3 weitere Monate sind vergangen und somit ist es wieder Zeit euch zu berichten, was bei mir so passiert ist. Die letzten 3 Monate waren geprägt von hohen Hochs und tiefen Tiefs und somit relativ durchwachsen. Trotzdem schaue ich positiv zurück, denn ich habe mich nicht für ein Jahr in Indien entschieden mit der Vorstellung, dass das Jahr nur schön und einfach wird. Mir war klar, dass auch schwierige Momente kommen würden und rückblickend bin ich froh die Erfahrungen gemacht zu haben, denn mal wieder habe ich einiges daraus gelernt.
Weihnachten im Sari
Grade in der Adventszeit erreichten mich viele Fragen; wie und ob hier überhaupt Weihnachten gefeiert wird. Allgemein bekommt man hier in Tamil Nadu wenig von Weihnachten mit, was daran liegt, dass es hier im Verhältnis zu den Hindus eher wenige Christen gibt. Da ich in einer christlichen Einrichtung lebe, haben wir Weihnachten aber sehr ausgiebig gefeiert. Mit dem ersten Advent haben wir bereits begonnen Weihachtsplätzchen zu backen. Nachdem wir 10 verschieden Sorten gebacken hatten, ging es weiter mit Kuchen. Die Kuchen haben wir teilweise verkauft um zusätzlich Geld für das kommende Jahr zu gewinnen und teilweise verschenkt an Freunde oder Menschen, die uns im vergangen Jahr geholfen haben, denn hier ist man sehr oft auf seine Mitmenschen angewiesen und Weihnachten ist da natürlich einen schöne Gelegenheit um sich zu bedanken. Durch das viele tägliche backen und dem alltäglichen Betrieb im Nähzimmer wurde die Adventszeit leider zu einer sehr stressigen Zeit, denn eigentlich war rund um die Uhr etwas zu tun. So war ich heilfroh, als alle Kuchen ausgeliefert waren und wir uns auf das eigentliche Weihnachtsfest konzentrieren konnten. Am Morgen des 24. besuchte ich eine Feier in einem nahegelegenen Kinderheim. Die Kinder führten Tänze und Sketche auf und anschließend wurde ausgiebig gegessen. Gegen Abend begannen meine Mitbewohnerinnen und ich uns für den Gottesdienst fertig zu machen, denn wir wollten alle Sari tragen und bis man in dem Teil eingewickelt und alles festgesteckt ist, dauert es ein wenig. Gegen Mitternacht brachen wir dann auf zur Kirche. Nach dem sehr schön gestalteten Gottesdienst quatschten wir noch ein bisschen mit Bekannten und Freunden. Anschließend überreichten wir unsere Wichtelgeschenke und aßen gemeinsam Kuchen.
Alles in allem war es ein sehr schönes Weihnachtsfest, wenn auch ganz anders als Zuhause.

Ausflüge nach Munnar & Karrur
Am ersten Weihnachtstag erwartete ich Besuch von Madita, einer meiner Mitfreiwilligen. In ihrem Projekt würden zwischen Weihnachten und Neujahr alle nach Hause fahren und so lud ich sie ein die Zeit bei mir zu verbringen, da wir sowieso geplant hatten Silvester zusammen zu feiern und danach zum Zwischenseminar aufzubrechen. Nach nur 4 Stunden Schlaf starteten wir den nächsten Tag direkt mit einem Ausflug nach Munnar. Die Stadt liegt in den Bergen an der Grenze von Tamil Nadu und Kerala und ist bekannt für den Anbau von Tee, Kaffee und Gewürzen. Bereits auf der Hinfahrt durch die Berge waren wir überwältigt von der schönen Landschaft, denn so viel Grün wie dort sind wir nicht mehr gewöhnt. Außerhalb der Stadt hatten wir schließlich die Möglichkeit auf einem Elefanten zu reiten. Das ließen wir uns natürlich nicht entgehen und so verbrachten wir den 2. Weihnachtstag auf dem Rücken eines Elefanten.
Am nächsten Tag fuhren wir dann nach Karur. Karur ist eine der Haupttextilstädte Indiens. Aus diesem Grunde haben sich dort auch viele große westliche Firmen wie beispielsweise Ikea angesiedelt. Auch uns verschlug es wegen den Stoffen nach Karur, denn nach der Hauptsaison im Advent, ist es an der Zeit neue Stoffe für das Nähzimmer zu kaufen. Als wir den ersten Stoffladen betraten, waren Madita und ich erstmal sprachlos. Bei diesem Laden handelt es sich um ein komplettes Haus, in dem jeder Raum bis zur Decke mit Stoffen gefüllt ist. Es gibt nur ein kleiner Pfad zwischen den Stoffbergen damit man von Raum zu Raum gehen kann. Das Stoffe aussuchen wurde so also zu einer kleinen Schatzsuche und wir mussten die Berge von Stoffen hochklettern um uns erstmal einen Überblick zu verschaffen. Nach 3 Räumen voller Stoffen wurden wir allmählich müde, da das Ganze anstrengender war, als gedacht. Da man aber sowieso auf einem Haufen von Stoff standen, konnte man sich sehr bequem jederzeit ausruhen. Im Grunde also ein sehr durchdachtes Geschäftskonzept. Madita und ich hatten jedenfalls eine Menge Spaß beim durchforsten der Räume und mir kamen bei jedem neuen Stoff bereits Ideen für neue Tischdecken oder Schürzen. Nach 4 Stunden war das Auto bis unter das Dach beladen und wir mussten alle ein wenig enger aneinander rücken, damit wir überhaupt noch reinpassten.

Die beiden Ausflüge waren definitiv Highlights der letzten 3 Monate, die ich so schnell nicht vergessen werde.
Krankenhaus & Zwischenseminar
Nachdem am 26. Dezember auch meine Mitfreiwillige Judith in Viralimalai ankam, hatten wir eigentlich geplant uns noch ein paar schöne Tage in meinem Projekt zu machen und am 31. morgens nach Chennai aufzubrechen um dort gemeinsam mit Helena ins neue Jahr zu starten. Leider erkrankte ich 2 Tage vor unsere Abfahrt an Fieber und auch wenn ich zuerst noch hoffte, dass ich bis zum 31. wieder fit sein würde, musste ich Judith und Madita alleine nach Chennai fahren lassen. Ich habe den Silvesterabend schließlich im Bett verbracht und habe ins neue Jahr geschlafen. Das war definitiv ein anderes Silvester, als ich erwartet hatte.
Am 1.1 fuhr ich dann allerdings trotz Gliederschmerzen und Erschöpfung nach Chennai, denn am nächsten Tag würde unser Zug in den Norden zum Zwischenseminar abfahren und den wollte ich unbedingt kriegen trotz abklingender Krankheit. Als es mir am Morgen der Abfahrt allerdings wieder schlechter ging, überkam mich Panik. Schließlich würden wir die nächsten 3 Tage in einem Zug quer durch Indien verbringen und da wollte ich dann doch sichergehen, dass es nichts Ernstes war. Also fuhren wir früher los Richtung Bahnhof und hielten unterwegs noch in einem Krankenhaus.
Ein paar Bluttests später war dann klar, dass ich mir Denguefieber eingefangen hatte. Diese Nachricht überforderte mich sehr. Während unserer Vorbereitung hatten wir so viele Horrorgeschichten über Denguefieber gehört und mir ging es bis auf Kopfschmerzen und einen schwachen Kreislauf eigentlich ganz gut. Trotzdem nahmen mich die Ärzte sofort stationär auf. Den Zug ließen wir sausen und ich verbrachte die nächsten 4 Tage im Krankenhaus. Mir ging es in dieser Zeit von Tag zu Tag ein bisschen schlechter. Ich konnte in den Nächten kaum schlafen, da alle 2 Stunden mein Blutdruck und meine Temperatur gemessen wurden. Außerdem bekam ich einen juckenden Ausschlag an Händen und Füßen und die Einstichstelle der Infusion an meiner Hand entzündete sich. Was die Situation zusätzlich erschwerte, waren die Kommunikationsschwierigkeiten mit den Ärzten und den Krankenschwestern. Wie so oft lag es allerdings nicht an Sprachschwierigkeiten, sondern an den unterschiedlichen kulturellen Hintergründen.
Ich hatte das Bedürfnis mich auszuruhen, doch die Ärzte wollten sich besonders gut um mich kümmern und dafür sorgen, dass ich mich nicht einsam fühlte. Aus diesem Grund schickten sie regelmäßig eine Krankenschwester vorbei, die deutsch sprach oder einmal sogar eine deutsche Touristin, die sie irgendwo aufgegabelt hatten, weil sie dachten, dass würde mir helfen. Ich empfand es allerdings eher als anstrengend in meinem übermüdeten Zustand fremden Menschen meine Situation zu erklären.
Ich fragte viel nach, weil ich informiert sein wollte über meinen gesundheitlichen Zustand. Die Ärzte empfanden das als Kritik, denn Fragen der Patienten waren sie nicht gewohnt. Das indische Gesellschaftssystem ist autoritärer als unseres. Hier vertraut man dem, was der Arzt sagt und fragt nicht nach. Da war meine ewiges nachfragen, was ja nur daher rührte, dass ich in einer sehr ungewohnten Situation, in einem auch nach 5 Monaten noch ungewohnten Land, war, natürlich merkwürdig für sie. Gleichzeitig wollten mir die Ärzte aber auch nicht sagen, wie ernst die Situation war, denn sie dachten, dass mir das Angst einjagen würde und ich damit nicht klar käme.
Nach 3 Tagen voller Missverständnissen, verstand ich endlich, dass die Ärzte sich eigentlich abmühten, damit es mir so gut wie möglich ging und ich sie mit meinem Verhalten zurückwies.
Wieder einmal habe ich aus dieser Erfahrung sehr viel gelernt und nicht nur über die fremde Kultur, sondern auch über meine eigene. Das Lieblingswort der Deutschen scheint mir seit ich hier bin „Warum“ zu sein. Wir wollen immer informiert sein und die Hintergründe kennen. Sichergehen, dass alles so läuft wie es unserer Meinung nach sollte. Hier ist man wesentlich besser darin zu vertrauen und „mit dem flow zu gehen“. Rückblickend bin ich sehr dankbar, dass die Ärzte mich auch in Momenten, in denen ich nur noch aus dem Krankenhaus abhauen wollte, nicht gehen ließen, denn im Endeffekt habe ich erfahren, dass bei mir auf Grund einer sinkenden Anzahl an Thrombozyten die Gefahr bestand, dass ich innerlich verblute und das bemerkt man eben erst wenn es schon fast zu spät ist.
Klar, hätte ich diese Information gerne von Anfang an gehabt, denn dann hätte ich die Situation selber ernster genommen und einige Missverständnisse hätte man vermeiden können. Schuld trägt in der Situation aber trotzdem niemand, denn im Grunde genommen, wollten alle Beteiligten nur das Beste für mich. Unsere Auffassungen davon, was das Beste ist, waren nur sehr verschieden.
Meine Mitfreiwilligen flogen zum Zwischenseminar und ich fuhr zurück nach Viralimalai. Die ersten 2 Wochen zurück im Projekt waren nicht leicht. Mein Kreislauf war noch immer schwach, sodass ich nicht wirklich etwas tun konnte. Gleichzeitig frustrierte mich die Vorstellung, dass ich grade so viel verpasste. Nachdem ich mich den Januar über erfolgreich in Selbstmitleid gebadet hatte, kam dann aber eine Nachricht von SoFiA, dass ich zu einem anderen Seminar, dass ganz bei mir in der Nähe stattfand, fahren könne.
Das Seminar war schließlich sehr schön und gab mir nochmal ein paar weiter Denkanstöße für die nächsten Monate mit. Neben den vielen Diskussionen und Vorträgen, unternahmen wir auch einige Ausflüge während des Seminars. So besuchten wir zum Beispiel eine Universität um dort mit indischen Studenten Gleichberechtigung und Bildung zu diskutieren, was sehr aufschlussreich war. Außerdem besichtigten wir einige Sehenswürdigkeiten in Tamil Nadu, wie beispielsweise die Tempelanlage in Thanjavur (siehe Foto).

Vor allem lernte ich aber auf dem Seminar viele neue Leute kennen, mit denen ich eine sehr schöne Zeit hatte und die ich teilweise demnächst auch schon wiedersehen werde.
Und sonst so?
Nach den ersten Monaten, die vollgepackt waren mit neuen Eindrücken, kann ich sagen, dass ich hier einen richtigen Alltag habe, was schön ist, weil das ein Ziel des Freiwilligendienstes ist, aber oft auch Schwierigkeiten mit sich bringt, denn das Leben hier in Viralimalai kann gerne auch mal langweilig und einsam werden. Gleichzeitig bin ich sehr froh, dass nicht mehr alles neu ist, denn dadurch bin auch ich für meine Mitmenschen hier nicht mehr „die Neue“. Ich gehöre mittlerweile fest dazu und das fühlt sich gut an.
Allgemein kann ich sagen, dass man vieles hier einfach intensiver erlebt. Eine Niederlage trifft mich hier härter, als in Deutschland, weil mir hier mein gewohntes Umfeld, mein Netz, fehlt, dass mich auffängt. Gleichzeitig sind die Momente, wenn ich endlich etwas erreicht habe, umso so schöner.
Alles in allem geht es mir hier noch immer sehr gut, auch wenn es ein paar Niederlagen in den letzten Wochen gab. Selbst in den schwierigsten Momenten habe ich mich stets gefragt „Naja, wärst du jetzt lieber in Deutschland?“ und bisher war meine Antwort immer Nein, denn im Endeffekt möchte ich keine der Erfahrungen, die ich hier in den letzten 6 Monaten gemacht habe, missen.
Das war’s dann erstmal wieder von mir. Nächstes Mal erzähle ich euch dann von dem Besuch meiner Familie letzter Woche und von meinen Reisen, die in nächster Zeit anstehen.
Liebe Grüße,
Klara