Ukraine: 1. Rundbrief von Frauke Weber

Ich mach mich auf den Weg…

Über ein halbes Jahr Vorbereitung, mein Abitur, was mich bis Mitte Juni beschäftigt und plötzlich waren es nur noch wenige Tage bis zu meiner Ausreise. Tatsächlich hatte ich die letzte Zeit in Deutschland eher das Gefühl, dass es noch unvorstellbar lang ist, bis es endlich losgeht. Umso überraschender war es dann, als ich nachts um drei Uhr am Bahnhof stand und mir klar war jetzt geht es los. Als ich dann im Bus saß und gesehen habe wie wir Trier verlassen, kam mir erst mal die Frage darüber auf was ich eigentlich hier mache. Ich meine, ich begebe mich für ein Jahr in ein anderes Land wo ich niemanden kenne und nicht mal die Sprache auch nur im Ansatz beherrsche. So sehr sich der logisch denkende Teil in mir auch gefragt hat ob ich den Verstand verloren habe, die Vorfreude konnte er mir aber nicht nehmen.

Eingewöhnung in mein neues Leben

Auf dem Weg nach Krylos

Als ich dann nach 36 Stunden Busfahrt, die für mich ziemlich turbulent waren, da die Busfahrer nur Ukrainisch konnten und ich dauerhaft Angst hatte im falschen Bus zu sitzen, endlich in Iwano-Frankiwsk ankam, wurde ich dort von meinen zwei Vorfreiwilligen David und Simon begrüßt. Ziemlich fertig ging es dann zu Davids Wohnung, in der ich mittlerweile lebe. Am Abend lernte ich dann noch die ersten Freiwilligen der Malteser kennen. Am nächsten Tag ging es dann erst mal ins Büro, wo ich die hauptamtlichen Malteser kennenlernte. Das Wochenende brachte dann auch schon die erste Malteseraktion mit sich. Samstags wurde, gemeinsam mit mehreren tausend Menschen, 20km nach Krylos gepilgert und dort dann in der Feldküche der Malteser geholfen, die an alle Pilger Essen verteilt haben. Bei dieser Aktion habe ich bereits sehr viele der Freiwilligen der Malteser kennengelernt. Am nächsten Morgen ging es dann aber auch schon wieder zurück.

Gemeinschaftliches Kartoffelschälen

Auch der Rest meiner ersten Woche war sehr spannend. Simon und David zeigten mir sehr viel von der Stadt und erzählten mir einiges über ihr Leben und das Leben allgemein in der Ukraine. Simon nahm mich einmal zur Caritas mit, wo er gearbeitet hat und wo ich auch die Möglichkeit habe zu helfen, da dort dieses Jahr leider kein zweiter Freiwilliger ist. Ich lernte die ersten ukrainischen Wörter, traf sehr viele Leute und wurde aus Versehen in der Wohnung eingeschlossen. Im Gesamten hatte ich so viele erste Eindrücke, dass ich sehr viel wieder vergessen habe. Es kommt immer noch vor, dass ich irgendwelche Plätze wiederfinde an denen ich mit den Beiden war.

Nach dieser Woche musste ich mich jedoch schon wieder von Iwano-Frankiwsk verabschieden und bin zu meinem zweiwöchigen Sprachkurs in Lwiw aufgebrochen. Dort traf ich dann auch noch Sophia, eine andere deutsche Freiwillige, die ich bereits von einem Seminar in Deutschland kannte. Mit ihr verbrachte ich die letzten Tage meines Aufenthaltes dort und erkundete mit ihr die Stadt.

Sophia und Ich in Lwiw

Neue Begegnungen machen das Leben besonders

Für den Rückweg erklärte mir meine Sprachlehrerin alles. Trotzdem war ich extrem unsicher und hatte Angst aus irgendeinem Grund meinen Bus nicht zu finden. Als ich am Busbahnhof saß und auf meinen Bus gewartet habe, kam eine Durchsage in der irgendwas zu Iwano-Frankiwsk gesagt wurde. Natürlich verstand ich auf Grund meiner nicht vorhandenen ukrainischen Sprachkenntnisse kein Wort. Da ich mir nicht anders zu helfen wusste, sprach ich in meiner Verzweiflung einfach einen jungen Mann an und fragte ihn ob er mir die Durchsage übersetzen könnte. Er konnte zwar Englisch, jedoch hatte er die Durchsage nicht wahrgenommen. Deshalb beschloss er einfach mit mir zur Information zu gehen und das für mich zu klären. Er fand für mich heraus wo mein Bus abfuhr, klärte alles wegen meinem Ticket, wartete über eine Stunde mit mir auf meinen Bus setzte mich in diesen rein und fand noch meinen Ankunftsort hier in Iwano-Frankiwsk heraus und das alles ohne dass ich ihn auch nur einmal darum gebeten habe. So gelang es mir Dank ihm im richtigen Bus Lwiw in Richtung meines neuen Zuhauses zu verlassen, mit dem Versprechen mich bei meinem nächsten Besuch bei ihm zu melden.

Es geht endlich wirklich los

Zurück in Iwano-Frankiwsk ging dann mein Freiwilligendienst richtig los. David und Simon waren bereits abgereist und für mich standen erst mal ganz normale Sachen an. Ich habe meine Wohnung bezogen, war zum ersten Mal alleine einkaufen und ich verbrachte meine ersten Tage im Büro. Dazu kam noch der tägliche Sprachunterricht und bevor ich mich versehen konnte war ich mittendrin. Zusätzlich war ich noch in der Armenküche, in der ich einmal pro Woche mithelfe.

Bald stand auch schon die nächste Aktion an. Das neu gebaute Rettungszentrum der Malteser wurde eingeweiht und gleichzeitig fand ein Wettbewerb zwischen verschiedenen Rettungssanitäterteams statt. Auch hier gab es viel zu tun. Ich habe wieder beim Kochen geholfen und bei einer Nachtübung eine Verletzte bei einem Busunglück gespielt. Geplant war auch, dass ich am zweiten Tag wieder Verletzte spiele, jedoch durfte ich nicht, da ich kein ukrainisch konnte.

Es ist nicht immer alles einfach, aber das macht mein Leben hier so besonders

Insgesamt musste ich feststellen, dass mir das ukrainisch lernen erheblich schwerer fällt als Gedacht. Dadurch ist es für mich erheblich schwieriger die Leute kennenzulernen. Trotzdem mache ich was das Leben hier angeht Fortschritte. Meine Wohnung begünstigt das Ganze noch. Sie liegt in einem Haus der Malteser, welches für verschiedene Projekte genutzt wird. Sehr häufig findet irgendeine Aktion statt und ich werde dazu eingeladen mitzumachen. Gerade in der ersten Zeit war das aber sehr ungewohnt für mich, da häufig plötzlich jemand an meiner Tür geklopft hat und mich gefragt hat, ob ich nicht Lust hätte an ihrer Aktion teilzunehmen. Auch das sehr oft Irgendjemand durch das Haus läuft, und dass zum Teil sehr früh oder sehr spät, war für mich am Anfang sehr verwirrend, da ich zum Teil die Leute noch nicht kannte und es einfach nicht gewöhnt war. Trotzdem ist die Wohnung für mich genau richtig. Ich habe meine Privatsphäre, wenn es mal zu viel wird, zugleich bin ich aber auch mitten im Geschehen drin. Ob Zumba, eine Pyjamaparty, gemeinschaftliches Basteln oder vieles mehr, Langweile kommt nicht auf. Und wenn es dann doch mal soweit ist, bietet Iwano-Frankiwsk genügend Möglichkeiten sich zu beschäftigen. Ob mit Sport oder einem Treffen mit dem Deutsch-Club, in den an der deutschen Sprache interessierte Ukrainer gehen können, zu tun ist immer was. Aber auch vom Aussehen ist Iwano-Frankiwsk wundervoll. Gerade die Innenstadt ist sehr schön und auch ein großer Park mit einem See bietet die Möglichkeit sich zu entspannen. Die Stimmung in der Stadt gefällt mir sehr gut. Obwohl sie dreimal so viele Einwohner wie Trier hat, wirkt sie wie eine Kleinstadt. Ich habe das Gefühl, dass jeder jeden hier kennt und alle Menschen irgendwie miteinander verbunden sind.

2 Aktionen, die im Gedächtnis bleiben

Jetzt am Ende des Oktobers stand der alljährliche Ball an. Dieser wird immer für die Gruppe von Menschen mit körperlichen Behinderungen aus Iwano-Frankiwsk und der Umgebung veranstaltet. Vor dem Ball fand ich das eine sehr schöne Idee, doch erst an dem Abend selbst ist mir bewusst geworden wie wichtig das alles, für die meistens im Rollstuhlsitzenden, war. Die Stellung die Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung hier in der Gesellschaft haben, ist nochmal schlechter als in Deutschland. Gerade deshalb war dieser Abend so bedeutsam. Schließlich wurde er nur für die Menschen mit Behinderung veranstaltet und es hat sich alles um sie gedreht. Einfach nur die Freude in den Gesichtern der Leute zu sehen, machte diesen Abend für mich unvergesslich.

Bereits am nächsten Tag ging es dann schon für mich weiter zu den Besinnungstagen. Das Wochenende verbrachten wir in einem Kloster in den Karpaten. Eine Gruppe von Malteserfreiwilligen beschäftigte sich hier mit verschiedenen Fragen zum Thema Leben. Auch wenn ich nicht viel von der Thematik verstanden habe, hatte ich dort eine sehr schöne lehrreiche Zeit, die aber auch auf spiritueller Ebene prägend war.

Das Kloster in den Karpaten

So anders als in Deutschland…

Insgesamt ist mein Leben hier sehr spannend und spontan. Die häufigen Aktionen halten mich ordentlich in Bewegung und wenn ich dann doch mal nichts vorhabe, kommt sehr häufig nochmal was dazwischen. Mittlerweile weiß ich zwar, dass es meistens nicht viel bringt irgendwas genau zu planen, trotzdem kann ich es nicht sein lassen, auch wenn ich weiß, dass alles am Ende anders sein wird. Aber gerade das macht mein Leben hier so unglaublich erfrischend. Zeit für Heimweh oder ähnliches habe ich meistens gar nicht. Dazu kommen die ganzen Menschen hier, die so unglaublich freundlich und offen sind und mich sehr gut aufgenommen haben. Ich bin mit meinem Start in den Freiwilligendienst sehr zufrieden und hoffe, dass auch die noch kommende Zeit für mich unvergesslich wird.

Für verschieden Aktionen wird immer gekocht. Hier war es der Halbmarathon in Iwano-Frankiwsk.