Rumänien- 4. Rundbrief von Lena Jahn

Lieber Solidaritätskreis!

Der letzte Rundbrief hat auf sich warten lassen. Ich hoffe ihr seht es mir nach.
Ich wollte die letzten drei Monate noch einmal so richtig in mich aufsaugen und mir nach meiner Ankunft die Zeit nehmen, die ich brauchte. Außerdem musste ich noch warten, bis die Lieblingsbilder von meiner Einwegkamera entwickelt wurden, welche ich euch nicht vorenthalten wollte 🙂
Jetzt bin ich seit zwei Wochen wieder zuhause und meine Gedanken sind nun ein wenig geordneter und die anfängliche Zeit der Eingewöhnung in Deutschland hat sich allmählich eingestellt.
In meinem vierten und letzten Rundbrief aus Rumänien möchte ich von den Monaten Juni bis August berichten und wie es nun wieder ist, in Deutschland zu sein.
Ein letztes Mal wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen! 🙂

Familienbesuch
Als meine Nachfolgerin Rahel Ende Mai nach ihrem Vorbesuch abgereist war, kam auch schon wenige Tage später meine Familie mit dem Wohnmobil für eine Woche zu Besuch nach Rumänien, um sich ein besseres Bild von meinem Leben hier vor Ort machen zu können. Ich freute mich, ihnen meine Welt in Rumänien zeigen zu können, meine Freunde vor Ort vorzustellen, für sie landestypische Gerichte zu kochen, und als kleiner Tour-Guide zu fungieren .
Anschließend waren wir dann noch für ein paar Tage gemeinsam unterwegs im Osten des Landes und am Donaudelta. Die gemeinsame Zeit mit meiner Familie war wirklich schön, und vor allem so kleine Dinge wie gemeinsam frühstücken, habe ich sehr genossen 🙂
Ich muss auch sagen, dass ich dieses Mal mit einem ganz anderen Gefühl Urlaub gemacht habe. Irgendwie mit dem Bewusstsein und der Wertschätzung, was für ein Privileg das eigentlich ist, dass ich für eine Woche verreisen kann. Viele meiner Kollegen und Freunde hier können sich das in dem Ausmaß nämlich gar nicht leisten.

Auf dem Donaudelta
Schlammvulkane in Berca

 

 

 

 

 

 

Summer is coming
Obwohl der diesjährige Sommer in Rumänien eher durchwachsen war und die Hitzeperiode aus Deutschland nicht herüberschwappte, war es dennoch angenehm warm und sonnig hier.
Somit verlagerte sich zum Glück die Arbeit mit den Kindern und generell mein gesamter Alltag endlich mehr nach draußen.
In ,,erst‘‘ zwei Monaten sollte ich mein Leben in Târgu Mureş zurücklassen.
Aber so langsam stellte sich bei mir leider schon allmählich Abschiedsstimmung ein.
Denn mit meinem Deutschkurs ging es an die letzten Lektionen im Buch, eine meiner Mitbewohnerinnen zog um, und in den Roma-Projekten waren weniger Kinder bei der Betreuung, da schon ab Anfang Juni für die Schulkinder hier die dreimonatigen Sommerferien beginnen. Ich sah einfach gewisse Orte und Menschen zum letzten Mal.
Das Gefühl, was damit einherging, war sehr bedrückend, denn vor allem in den letzten Monaten war ich zufrieden mit meinem hier aufgebautem Leben gewesen und das schien sich nun viel zu schnell wieder aufzulösen. Aber es gab mir auch nochmal zusätzliche Energie, das Beste aus den mir verbleibenden Tagen zu nutzen.

Blumenbeete anlegen!

Vor allem auf der Arbeit versuchten meine Kollegen und ich, den Kindern während der Betreuung viele Outdoor-Spiele mit Naturmaterialien zu zeigen, damit die Kinder sich auch nach der Caritas-Betreuung mit Dingen wie Stöcken und Steinen ein Spiel zaubern konnten.
Auch meine Gitarre kam freudigerweise mehr zum Einsatz. Ich lernte so nochmal viele ungarische Kinderlieder und zeigte den Kids gerne, wie man eine Gitarre hält und spielt.
Und: Egal ob euch das Lied ,,Despacito‘‘ auf die Nerven geht. In meinen Ohren wird es immer positiv besetzt bleiben, weil es das Lieblingslied war, was ich mit den Kindern immer zusammen gesungen habe 🙂

(v.l.) Ich spiele mit Kristzina Gitarre ; wir spielen ein Steinchenspiel

 

Außerdem durfte ich im Sommer noch an zwei besonderen Caritas-Aktionen teilnehmen, von denen ich berichten möchte: Zum einen war ich im Caritas-Schwimteam beim diesjährigen ,,Swimathon‘‘ in Târgu Mureş.
Bei diesem Schwimm-Marathon, der im Stadtbad von Târgu Mureş stattfand, wurde für jede geschwommene Runde ein gewisser Betrag von Sponsoren an die Caritas gespendet.
Die geschwommenen 600 Euro unseres Teams wurden anschließend für Kinder-Spielsachen und Schulutensilien investiert.

Der Swimathon am 10. Juni. Eine tolle Aktion!

Des Weiteren verbrachte ich noch eine schöne Woche im Caritas-Sommer-Work-Camp.
Caritas-Freiwillige aus ganz Rumänien kamen in dem kleinen rumänischen Dorf namens Kápolnásfalu (rumänisch: Căpâlnița ) zusammen. Vormittags wurde viel handwerklich gearbeitet z.B. Spielplatz-Geräten und Zäunen einen neuen Anstrich verpasst oder Beete umgejätet.
Nachmitags standen dann Punkte wie Wandern, das Einüben ungarischer Lieder und Tänze und Lagerfeuer auf dem Programm. Es war nicht nur richtig schön, meine deutschen Freundinnen Renate und Vanessa dabei zu haben, sondern sich auch mit anderen Jugendlichen der Young Caritas auszutauschen und gut zu verstehen.
Ein Video zur Woche im Work-Camp findet ihr hier: https://www.facebook.com/YoungCaritasRo/videos/2142679695999983/

Unsere Gruppe beim Einstudieren              traditioneller Kreistänze;

 

 

Ein Braunbär stattete uns beim Wandern einen Besuch ab!  
unsere Gruppe (photo credits to Szabolc Ilyes)

Ich kann nicht mehr genau rekapitulieren, was dann noch alles geschah.
Aber kurz gesagt: Es standen noch ein paar Festivals auf dem Programm,
die Fußball-WM zog relativ unbeachtet an mir vorbei, und ich traf mich nochmal ein letztes Mal mit allen mir lieb gewonnenen Menschen. Deshalb war mein letzter Monat Juli terminlich sehr vollgepackt, aber trotzdem schön. Ende Juli gab es dann für mich und Tamara sogar eine Überraschung und Danksagung im Caritas-Büro mit Geschenken und einer Bilder-Diashow, was wirklich sehr schön war!

Anfang August nahm ich schließlich Abschied von meinem Leben in Rumänien.
Als ich in den Bus stieg, hatte ich viele gemischte Gefühle. Ich war verwundert, wie ein Jahr so schnell vorbei gehen konnte. Ich war und bin immer noch dankbar für alles, was ich erleben durfte und  traurig, die Leute zurückzulassen, die mir wichtig geworden sind. Ich war natürlich auch glücklich, meine Familie und Freunde in Deutschland wiederzusehen. Aber auch ängstlich, weil ich wusste, in Deutschland wird vieles anders werden, und bald würde ich erneut umziehen müssen, um zu studieren.

Anfang August ging es aber für mich noch nicht direkt nach Hause.
Zum Abschluss hatte ich geplant, mich noch mit Rahel, ihrem Bruder und meiner Schwester Lisa in Budapest zu treffen, um zusammen auf das Musik-Festival ,,Sziget‘‘ zu gehen.

Wander-Ausflug in Kotor, Montenegro mit meiner Schwester 🙂

Anschließend sind Lisa und ich noch durch verschiedene Balkanländer gereist. Dort haben wir in Hostels nette Bekanntschaften aus aller Welt machen können, aber ich konnte auch noch viel über Ex-Jugoslawien erfahren.
Und es war auch ein schöner Abschluss meines Auslandsaufenthaltes, da ich noch ein bisschen osteuropäischen Charme um mich herum genießen konnte, oder andere Backpacker traf, die gerade auch ihr Auslandsjahr in Osteuropa beendeten.

Da mich viele fragen, wie es jetzt ist, wieder in Deutschland zu sein, ein kleiner Einblick: Zum ersten Mal wieder auf einer Autobahn fahren, so viel Auswahl ( vor allem an Brotsorten 🙂 )in Supermärkten haben, wieder Deutsch reden und keinen einzigen Tramper am Straßenrand.
Das sind so einer der vielen Dinge, die mir primär aufgefallen sind, als ich wieder hier war.

bei der Ankunft in Koblenz

Ein paar Schlussworte 🙂
Zum Schluss möchte ich mich nochmal bei all denen bedanken, die mich im letzten Jahr unterstützt haben. Sei es durch Spenden, Besuche, ermutigende Telefonate, Nachrichten, E-Mails, und Briefe. Das hat mich echt immer aufgebaut, zu wissen, dass jemand an einen denkt.
Ich hoffe sehr, dass ich euch ein bisschen an meinem Leben hier in Rumänien teilhaben lassen konnte. Ich freue mich, den ein oder anderen bald nochmal persönlich zu sehen.
Ich möchte nicht so schnulzig klingen, aber ich glaube, ich habe in meinem Leben noch nie so intensiv gelebt wie dort. Ich habe noch nie so viele unterschiedliche Menschen kennengelernt, ich wurde von so vielen Seiten mit offenen Armen empfangen, ich habe so viel neues Essen probiert, so viel über mich selbst gelernt und mich neuen Herausforderungen gestellt. Ich vermisse jetzt schon die rumänische ,,Kakao‘‘-Schokolade, die immer nach Vanille schmeckte, ich vermisse es, Ungarisch zu sprechen, Hand in Hand die Kids nach Hause zu bringen, die knusprigen Kifli-Hörnchen vom Bäcker, die Kreistänze in Szekler-Tracht, die langen Busfahrten über die noch längeren Landstrecken…

Ja, ich habe auch meine Tiefpunkte gehabt. Ich war vor allem anfangs sehr einsam und krankheitsbedingt nicht so auf der Höhe, was mich beides ziemlich niedergeschlagen hat.
Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich die Erinnerungen an solche Momente jetzt einfach so hinter mir lassen kann. Kann ich nicht. Solche Momente prägen einen auch. Aber wer kann schon sagen, dass einem in 365 Tagen nur ,,Gutes‘‘ widerfährt?

Vielleicht begreife ich im Augenblick auch noch gar nicht, was es genau mit mir gemacht hat und machen wird, ob und in welchem Maß es mich verändert und beeinflusst hat.
Aber eins steht für mich fest: Nach der Schule ins Ausland gehen und einen neuen Alltag sehen, Situationen aus anderen Blickwinkeln erfahren, praktisch zu arbeiten und sich zu engagieren hat sich auf jeden Fall gelohnt und ich würde es sofort wieder tun!
Es gibt einfach so viel mehr zu sehen und zu entdecken. Es ist es wert, über den eigenen Tellerrand zu schauen, seinen Horizont zu erweitern. mutig zu sein und sich Dinge zu trauen.
In diesem Sinne beende ich meinen Rundbrief. Danke für eure Zeit. Bis bald!

Eure Lena 🙂

( Im Anhang noch ein paar Bilder zum Abschluss 🙂 )

Bei meinem Abschied schenkten mir die Kinder meine Lieblings-Snacks aus Rumänien- Maisflips ( Pufuleti ) 🙂

 

mit Dalma und Emma beim Skezler-Mädchen-Tag
beim Work-Camp
Kaffee und Kuchen mit dem Deutschkurs
Beim Double-Rise-Festival in Torockó