Malawi: 6. Rundbrief von Paul Heck

Hallo, liebe Unterstützer!

Wow, es ist nicht mehr lange für mich, bis ich wieder nach Hause fliege. Während ich diesen Brief verfasse, bin ich nur noch knapp einen Monat vom Ende meines Freiwilligenjahres entfernt.

Die vergangenen beiden Monate waren nicht einfach. Es ist nicht viel passiert, aber dafür war es prägend.

Anfang April hatte ich aus verschiedenen Gründen direkt und indirekt mit den malawischen Behörden zu tun. Dabei bin ich auf eine der wenigen negativen Seiten Malawis gestoßen, welche auch das größte gesellschaftliche Problem dieses Landes ist: die Korruption.

Dazu muss ich ein wenig ausholen: Korruption ist auch mir schon oft begegnet. Auf den Straßen gibt es oft polizeiliche Kontrollpunkte. Immer wieder werden einzelne Autos und Fahrer kontrolliert. Nun ist es so, dass ein Führerschein, eine Autoversicherung sowie die malawische Version einer TÜV-Überprüfung nicht billig sind. Daher verfügen viele Bus- und Taxifahrer nicht über all diese Dinge. Geraten sie dann in eine Kontrolle, drücken sie dem Polizisten ein wenig Geld in die Hand und dürfen weiterfahren.

Im Gespräch mit einer Mitarbeiterin der deutschen Botschaft in Malawi erfuhr ich, das viele Beamte unterbezahlt sind. Somit wird das Problem der Korruption verstärkt.

Ich selbst war nun also mit den Behörden in Kontakt, doch mir wurde ein Stein nach dem anderen in den Weg gelegt. Im Nachhinein habe ich das Gefühl, als sei mein Vorhaben bewusst boykottiert worden. Warum? Weil ich kein Bestechungsgeld zahlen wollte.

Diese Geschichte hat mich regelrecht schockiert, da niemand in der Behörde mich als Person mit einem Problem gesehen hat, sondern nur als potenzielle Einnahmequelle. Korruption war für sie keine Option von vielen, sondern eine Selbstverständlichkeit. Zudem waren entsprechende Mitarbeiter meinem Eindruck und Aussagen befreundeter Malawier nach nicht unterbezahlt, einer fuhr sogar Mercedes, was sich in Malawi fast niemand leisten kann. Außer natürlich mit Zusatzeinnahmen durch Korruption.

Warum ich schockiert war? Weil dieser emotionslose und geldgierige Egoismus so überhaupt nicht in dieses Land passt! Ich erlebe tagtäglich so viel Offenheit, Freundlichkeit und eine selbstverständliche Bereitschaft zu teilen. Denn wenn einer im Raum ohne Essen ist, teilt jeder mit ihm. Kommt ein Freund oder auch ein Fremder zufällig vorbei, wird er sofort zum Essen eingeladen. Paul hat als Weißer mehr Geld? Egal, ich gebe ihm ein Bier aus.

DAS ist für mich Malawi, dass ist es, was dieses Land zum „warmen Herzen Afrikas“ macht. Ich denke, ihr könnt daher auch verstehen, wie sehr dieses Erlebnis bei den Behörden mich aus meinem positiven Erleben herausgerissen hat. Ich brauchte längere Zeit, um mich hier wieder wohlzufühlen. Was mir dabei geholfen hat war, wieder tagtäglich im MOET und Maldeco das echte, offene, liebevolle Malawi zu erleben.

Außerdem hatte ich zu der Zeit noch ein Geburtstagswochenende mit ein paar Mitfreiwilligen in Cape Maclear. Dabei habe ich nochmal den Kopf ein wenig frei bekommen.

Der Mai war dann doch deutlich positiver, nicht zuletzt, nachdem ich aus der Heimat erfahren durfte, dass die Bayern im DFB-Pokalfinale von Frankfurt besiegt wurden!

Aber lassen wir den Sport, der wird im nächsten Rundbrief dank der WM noch eine große Rolle spielen.

Im MOET gab es eine große Sache: Die Schüler aus dem höchsten Jahrgang, Standard 8, hatten ihre Examen hinter sich und wurden feierlich entlassen. Daher gab es für die Schüler und ihre Eltern oder Erziehungsberechtigten (das MOET ist eine Waisen- /Halbwaisenschule) eine große Feier mit Essen, Musik, Tanz und dem Ehrengast Victoria Kingston, eine wichtige Politikerin. Es war ein schönes Erlebnis, denn ich konnte erleben, wie weit das MOET Schüler bringen kann. Denn viele werden auch in der Secondary school (weiterführende Schule) gefördert.

Entlassungszeremonie für die 8. Klasse

Das Geld dafür stammt von Sponsoren der englischen Organisation FOMOE. In diesem Zusammenhang hat eine Nebenaufgabe für mich auch eine Rolle gespielt: ich habe Steckbriefe der Schüler, welche gesponsert werden, abgetippt und mit Fotos versehen. Beeindruckt haben mich einige Antworten der Schüler: So wünschen sich alle, ihren Sponsor irgendwann persönlich kennenlernen zu dürfen.


An diesem Punkt will ich einladen, das MOET zu unterstützen. Es ist ein großartiges Projekt, und die Schüler erhalten die Hilfe, die sie benötigen. Zudem wurde es von einem Malawier, dem Direktor Patterson Majonanga gegründet und wird von ihm geleitet. In der Entwicklungshilfearbeit wird immer betont, wie wichtig Eigenständigkeit der Partnerländer und -projekte ist. Wenn ihr Fragen zum MOET habt, könnt ihr euch immer an mich wenden. Außerdem gibt es auf der Website von FOMOE viele Infos. FOMOE steht für „Friends Of Mangochi Orphans Education“ („Freunde des MOET“). Über sie sind auch Spenden möglich. (http://www.fomoe.org/how-to-help/)


Und auch für mich persönlich gab es ein großes Projekt: Die Vorbereitung meiner Heimkehr. Denn ich hatte mich noch nicht für eine Uni beworben, hatte keine Wohnung. Gut, ehrlicherweise habe ich immer noch keine Wohnung. Aber die Bewerbung für die Uni ist raus und ich bin fleißig auf der Wohnungssuche. Das ich dabei weit vor Ablauf aller Fristen schon so vieles erledige, ist so gar nicht typisch für mich. Aber es macht mir ziemlich viel Spaß! Normalerweise mag ich es nicht, diese ganzen Verfahren und Online-Suchen erledigen zu müssen. Aber insbesondere die Wohnungssuche begeistert mich geradezu. Im Zusammenhang mit den Erfahrungen im Juni (die erst im nächsten Rundbrief dran sind), glaube ich heute, dass das viel mit meiner Vorfreude auf die Heimkehr zu tun hat.

Mir ist aufgefallen, dass es noch viele Eindrücke von Malawi gibt, die ich mit euch teilen möchte – Eindrücke, die dem Alltag entspringen und mir daher kaum noch auffallen. Daher möchte ich euch, nachdem wir ja schon eine Fahrt nach Mangochi gemacht haben (3. Rundbrief), zu einem Spaziergang durch Maldeco einladen.

Natürlich starten wir an der Haustür meiner Unterkunft. Wir begeben uns durch den sandigen Vorgarten zum roten Tor und treten Hinaus. Mit dem Fahrrad machen wir uns auf den Weg zum MOET. Auf den ersten paar Metern müssen wir kräftig in die Pedale treten, denn auch wenn in diesem Teil Malawis fast alles flach ist, ist es durch die Nähe zum See sehr sandig. Die Wege ähneln Feldwegen und sind nicht asphaltiert. Es ist sehr holprig. Weil wir uns kurz nach dem Mittagessen aufgemacht haben, steht die Sonne fast im Zenit. Plötzlich huscht ein Schatten über uns und wir hören von oben den typischen Ruf eines der Fischadler, die auf dem Hügel neben dem Haus nisten.

Ein innerortschaftlicher Feldweg

Wir richten den Blick wieder auf die Straße. Genau rechtzeitig, denn uns kommt eine Gruppe Frauen entgegen. Einige von ihnen tragen große Plastikschüsseln auf dem Kopf. Sie sind meist mit Geschirr oder Wäsche gefüllt, welche die Frauen dann im See waschen. Eine Frau, die in die andere Richtung geht, preist ihre Fische an, die sie ebenfalls in einer Schüssel auf dem Kopf transportiert.

Achtung, Ziege von links!

Wir fahren weiter. Vor uns rennt eine Ziege aus dem Weg. Dann biegen wir nach rechts ab und folgen einem weiteren holprigen Weg, an dessen Rand viele Familien wohnen. Die kleinen Kinder, die noch nicht zur Schule gehen (oder deren Eltern das Schulgeld nicht bezahlen können), spielen alle draußen. Seilspringen, Hüpfspiele, Fußball oder Völkerball. Einige haben sich aus Müll kleine Autos gebaut, die sie an Stäben über die Erde schieben. Selbst, wenn man nicht in ihrer Nähe ist, hört man überall die Stimmen der Kinder. Auch die der Erwachsenen oder ab und an eine Ziege, Kuh oder ein Huhn – wie das, welches gerade den Weg vor uns gemeinsam mit seinen Küken überquert.

Jetzt halten wir uns links, da uns ein Radfahrer entgegen kommt. Er hat mehrere Stangen Zuckerrohr auf sein Fahrrad geladen (eine sehr beliebte Nascherei hier, die starke Zähne erfordert!). Autos sehen wir keine, diese fahren nur selten über die nicht-KFZ-geeigneten Wege. Dafür sehen wir umso mehr Menschen. Egal ob Tags oder Nachts, fast immer ist jemand unterwegs. Meist zu zweit oder in Gruppen, Schüler, Arbeiter oder einfach Freunde.

Während wir jetzt links auf einen Trampelpfad abbiegen, hören wir eine Frau, die beim Arbeiten singt. Aus der Ferne tönt eine Musikanlage. Man hört so gut wie immer von irgendwoher Musik. Das Fußballfeld überqueren wir schnell. Doch wäre es Morgen oder Abend, müssten wir langsam fahren. Denn jeden Tag treibt ein Bauer hier seine Kuhherde entlang zu den Weidegründen. Da wir den Kühen ziemlich egal sind, müssen wir uns immer durch sie hindurch schlängeln – oder einfach warten, bis sie vorbei sind.

Du hast Zeitdruck? Die Kuh kümmert das nicht.

Auch abseits der Feldwege ist der Boden zumeist braun und pflanzenlos. Auch, wenn es viele Bäume und darunter Sträucher gibt, zwischen diesen Oasen ist der Boden wieder sehr trocken. Es ist Mai, daher ist es zwar noch grün, aber die Trockenzeit lässt schon viele der kleinen Pflanzen sterben. Außerdem färben sich einige Blätter an den Bäumen bunt.

Jetzt treffen wir auf eine asphaltierte Straße zwischen einem Hotel und der Hauptstraße. Dabei passieren wir einen kleinen Laden, den man im Dorf alle 200 Meter findet. Dort kann man von Brot und Eiern über Insektenspray uns Süßkram bis hin zu Streichhölzern und Seife vieles für den alltäglichen Bedarf kaufen. Neben diesem Laden verkauft eine Frau auch Tomaten, hundert Meter weiter biete eine Nachbarin von ihr Kohlen an. Auch diese Stände sieht man sehr häufig, an manchen wird auch Popcorn oder Obst verkauft.

Ein Kohlestand

Und schon wieder kreuzt ein Tier unseren Weg, diesmal ein Hund. Die Hunde sind teilweise Streuner, aber eigentlich harmlos. Doch geht man nachts zu nah an ihr Grundstück oder begegnet man ihnen in einsamen Gebieten, können sie aggressiv werden. Da wir gerade aber in der wunderbaren Mittagssonne unterwegs sind, müssen wir uns keinerlei Sorgen machen.

Jetzt biegen wir nach rechts auf die Hauptstraße ab. Zu unserer linken ist einer dieser Kartoffelstände. Dort werden, als kleine Mahlzeit, frittierte Kartoffeln mit Salat verkauft, neben gerösteten Maiskolben ein beliebtes Streetfood. Zu unserer rechten ist eine offene Fahrradwerkstadt, wo im Prinzip alles repariert wird. In Sachen Effektivität, Lebensdauer und Recycling sind diese Leute wirklich unschlagbar. Alles ist verwendbar, nichts kann nicht repariert werden. Aber bei dieser speziellen Reparaturwerkstatt hier darf ein Mzungu („Weißer“) auch mal draufzahlen…

Ein typischer Verkaufsstand für Kartoffeln.

Doch unser Fahrrad ist in Ordnung, daher folgen wir der Straße. Wir überqueren eine kleine Brücke, unter der ausnahmsweise noch ein Fluss zu finden ist. Die meisten Flüsse und Tümpel sind mittlerweile ausgetrocknet, seit Ende der Regenzeit hat es ja auch nicht mehr geregnet. Rechts von uns sehen wir schon das MOET: das Fußballfeld, die Schulgebäude und die Bäume. Durch die kleine Baum-Allee fahren wir auf den Schulhof und stellen unserFahrrad ab.

Damit ist unser Ausflug durch Maldeco zum MOET vorbei. Ich hoffe, ich konnte euch an der alltäglichen Atmosphäre im Dorf teilhaben lassen und euch einen Eindruck von meinem Weg zur Arbeit vermitteln.

Nächstes Mal melde ich mich dann schon wieder aus Deutschland bei euch!

Liebe Grüße,

euer Paul