Uganda: 1.Rundbrief von Katarina Alsbach

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freunde, Verwandte und Interessierte,

nach drei Monaten in Uganda ist es nun an der Zeit, den ersten Rundbrief zu verfassen. Es gibt Momente, in denen fällt es mir selbst noch schwer zu realisieren, dass ich tatsächlich hier bin und ich muss mich selbst erinnern: „Hey Kati, das ist gerade dein Freiwilligendienst! Du bist in Afrika!“. Und doch sind nun schon drei Monate seit dem Tag vergangen, an dem ich in Düsseldorf in den Flieger gestiegen bin, voller Vorfreude, Angst, Abschiedsschmerz und Aufregung. Drei Monate Uganda? Das waren für mich drei Monate voller neuer Eindrücke und Erlebnisse, voller Fremdheit und Glücksgefühle. Drei Monate voller Erdnüsse, riesigen Portionen an Essen, Unmengen an Zucker im Tee, Sonnenschein und Hitze. Aber vor allem kann ich sagen, dass es drei überwiegend schöne Monate waren auf die ich jetzt schon mit einem Lächeln und voller Dankbarkeit zurückblicke.

Vorab ist es mir noch wichtig zu sagen, dass die von mir beschriebenen Eindrücke nicht gleich Afrika, nicht gleich Uganda und auch nicht gleich Ococia sind. Alles was ich in meinen Rundbriefen schildere sind individuelle Erfahrungen, welche ich hier als weiße, deutsche Frau erlebe und, ob ich es will oder nicht, bewerte und daher subjektiv berichte.

Aber fangen wir nun von vorne an:

Abschied und Ankunft:

Das Abenteuer startete am 15. August am Düsseldorfer Flughafen, wo es nun endlich losging. Der Abschied von Zuhause, meiner Familie und meinen Freunden fiel mir nicht leicht und wurde natürlich auch von ein paar Tränen begleitet. Als ich dann im Flugzeug saß überkam mich aber vor allem die Vorfreude, aber auch die Aufregung. Ich stellte mir viele Fragen: Werde ich mich in der Einsatzstelle und dem Projekt wohlfühlen, kann ich den Anforderungen gerecht werden, werde ich mich mit den neuen Mitmenschen verstehen und wird Uganda wirklich ein neues Zuhause sein?

Nach einem Zwischenstopp in Dubai kam ich dann am Mittag des 16. August in Entebbe an, wo auch schon die erste Herausforderung wartete. Ich war zwar gut gelandet, mein Gepäck jedoch nicht. Michi, einer meiner beiden Vorgänger-Freiwilligen, holte mich am Flughafen ab und wir fuhren zusammen in die Unterkunft in Kampala. Die ersten Tage in Kampala waren wirklich anstrengend und ich fühlte mich etwas erschlagen von den riesigen Menschenmengen, dem für mich völlig undurchsichtigen Verkehr und dem überall vorhandenen Trubel. Umso dankbarer war ich daher, dass Michi sich so gut um mich kümmerte, mir viele Fragen beantworten konnte und mir dabei geholfen hat, mich ein Stück weit zurecht zu finden. Also falls du das liest: Eyalama Opio !

Als ich dann nach 3 Tagen endlich die Nachricht erhielt, dass mein Gepäck angekommen war, fielen auch die letzten Sorgen ab und ich freute mich nun sehr darauf, endlich zu meiner Einsatzstelle in Ococia zu fahren und dort die Menschen und das Projekt kennenzulernen. Um nach Ococia zu gelangen, nahmen wir einen der Überlandbusse von Kampala nach Soroti, der nächst größeren Stadt in der Umgebung Ococias. Die ca. 7 Stunden lange Fahrt gestaltete sich keineswegs langweilig. Es gab einiges zu sehen, von Tee – und Zuckerrohrplantagen, über Reis- und Baumwollfelder bis hin zu vielen kleinen Dörfern und Städten. Busfahren ist hier auf jeden Fall ein Erlebnis, man wird die ganze Fahrt über gut unterhalten und mit allem was das Herz begehrt versorgt, egal ob mit Verpflegung, Schmuck, Bettwäsche, Elektrozubehör oder Kosmetikartikeln.

Einsatzstelle & Projekt:

Meine Einsatzstelle befindet sich in Ococia, einem „Compound“ im Nordosten Ugandas. Compound bedeutet so viel wie der Zusammenschluss von verschiedenen Einrichtungen, was in diesem Fall eine Primary und Secondary School, einen Kindergarten, ein Gesundheitszentrum und eine Schule für Kinder mit geistiger Beeinträchtigung beinhaltet. In Ococia leben daher vor allem die Mitarbeiter der verschiedenen Institutionen und zusätzlich noch die Priester und Schwestern, die Teil der Gemeinde sind. Der Konvent in dem die Schwestern leben ist nun auch mein neues Zuhause, in dem ich mich jetzt schon sehr wohl fühle. Insgesamt leben zurzeit 6 Schwestern hier, von denen jedoch nicht immer alle da sind, da manche noch Kurse zur Weiterbildung besuchen. Von den Schwestern (und auch allen anderen Bewohnern Ococias) wurde ich sehr herzlich aufgenommen, sie sorgen sich Tag für Tag gut um mich (vor allem wenn es darum geht, dass ich genug esse) und ich habe jede einzelne von ihnen schon mit ihrer eigenen besonderen Art und Weise ins Herz geschlossen. Von daher genieße ich die Zeit mit ihnen jetzt schon sehr und egal ob beim gemeinsamen Essen oder einem Glas „V&A Ugandan Sherry“ am Abend, es entstehen immer schöne und interessante Gespräche und es wird viel zusammen gelacht.

Im Innenhof des Konvents
Der Konvent von Außen

Das Projekt und die Arbeit: 

Zu dem Zeitpunkt als ich in Ococia ankam, haben gerade die Schulferien begonnen, weshalb alle Einrichtungen, bis auf das Gesundheitszentrum geschlossen waren. Damit ich aber nun keine 3 Wochen „arbeitslos“ verbringe, durfte ich bei verschiedenen Arbeiten im Gesundheitszentrum dabei sein. Zur Erklärung: Ein Gesundheitszentrum lässt sich nicht mit einem Krankenhaus vergleichen, sondern ist überwiegend dazu da, in abgelegenen Gebieten eine erste medizinische Versorgung zu ermöglichen. So sind zum Beispiel keine Ärzte, sondern nur Krankenschwestern und – Pfleger vor Ort, um sich um die Patienten zu kümmern. Für stationäre Aufenthalte müssen Patienten in Begleitung eines Angehörigen kommen, welcher zum Beispiel für sie kocht und Medikamente kauft. Das St.Clare Health Centre verfügt über eine Kinder- und eine Erwachsenenstation, ein Gebäude in dem Schwangere behandelt und Geburten durchgeführt werden, verschiedene Labore, und einen Sektor in dem Patienten die nicht stationär behandelt werden, Medikamente ausgegeben bekommen. Zudem finden Epilepsie- und Diabetespatienten bei uns gesonderte Beratung, die über das hinauszugehen scheint, was sie in anderen Einrichtungen erhalten. Die Arbeit im Gesundheitszentrum gestaltete sich sehr abwechslungsreich, da ich fast jeden Tag in einem anderen Bereich tätig war. Der Wochenablauf sah wie folgt aus:  Montag & Dienstag: Medikamentenausgabe an HIV-Patienten, Mittwoch: Impfungen für Babys auf der Geburtenstation, Donnerstag: Labor, Freitag: Medikamentenausgabe an Diabetes- & Epilepsiepatienten, Samstag: Outreaches (hierbei fahren Schwestern der Geburtenstation in sehr abgeschiedene Dörfer, um dort Babys zu impfen).

Im Labor mit Peter (links) und Paul (rechts)

So sah also mein Arbeitsalltag für die ersten drei Wochen aus und rückblickend kann ich sagen, dass die Zeit sehr abwechslungsreich, interessant und lehrreich war. Die vielen neuen Menschen, die ich getroffen habe, haben mich alle sehr offen und freundlich aufgenommen und es war immer schön ein „We missed you! Welcome back“ zu hören, wenn ich nach einer Woche wieder auf der gleichen Station war. Ich bin dankbar dafür, wie gut ich von den verschiedenen Mitarbeitern in Bereiche eingeführt wurde, von denen ich wenig bis keine Ahnung hatte. Mir wurde viel Neues gezeigt und erklärt und viele der Situationen, mit denen ich konfrontiert wurde haben mich zum Nachdenken angeregt und beschäftigen mich teilweise noch jetzt.

Trotzdem war ich nach den 3 Wochen auch froh, als die Schulferien vorbei waren, womit nun endlich die Arbeit in meiner Einsatzstelle, der Trusanne Ekeunos Rise-up School begann.

Die Trusanne School ist eine Einrichtung für Kinder mit geistiger Beeinträchtigung oder Lernschwäche. Sie besteht nun seit ca. 1 ½ Jahren und steckt daher noch in ihren Anfängen. Mittlerweile besuchen insgesamt 13 Kinder im Alter von ca. 6-14 Jahren die Schule. Die Kinder sind auf verschiedene Weisen beeinträchtigt, so haben zum Beispiel 4 Kinder das Down Syndrom, oder es gibt einige Fälle, in denen die Kinder unmittelbar nach der Geburt eine Krankheit wie Malaria oder Tetanus erlitten haben, was die kindliche Entwicklung sehr verlangsamt hat. Das Lernniveau variiert ebenfalls von Kind zu Kind, so können manche bereits bis 20 Zählen und die Körperteile auf Englisch benennen, während wir anderen Kindern noch versuchen, das Sprechen beizubringen. Nichtsdestotrotz herrscht ein schönes Gemeinschaftsgefühl in der Schule, in der die Kinder zusammen essen, spielen und ihren Alltag verbringen. Momentan besteht meine Aufgabe darin, im Unterricht dabei zu sein und die Lehrer zu unterstützen. Da die meisten Kinder viel Aufmerksamkeit brauchen, sich schnell ablenken lassen und sich oft nicht so gut und lange konzentrieren können, ist es um einiges angenehmer im Unterricht zu zweit zu sein. Während die Lehrer unterrichten kann, ich dadurch bei den Kindern sitzen, darauf achten, dass sie aufmerksam sind und ihnen individuell helfen, wenn ich merke, dass sie dem Lerntempo noch nicht Schritt halten können. Vor allem im Englisch-, Sport- und Kunstunterricht konnte ich mich bis jetzt auch an der Unterrichtsgestaltung beteiligen und eigene Ideen einbringen. Ansonsten bin ich im Moment noch dabei, mir die für mich neuen Unterrichtsmethoden anzuschauen, von denen ich zwar einerseits viel lernen kann, aber auch nicht immer alles gutheiße.

Das „Team“ der Schule
Im Unterricht beim „News and Storytelling“

Was ich aber nach nun gut 2 Monaten in der Schule bereits sagen kann, ist wie sehr mir die Kinder schon ans Herz gewachsen sind. Die meisten von ihnen zeigen keinerlei Berührungsängste und haben mich mit ihrer offenen und liebevollen Art schnell aufgenommen. Die Arbeit in der Schule stellt auch für mich eine große Bereicherung dar und ich lerne viel dazu. Einerseits ist die Arbeit mit beeinträchtigten Kindern ein neues Arbeitsfeld für mich, wodurch ich viel über den Umgang mit den Kindern und die Art und Weise des Unterrichts lernen kann. Zudem merke ich, wie flexibel, spontan und kreativ man im Umgang mit den Kindern sein muss. So habe ich zum Beispiel im Sportunterricht versucht „Schweinchen in der Mitte“ einzuführen, was darin geendet ist, dass 3 Kinder dem Ball hinterhergelaufen sind und wir letzten Endes mehr Fußball als Schweinchen in der Mitte gespielt haben. Aber ich merke, dass die Hauptsache darin besteht, dass die Kinder Spaß haben und beschäftigt sind, und dabei ist es egal, ob die ein oder andere Spielregel fallen gelassen wird. Umso mehr habe ich mich dann gefreut als ein Spiel zum ersten Mal so funktioniert hat, wie ursprünglich gedacht, und so hatten wir viel Spaß beim „Stopptanz“.

In der Pause zusammen mit Abraham, Noel und Mary

Was es sonst noch zu erzählen gibt:

Eine Aussage die ich von den Menschen hier sehr oft höre ich „slowly slowly“. Dies wird im Bezug auf vieles verwendet, zum Beispiel, wenn es darum geht, wie sich der Fortschritt der Kinder in der Schule verzeichnet, wie sich das Wetter verändert, oder wie die Arbeit vorangeht. Für mich persönlich habe ich gemerkt, dass ich diese Floskel auch gut auf das Einleben hier übertragen kann. Slowly, slowly gewöhne ich mich an das Klima, die Sprache, die Mentalität der Menschen und den Alltag hier. Als ich am Abend meiner Ankunft im Bett lag, fühlte ich mich offen gesagt ganz schön erschlagen von all den neuen Eindrücken und den anderen Lebensumständen. Mittlerweile habe ich aus diesem anfänglichen Schock eine ganz neue Wertschätzung ziehen können und viele Sachen sind für mich schon normal geworden. So habe ich mich zum Beispiel daran gewöhnt, mich mit Brunnenwasser und einem Eimer und Becher zu duschen, wenn der Regentank leer ist, mittlerweile bin ich geübt darin mit den Händen zu essen, der Sonntag ist zum Kirchen- & Waschtag geworden und nach dem ca. (mindestens) 2 stündigen Gottesdienst setzte ich mich in den Innenhof und wasche die dreckige Wäsche die innerhalb der letzten Woche angefallen ist. Um größere Besorgungen zu machen (dazu gehört hier zum Beispiel auch Klopapier und Brot kaufen oder Geld abheben), oder WLAN zu haben fährt man ca. 1 ½ Stunden mit dem Sammeltaxi in die nächste Stadt. Und viele der Sachen, die mir am Anfang so fremd waren und mich vor die ein oder andere Herausforderung gestellt haben, genieße ich mittlerweile überwiegend. So kann ich mir beim Waschen Zeit nehmen, die vergangene Woche Revue passieren zu lassen, ich freue mich umso mehr über Regen, weil ich dann endlich wieder eine richtige (kalte) Dusche nehmen kann, und nach Soroti zu fahren wird zu einem richtigen Tagesausflug bei dem man schon vorher planen muss, was man alles zu erledigen hat und wem man was mitbringen möchte.

Und auch wenn es oft  Momente gibt, in denen mir vieles schon normal vorkommt oder ich das Gefühl habe ein Stück weit angekommen zu sein, merke ich auch oft wie viel Geduld es braucht, um sich in einem komplett neuen Umfeld und Alltag einzuleben. Hier und da gibt immer wieder Situationen in denen ich mich fremd fühle, sei es aufgrund von Sprachbarrieren, Ansichten die ich nicht nachvollziehen kann oder Geschehnissen, die ich so noch nie erlebt habe. Auch wenn ich von den Menschen hier unheimlich herzlich aufgenommen werde und mich von Tag zu Tag wohler fühle, gibt es trotzdem Momente, in denen ich meine Heimat und das vertraute Umfeld vermisse. Doch trotz alledem möchte ich hier keinen Tag missen. All das sind Herausforderungen, denen ich mich gerne stelle, an denen ich wachsen kann und aus denen ich vor allem viel lerne.  Meiner Nachdenklichkeit geschuldet, mache ich mir zudem oft Gedanken über die Zeit und das viele Ungewisse und Unvorhersehbare, was noch vor mir liegt,  aber auch dadurch kann ich lernen, die Dinge einfach auf mich zukommen zu lassen, sie so anzunehmen wie sie kommen und dann das Beste daraus zu machen.

Wenn ich auf die letzten 3 Monate zurückblicke, merke ich, wie viel in diesem Zeitraum schon passiert ist und was ich alles erleben durfte, aber auch wie schnell die Zeit bis jetzt schon vorbeiging. Voller Neugier, Aufregung und auch ein wenig Ungewissheit schaue ich auf die Zeit, die noch vor mir liegt und bin gespannt was bis zum nächsten Rundbrief alles so passiert.

Bis dahin wünsche ich euch alles Gute und hoffe es geht euch in Deutschland auch gut!

P.S: Wer nun vielleicht Interesse bekommen hat, etwas regelmäßiger von mir zu hören, kann mir gerne eine E-Mail an: katarinaalsbach@web.de schicken. Dort schreibe ich regelmäßig Rundbriefe über alles, was hier so passiert.

Vielen Dank fürs Lesen!

Liebe Grüße und bis zum nächsten Mal,

eure Katarina