse oder werde. Ich bin ich, mein Freiwilligendienst ist eine individuelle Sache. Ich wurde schon öfter mit Geschichten über Vorgänger konfrontiert. Zu Beginn war das frustrierend, alle schwelgten in den schönen Erinnerungen der letzten Wochen mit den Vorgängern. Ich war neu und unsicher, habe mich verglichen. Das konnte sehr frustrierend sein. Doch dem ist jetzt nicht mehr so.
Daher war dieses im ersten Moment frustrierende und unerfreuliche Gespräch letztlich eine Art Türöffner.
Mittlerweile habe ich mit einem Kollegen bei ihm typisch lokales Essen gekocht und mich öfter als zuvor mit anderen Kollegen getroffen. Für die persönliche Zufriedenheit sind diese Treffen natürlich äußert förderlich.
Advent, Advent?
Kurz nach Beginn der oben beschriebenen Entwicklung stand Weihnachten vor der Tür. Es ist seltsam, von Advent zu reden, während es 30 Grad und mehr sind. Zusätzlich fehlten mir die typischen Erscheinungen der Vorweihnachtszeit. Lichterketten, Dunkelheit, Weihnachtsmusik… all dies begegnete mir im Advent nicht. Immerhin hatte ich ein paar Plätzchen, die mir aus Deutschland geschickt worden waren. Den Heiligen Abend verbrachte ich recht unspektakulär: abends ging ich in den Gottesdienst, anschließend kochte ich zu Hause und machte ein paar Weihnachtslieder an. Über WhatsApp hatte ich zudem Kontakt nach Deutschland. Doch auch wenn der Gottesdienst ebenfalls nach katholischem Ritus gefeiert wurde, gab es einige Besonderheiten, die ich so noch nicht kannte.
So wurde während der Christmesse erst mal ein Dutzend Kinder getauft. Außerdem tanzten mehrere Mädchen, auch eine der Schülerinnen, in weißen Gewändern während der Messe zur Musik.
Diese war auch nicht wie typische europäische weihnachtliche Kirchenmusik, sondern lebendiger und in meinen Augen fröhlicher.
Die Weihnachtsfeiertage verbrachte ich mit Entspannung und Aufräumen. Das war aber nicht so schlecht: denn wann immer ich viel an Weihnachten dachte, überkam mich eine leichte Melancholie. Immerhin war es das erste Weihnachtsfest, welches ich getrennt von der Familie verbrachte.
Reisen
Zudem galt es, den Besuch zweier Mitfreiwilliger vorzubereiten. Denn gemeinsam mit Anika und Lisa, zwei der MaZ-Freiwilligen, verbrachte ich meinen Urlaub. Zunächst lud ich aber beide zur Jahresabschlussfeier meines Projektes ein. Es war ein besonderes Gefühl, „mein“ Projekt und „meine“ Kollegen mal Anderen vorzustellen. Ich fühlte eine Art Stolz für das MOET.
Am nächsten Tag besuchten wir Mangochi, bevor wir nach Cape Maclear fuhren. Zur Erinnerung: Cape Maclear ist der wunderschöne Ferienort am Ufer des Malawisees. Ab Monkey Bay mussten wir vom Bus auf Motorradtaxis wechseln. Alleine die Fahrt über Hügel und durch Wälder und Felder war ein Erlebnis für sich. In Cape Maclear angekommen, trafen wir auf einen Großteil der anderen MaZ-Freiwilligen in Malawi. Außerdem gab es viele Begegnungen mit anderen Deutschen, so habe ich eine ehemalige Bayerin getroffen, die mittlerweile in Blantyre im Süden Malawis lebt. Am Seeufer dieses beliebten Urlaubsortes sahen wir viele Weiße und deutlich mehr wohlhabende Dunkelhäutige als in den Dörfern.
Cape Maclear war wunderbar erholsam: wir gingen schwimmen, legten uns in die Sonne (inklusive Sonnenbrand) und gingen feiern. Einmal bot mir ein Freund an, uns auf seinem Boot mitzunehmen. Wir haben im unheimlich klaren Wasser wunderschöne Fische beobachtet und sind von Felsen ins Wasser gesprungen. Ein besonderes Erlebnis, das man so in keinem Urlaubskatalog findet!
Und schon stand das nächste große Ereignis vor der Tür: Silvester! Den Übergang ins neue Jahr feierten wir an einem Hotel, direkt am Seeufer, gemeinsam mit hunderten Menschen. Auch das habe ich so bisher noch nicht erlebt. Vor allem war ich an Silvester noch nie in kurzer Hose draußen…
Am nächsten Morgen ging es für uns sofort weiter, wir fuhren mit Minibussen nach Lilongwe. Die Fahrt war nicht einfach: zunächst fiel ein Bus für eine gute Stunde aus, und zwar, weil der Fahrer einfach zu wenig getankt hatte. Anschließend mussten wir mehrere Stunden auf unseren Anschlussbus warten. Na ja, und der ging dann, 30 km vor Lilongwe, kaputt. Zu diesem Zeitpunkt war es schon dunkel, so dass wir drei (Lisa, Anika und ich) im Prinzip alleine irgendwo im nirgendwo auf einer Landstraße standen. Nachts. Eigentlich ein Horrorszenario, und Lisa und Anika waren entsprechend aufgebracht. Aber auf mich hat, glaube ich, mittlerweile die malawische Gelassenheit abgefärbt, denn ich war ganz ruhig und entspannt. Ich war sicher, dass wir schon eine Lösung finden würden.
Und so war es auch: ein Auto hielt für uns an und war bereit, uns gegen Bezahlung mitzunehmen. Doch während der Fahrt gab uns der Fahrer, Fred, unser Geld zurück. Fred erzählte uns, er sei Flüchtling und hätte in Malawi Asyl erhalten. Aus diesem Grund wolle er uns, die wir in Not waren, umsonst helfen. An diesem Punkt wurde ich sehr nachdenklich. Aufgrund seiner Hilfsbereitschaft, aber besonders aufgrund der Flüchtlingsthematik: Malawi, eines der ärmsten Länder der Welt, nimmt trotz Armut und äußerst begrenzter Ressourcen freimütig Flüchtlinge auf. Und in Deutschland, einem der reichsten Länder des Planeten, sträuben sich mehr und mehr Menschen, ihre komfortable Situation mit einigen wenigen Menschen in Not zu teilen. Das finde ich sehr traurig.
Von Lilongwe fuhren wir am nächsten Morgen weiter nach Mzuzu im Norden des Landes. Der Norden ist anders als der Süden: es ist hügelig, sehr grün, da es viele Niederschläge gibt, und kälter. Die Fahrt im großen Bus war etwas bequemer, aber sehr lang und ermüdend. Und anschließend mussten wir noch nach Nkatha Bay kommen. Letztlich haben wir zwei komplette Tage nur auf der Straße verbracht. Aber für die Ankunft in Nkatha Bay hat es sich gelohnt.
Wir wohnten dort in einer Art Hüttendorf, welches in die Steilhänge über dem Seeufer gebaut war. Das erforderte zwar viel Treppensteigen, war aber auch wunderschön. Abends schliefen wir mit dem rauschen der Wellen ein. In den nächsten Tagen erkundeten wir den Ort, fuhren Kanu und gingen schwimmen. Dabei trafen wir einige interessante Menschen: zunächst begegnete uns eine Belgierin, die wir in Lilongwe getroffen hatten, wieder. Sie ist mit einem Malawier verheiratet. Zudem trafen wie in Nkatha Bay in einem kleinen Kunstladen eine Deutsche. Sie hat Deutschland vor Jahren verlassen, einen Malawier geheiratet und lebt jetzt dauerhaft hier. Mit ihr hatten wir mehrere interessante Gespräche.
An einem Tag besuchten wir auch die Stadt Mzuzu und ein Projekt in der Nähe. Dort trafen wir auf Maja, welche in einer deutschen Bäckerei in der Nähe von Mzuzu hilft. Sie begleitete uns spontan nach Mzuzu, wo wir diverse Märkte besuchten. Auch mit Maja konnten wir uns wunderbar austauschen.
Was mir im Gespräch mit Anika, Lisa und den Deutschen, die uns begegneten auffiel, war, dass wir alle doch einen großen deutschen Kern haben. Größer, als ich das von mir erwartet hätte. So regten wir uns beispielsweise gemeinsam über die typische Gelassenheit und dadurch auch manchmal Unzuverlässigkeit der Malawier auf.
Andererseits sehe ich auch, dass jeder Europäer Malawi ein wenig anders wahrnimmt und kennenlernt. Überhaupt weiß ich mein Projekt nach dem Austausch mit Lisa und Anika noch einmal anders zu würdigen. So habe ich zwar Stromausfälle, aber bei ihnen fällt auch das Wasser aus. Zudem bin ich zwar manchmal etwas einsam, da ich alleine wohne, habe aber auch viel Freiheit. Alles hat seine zwei Seiten…
Muss ich erwähnen, dass die Rückreise ebenfalls zeitaufwendig war? Früher kamen mir die zwei Stunden Fahrt nach Köln lang vor, nach 12 Stunden non-stop Rückfahrt nach Mangochi hat sich meine Perspektive in diesem Punkt aber verändert…
Nach dem Urlaub war ich erst mal wieder froh in Maldeco, zu Hause zu sein. Die „Tour de Malawi“ hat mir in Bezug auf meine Unterkunft ein stärkeres Heimatgefühl verschafft. Als sicherer, fester Ankerpunkt ist dieser Ort für mich mittlerweile mehr als eine reine Unterbringung.
Life goes on…
Und der Urlaub und mehrere Gespräche via Internet mit Familie und guten Freunden haben noch mehr bewirkt: seit Beginn des neuen Schuldritteljahres (wir haben keine Halbjahre, das Schuljahr wird in Drittel, sog. „terms“, aufgeteilt) geht es mir besser. Ich habe in meinem Alltag konsequent mehrere Kleinigkeiten verändert und auch das ein oder andere Duell mit meinem inneren Schweinehund gewonnen. Viel ist nicht anders, aber diese kleinen Erfolge erhöhen meine Grundzufriedenheit enorm. Infolge dessen steigen Motivation und Arbeitsbereitschaft. Es geht mir also besser. Zudem unternehme ich mehr mit meinen Kollegen, vor kurzem z.B. haben sie mir eine lokale Bar gezeigt. So fülle ich meinen Alltag langsam mit Leben und Zufriedenheit. Und ich blicke optimistisch in die Zukunft: Bald steht das Zwischenseminar für mich und andere Freiwillige in Malawi an. Wir werden uns austauschen, Probleme besprechen und neuen Input erhalten. Zudem wird ein Freiwilliger aus Deutschland das MOET für einen Monat besuchen. Das wird meinen Alltag noch einmal verändern, ich werde nicht mehr alleine wohnen. Es gibt also auch in Zukunft viel zu berichten!
Euer John
Überraschung! Natürlich heiße ich Paul, aber viele Kinder in meinem Dorf nennen mich John. Wahrscheinlich, weil mein Vorgänger so hieß…