Bolivien: 1. Rundbrief von Chantal Günther

Liebe Leser/-innen,

Knapp 3 Monate ist es jetzt her, dass ich Deutschland verlassen habe und nach Bolivien gereist bin, um meinen Freiwilligendienst anzutreten. Wie die Zeit vergeht!
Eine Zeit voller neuer Eindrücke, neuer Gewohnheiten, neuem Essen und neuer Bekanntschaften.

Die ersten 5 Tage verbrachten wir SoFiA-Freiwillige zusammen mit den Freiwilligen aus Hildesheim, die zwei Tage später ankamen, in La Paz. Dort hatten wir unser Einführungsseminar bei der Comision de Hermandad (Partnerschaftskommission).

La Paz ist eine Stadt, die auf 4000m Höhe liegt und zusammen mit der angrenzenden Stadt, El Alto, mehr als 2 Millionen Menschen beherbergt.
Auch wenn La Paz nicht die Haupstadt Boliviens ist, befindet sich hier der Regierungssitz. Aus diesem Grund finden hier auch oft Demonstrationen statt. So haben auch wir in den 5 Tagen eine Demonstration von Minenarbeitern aus Potosi mitbekommen.

Ausblick aus der Seilbahn

Nach diesen 5 unglaublich eindrucksvollen Tagen, ging es dann für mich und zwei weitere Freiwillige weiter nach Sucre, die Hauptstadt Boliviens. Eigentlich sollte die Busreise „nur“ 10 Stunden dauern. Doch aufgrund eines unerwarteten Schneesturms benötigten wir 20 Stunden… Bedauerlicherweise hatten wir nur Brot und Wasser als Verpflegung. Aber immerhin war die Flota (Reisebus) mit Sitzen wie in der Business Class bei Flugzeugen ausgestattet, sodass die Reise einigermaßen erträglich war.

Sucre

Im Gegensatz zu dem kalten und lauten La Paz ist Sucre schön warm und ruhig.
Nach der langen Busreise wurde ich herzlich von meiner Gastfamilie empfangen, bei der ich die nächsten 4 Wochen gelebt habe, während ich im „Instituto Cultural Bolivia-Alemania“ einen Sprachkurs absolvierte. In dieser Zeit haben wir viel unternommen, wie beispielsweise das Casa de la Libertad ( Museum zur Geschichte Boliviens) und den Parque Cretacico ( Dinosaurierpark mit Fußabdrücken) angeschaut. Hin und wieder wurde ich auch zu Schulfeiern mitgenommen, wo man häufig mit viel und gutem Essen versorgt wird. Unglücklicherweise hatte ich auf einer dieser Feiern einen Hotodog nicht gut vertragen, sodass ich mit einer Infektion im Bett endete und einige Krankenhausbesuche über mich ergehen lassen musste.

Potosi

Cerro Rico

Nach dem trotz allem schönen 4-wöchigen Aufenthalt in Sucre, durfte ich dann in mein Projekt gehen – die Unidad Educativa Copacabana. Das Colegio ist die von den Josefschwestern geführte  Partnerschule des Angela – Merici – Gymnasiums in Trier, wo ich mein Abitur absolviert habe, und ist ebenfalls eine Mädchenschule.
Zurzeit besuchen ca. 800 Schülerinnen die U.E.C. Die Mehrheit der Eltern arbeitet im Cerro Rico, in der Silbermine von Potosi.
Potosi befindet sich auf der Höher von über 4000m. Mit diesem Gedanken imHinterkopf machte ich mich mit der leichten Ungewissheit bezüglich der Höhenverträglihkeit auf den Weg.
Nach einer knapp 3-stündigen Taxifahrt kam ich mit meiner Mitfreiwilligen, Leonie Fölbach, am 01. September in Potosi an. Mit Tee und Gebäck wurden wir herzlich von der Verantwortlichen Hermana Damiana und den beiden Direktoren in der Küche empfangen. Anschließend zeigten diese uns dann unsere Zimmer, in denen wir ab sofort wohnen würden. Unser jetziges zu Hause befindet sich glücklicher Weise direkt neben der Schule, sodass der Weg zur Arbeit nicht weit ist.
Schon am ersten Abend bekamen wir einen schönen Einblick in die Traditionen der Stadt, denn es fand die Entrada „Chutillo“ statt. Dies ist ein festlicher Umzug, bei dem verschiedene traditionelle Tänze aufgeführt werden. Neben den bunten, fröhlichen Kostümen wird uns allerdings auch die Eiseskälte in Erinnerung bleiben.

Einführung in die Arbeit

Zunächst einmal ist zu erwähnen, dass der Schultag hier an der Copacabana in zwei Einheiten geteilt ist. Morgens wird die Primaria unterrichtet                    (Kindergarten u. Grundschule ), nachmittags die Secundaria ( weiterführende Schule).
Der erste Arbeitstag begann mit einer Vorstellung vor den Schülerinnen und Lehrern der Primaria, auf dem Balkon. Danach wurden wir von Hermana Damiana an unsere Kindergartenleiterinnen übergeben, welche uns mit Freude in ihre Kurse mitnahmen.
In meinem Kurs befinden sich insgesamt 37 Mädchen, eine Lehrerin und zurzeit 3 Helferinnen.
Meine Arbeit beginnt um 9:00 Uhr, endet um 12 Uhr Mittags und besteht vorwiegend aus Stifte spitzen, Hefte austeilen, Essen ausgeben und ab und zu auch aus Tränen trocknen.

Nach dem Kindergarten gingen meine Mitfreiwillige und ich dann zu den Schwestern mittagessen, was wir in Zukunft auch immer so machen würden.
Wie am Vormittag sollten wir uns dann erneut vorstellen, nur dieses Mal vor Lehrern und Schülern der Secundaria.
Anschließend wurden wir dann in die Arbeit der Dirección (Sekretariat) und der Trabajo Social (Sozialarbeit) eingewiesen.
Da wir zu zweit im Projekt sind, wechseln Leonie und ich uns jede Woche ab. Diese Woche arbeitete ich in der Trabajo Social. Dorthin kommen sowohl Schülerinnen, Eltern als auch Lehrer, um jegliche Probleme mit den Sozialarbeiterinnen zu klären und zu beheben.
Im Gegensatz zu der eher privateren Atmosphäre der Trabajo Social, könnte man die Direccion eher als Mittelpunkt der gesamten Schule bezeichnen. Während der Pause treffen hier die Schülerinnen ein, um ihren gelieferten Pausensnack abzuholen ( welcher von uns Freiwilligen verteilt wird) oder auch, um Informationen verschiedener Art von den Sekretärinnen einzuholen.
Nachmittags arbeiten wir generell von 14 Uhr bis 17:30 Uhr.

Entrada „Guadaloupe“ Sucre

Am 16. September fand in Sucre ein großer Tanzumzug zur Verehrung der Virgen de Guadaloupe ( Jungfrau von Guadaloupe ) statt.
Diesen wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Also machten Leonie und ich uns mit der Flota auf nach Sucre. Dummerweise war ich gesundheitlich etwas angeschlagen. Da es sich aber nur um Halsschmerzen handelte, dachte ich mir nichts dabei. Jedoch bekam ich während der 2h Fahrt auf einmal 39 *C Fieber, sodass es direkt nach der Ankunft in Sucre erst einmal ins Krankenhaus ging. Dort wurde mir eine Mandelenzündung diagnostiziert.
Es folgte ein 5-tägiger Aufenthalt  bei meiner Gastfamilie ( länger als eigentlich geplant) mit vielen weiteren Krankenhausbesuchen. Diese Situation änderte sich auch nicht, als ich zurück in Potosi war. Im Gegenteil – da man mir dort viel zu viele unterschiedliche Medikamente verschrieb, entwickelte sich aus meiner anfangs harmlosen Mandelenzündung eine Gastritis. Glücklicherweise musste ich diese anstrengende Zeit nicht alleine durchstehen. Sowohl die Direktorin der Primaria, die Chefin der Partnerschaftskomission als auch die Hauptverantwortliche Schwester kümmerten sich stets um mich und sorgten dafür, dass es mir an Nichts fehlte.

Nach einer wochenlangen Diät ging es mir dann schließlich schrittweise besser. Im Gegensatz zu vorher, wo ich nur wenig gegessen habe, esse ich nun – seltsamerweise- gefühlt das Dreifache, weshalb ich von ein paar Mitarbeitern auch gerne zwischendurch mal geneckt werde. Gegenseitige Neckereien und Späße gehören mittlerweile zu meinem Arbeitstag, weshalb ich mich auch jeden Tag auf die Arbeit freue.
Damit ihr euch etwas Genaueres darunter vorstellen könnt, hier ein paar Beispiele:
Neulich fand eine der Sekretärinnen eine Barbie-Puppe in der Schreibtischschublade. Da diese ebenfalls blond ist und blaue Augen hat, wie meine Mitfreiwillige Leonie, wurde sie mit dem gleichen Namen getauft.
Desweiteren besitzt Leonie – dank der Sekretärinnen- auch einen „bolivianischen“ Vater. Dies ist in Wirklichkeit ein Lehrer, der aufgrund von Albinismus durch blonde Haare und helle Haut geprägt ist.
Aber nicht nur Leonie ist hier ein Opfer ihrer Späße, auch ich bekomme häufig zu hören, dass eine Katze lauter niesen würde wie ich oder, dass man mich mit Essen schnell erobern könne etc.
Fakt ist, auf meiner Arbeit ist es nie langweilig!

Bisherige Erkenntnisse durch meinen Einsatz

Trotz meines bisher kurzen Aufenthalts hier, konnte ich schon einige Erfahrungen sammeln.
Ein wichtiger Aspekt, der mir aufgefallen ist, ist die Umsetzung des christlichen Glaubens.
Zugegebenerweise bin ich vorher nie gerne zu Gottesdiensten gegangen, da mir diese immer recht einfältig erschienen. Durch den Jugendpastoral, eine Gruppe von Jugendlichen zwischen 18 und 30, die sich kirchlich engagiert, hat sich meine Sicht auf den Glauben sehr verändert.

Desweiteren unterscheidet sich auch der Gottesdienst. Zwar ist der Ablauf gleich, jedoch sind die Lieder viel fröhlicher und veranlassen somit die Teilnehmenden des Gottesdienstes dazu, mitzuklatschen. Außerdem werden die Fürbitten innerhalb der Sitzreihen vorgelesen, was das Publikum mehr miteinbezieht.
Ein anderes Beispiel für das Miteinbeziehen ist die Art und Weise, wie die Bibel den Kindern vorgestellt wird. Ich hatte das Privileg, an der „Feria de la Biblia“ teilzunehmen. Dies kann man sich vorstellen, wie eine kleine Messe, an denen Spiele gespielt werden, die biblische Aspekte beinhalten. So ist das ganze nicht nur trockene Theorie, sondern begeistert auch die Kleinen.

Insgesamt habe ich festegestellt, dass Bolivien ein Land voller Kultur, Werte und spannender Traditionen ist, von denen man viel mitnehmen kann.
Und ich hoffe, auch in Zukunft noch Einiges in meinem Jahr sehen und lernen zu dürfen.

– Chantal Günther –