Bolivien: 2. Rundbrief von Magdalena Gilla

Von verschwundenen Bergen, uralten Ruinen, Spontanität, fremden Ländern und vielen Überraschungen, neuen FreundInnen und alten Bekannten, tollen Geschichten und auch Enttäuschungen, vom Losfahren und Heimkommen, vom Ozean und den Bergen, von Höhe und Tiefe und dem ganzen Spektrum menschlicher Erfahrungen. Unterwegssein!

Hallo liebe LeserInnen,
etwas mehr als drei Monate ist es jetzt schon her, dass ich meinen letzten Rundbrief verfasst habe. Wie schon damals erwähnt, sind drei Monate in Relation zu anderen Verhältnissen, die die Zeit betreffen, nicht sehr viel, und trotzdem blicke ich auf drei sehr ereignisreiche Monate zurück. Es gab einige große Ereignisse und super viele spannende Erlebnisse. Angefangen beim großen Jambroee bis zum Jahreswechsel, Weihnachten und einer großen Reise. Ich weiß gar nicht richtig,wo ich beginnen soll. Doch Schritt für Schritt!

Ein ganz normaler Tag bei der Arbeit

Alltägliches – ein mehr oder wenig kurzer Rundumschlag
Im Oktober und November verlief soweit alles in inzwischen vertrauten Bahnen. Ich habe mich noch mehr in meine Projekte, sowohl in die Zusatzprojekte (siehe erster Rundbrief) als auch in mein Hauptprojekt der Pfadfinder, eingelebt und eingebracht. Stückchen für Stückchen wurden mehr Witze gemacht oder ich blieb auch mal länger, um im Tierpark zu kochen und mich mit den anderen auszutauschen. Die Verhältnisse zu meinen KollegInnen wurden immer lockerer, je mehr wir uns kannten. Die Arbeit an sich ging mir auch immer leichter von der Hand, da sich eine Routine einspielte, ich Fachvokabular lernte und auch mal lernte, bei einer besonders vollen Windel durch den Mund zu atmen oder so schnell in die Papageienanlage zu gehen und wieder raus zu sein, bevor die Vögel überhaupt merkten, dass ich drinnen war. Mit dem erarbeiteten Vertrauen bekam ich auch immer mehr Aufgaben anvertraut und Verantwortung übertragen. So war es im November durchaus normal, dass ich allein mit einigen Kindern nach draußen ging, um Fußball zu spielen, oder dass mir die Fütterung des Ozelots und des Fuchses anvertraut wurde. Ich kann also aus ganzem Herzen sagen, dass ich mich pudelwohl in meinen beiden Projekten fühle.

Ein Teil meiner Gruppe im „Casa de los Ninos“

In vieler Hinsicht haben sie mir, vor allem durch die sehr enge Zusammenarbeit mit meinen KollegInnen, eine andere Perspektive aufgezeigt oder einen neuen Blickwinkel auf die bolivianische Lebensrealität gegeben. Auch die Kinder im „casa“ sind mir richtig ans Herz gewachsen und mir wirklich wichtig geworden. Durch sie habe ich unglaublich viel gelernt und auch durch die Unterschiedlichkeit meiner Projekte habe ich viel mehr zu sehen bekommen, als ich es durch die pure Pfadfinderarbeit je hätte tun können.

Auch das Leben hier fühlt sich für mich immer normaler an. Zu Beginn des Jahres hätte ich nicht gedacht, dass ich mich so vollkommen und 100%-ig an das Leben hier gewöhnen könnte. So zum Beispiel beim Einkaufen: Es ist ein Genuss, auf den Markt zu gehen und den wöchentlichen Plausch mit den Verkäuferinnen zu halten, die sich oft freuen, die „große Weiße“ wieder zu sehen, die so gerne verhandelt. Auch kann es dir wohl nur in Bolivien (oder Südamerika) passieren, dass die Marktfrau dich „mi amor“ (meine Liebe), „hermosa“ (Hübsche), „reina“ (Königin) oder „hija“ (Tochter) nennt. Zwar ist einkaufen ohne Parkplatz vor der Ladentür und mit viel Gerenne und Geschleppe recht anstrengend, aber davon kann man sich wunderbar bei einem frisch gekochten Mahl oder einem Eisbecher um die Ecke erholen.

Das mit der Orientierung klappt hier auch immer besser. So hatte ich in Deutschland öfter das Problem, leicht die Orientierung zu verlieren oder mir kaum Straßennamen merken zu können. Aber hier habe ich mit der Hilfe von Andrea, meiner guten Freundin und Ansprechpartnerin der Pfadfinder hier, zahllosen Spaziergängen und einer Karte, die Straßennamen gelernt und finde mich inzwischen ziemlich gut in der Stadt zurecht. Die Sprache stellt absolut kein Problem mehr da: Meine Träume sind nahtlos ins Spanische übergegangen und durch meine Arbeit im Kinderhaus habe ich auch ein paar Brocken Quechua, die Sprache der indigenen Quechua-Kultur, gelernt, die hier mehr oder weniger stark vertreten ist.

Geburtstag – mal ganz anders
Mitte November feierte ich meinen Geburtstag. Zuerst ging es für mich ganz normal zur Arbeit, schließlich war Freitag, also Arbeitstag im Kinderhaus. Dort erwartete mich meine singende und feiernde Gruppe, die für mich eine ganz spezielle Geburtstagstorte (das beste Teil des Hühnchens, in dem Kerzen steckten, und Choclo, gekochter frischer Mais) hergerichtet hatte. Bei Gesang und schöner Deko haben wir so gefeiert.

Geburtstagfeiern in der Pfadfindergruppe

Zuhause hat dann Andrea mit einer Überraschungsparty inklusive Gästen und Torte auf mich gewartet. Die Torte musste ich nach bolivianischer Tradition anbeißen und dabei wurde ich dann mit dem Gesicht in die Torte „getunkt“, wie es hier üblich ist. Nach dieser schönen Feier ging es dann mit Andrea zum Eisessen und später zum Abendessen mit meinen Verantwortlichen der Pfadfinder, die extra zur Feier des Tages einen deutschen Biergarten für mich gefunden hatten. Gegen Abend wurde dann auch noch mal mit meinen FreundInnen -sowohl aus Cochabamba als auch aus Deutschland- gefeiert und die Barszene der Stadt unsicher gemacht.

Samstags besuchte ich die Pfadfindergruppen in Quillacollo, die mir ebenfalls mit Gesang und Torte, inklusive „In die Torte tunken“, gratulierten und mit mir meinen Geburtstag feierten. Ich kann auf jeden Fall sagen, dass mir dieser Geburtstag auf ewig in Erinnerung bleiben wird.

Ich, eine rundum glückliche Weihnachtselfe

Weihnachtsprojekt
Kurz vor Weihnachten und damit auch vor dem internationalen Zeltlager gab es von den Pfadfindern ein großes Projekt zur finanziellen Unterstützung einiger Jugendlicher und LeiterInnen. Da in meinem Zusatzprojekt die Schulferien begannen und es dort dementsprechend nichts zu tun gab, konnte ich die freie Zeit nutzen, um das Projekt im Distriktzentrum voll zu unterstützen: Das Projekt „casa de papa noel“ (Haus des Weihnachtsmannes), das es so oder so ähnlich hier in Bolivien relativ oft gibt. Wir dekorierten zusammen das gesamte Haus und organisierten uns. So saß ich über eine Woche als Elfe verkleidet bei mir Zuhause und erklärte Kindern, dass sie in diesem Haus einen Brief an den Weihnachtsmann schreiben und dekorieren, mit dem Weihnachtsmann an sich reden und mit „mama noela“ (so etwas wie der Weihnachtsfrau) Kekse dekorieren können. Das Projekt war sehr erfolgreich, auch wenn es teils anstrengend war.

Hitze, Wasserfälle und viel Essen – Weihnachten eben
Am 24. Dezember ging ich morgens noch recht schnell alle Weihnachtsgeschenke besorgen, da ich vorher durch das Projekt und Besuche anderer Freiwilliger zeitlich etwas eingeschränkt war. Heiligabend verbrachte ich bei Andreas Familie, die mich und einen weiteren deutschen Freiwilligen, der die Feiertage bei mir in Cochabamba verbrachte, um dann von dort aus weiterzureisen, eingeladen hatte. Es war eine sehr schöne Erfahrung. Bis um 24:00 Uhr wurde die Krippe aufgebaut und
dekoriert, gekocht und viel geredet. Ab dann haben wir mit der ganzen Familie und FreundInnen dem Jesuskind in der Krippe „bunuelos“ (kleine frittierte, süße Teigfladen) dargebracht und gebetet. Danach wurde angestoßen, getanzt und auch „picana“ (das traditionelle Weihnachtsessen, eine scharfe Suppe mit drei Fleischsorten, Choclo, Möhren und

Weihnachtsabend in toller Begleitung

vielem mehr) gegessen. Erst anschließend wurden Geschenke überreicht und nach weiteren Stunden des Redens und Feierns ging es früh am Morgen nach Hause.

Weihnachten, mein erstes Weihnachten weit weg von Zuhause, kam mir absolut unwirklich vor und war doch super real zugleich. Es passte einfach in meinem Kopf nicht zusammen, Weihnachten, das ich zwar nicht immer mit Schnee, aber wenigstens immer in relativer Kälte gefeiert hatte, bei warmem Wetter und Sonnenbrandgefahr zu verbringen. So freute ich mich richtig, als an Heiligabend eine kühle Brise um die Häuser wehte, was die Bolivianer so gar nicht verstehen konnten.

Ebenfalls neu, aber unglaublich toll, war es für mich, am ersten Weihnachtstag, der in meiner Familie immer mit noch mehr Familienangehörigen und großem Essen gefeiert wird, mit meinem Mitbewohner und einem guten Freund an einen Wasserfall zu fahren. Bei Regen und traumhafter Kulisse unter einem Vordach zu sitzen, Hühnchen aus einer Plastiktüte zu essen und einen Wasserfall zu erklimmen, habe ich mir nie unter „Weihnachten feiern“ vorgestellt und trotzdem passte es super gut und war einfach etwas ganz Besonderes.

Jamboree, Silvester und mein Start ins neue Jahr
Ohne große Pause ging es nach dieser intensiven Zeit aufs „Jamboree de los Andes

Nach der Farbschlacht

“, ein internationales Zeltlager in Arani. Dort war ich als EIS, also als Teil des internationalen Serviceteams, unterwegs und habe die Verantwortlichen des Programms unterstützt, habe Nächte am Fluss als Streckenposten verbracht, bin gewandert, habe getanzt und viele neue FreundInnen gewonnen. Es gab Innovationsausstellungen, Tauschtage, an denen man seine Abzeichen und Halstücher tauschen konnte, Tanz, Musik und vieles mehr.

Höhepunkt war natürlich Silvester. Abends fand eine große Feier mit DJ und Live-Musik, Tänzen, jeder Menge Cumbia (einer Musikrichtung, die hier unglaublich viel gehört wird) und um 24.00h mit Feuerwerk, Umarmung und weiterem Tanzen bis in die Morgenstunden statt.

Auf dem Jambroee habe ich jede Menge Erfahrungen gesammelt,

Silvester mit Andrea auf dem Jamboree

wenig geschlafen und viele neue FreundInnen kennen gelernt. Ich habe zum ersten Mal so intensiv hinter die Kulissen eines riesigen Zeltlagers mit mehr als 1500 Menschen geschaut, mit all den Herausforderungen der Organisation und der Durchführung und war so Teil eines unglaublichen, internationalen Teams. Ebenso konnte ich viele neue, spannende Dinge sehen und erleben. Insgesamt war das Jamboree eine wundervolle, aber auch sehr anstrengende Zeit, die mir viel gegeben hat.

 

 

Zwischenseminar – eine Zwischenreflexion
Wieder Zuhause durfte ich mich kurz über den Luxus einer warmen Dusche und einer Waschmaschine freuen. Auch nach relativ langer Zeit wieder in meinem Bett zu schlafen und meinen Rucksack auszupacken hat sich wirklich gut angefühlt, denn so sehr ich dieses Zeltlager auch genossen habe, so sehr habe ich mich auch wieder auf mein Zimmer und etwas Ruhe gefreut.

Lange war mir dies aber nicht gegönnt, da wir in unserem Distriktzentrum noch befreundete Pfadfindergruppen aus Oruro und Tarija aufgenommen haben, die alle nach dem langen Lager, in dem wir auch teilweise sehr starke Regenfälle hatten und einige ziemlich nass geworden sind, heiß duschen und schlafen wollten. So waren an diesem Wochenende alle Zimmer im Distrikthaus voll und es herrschte ein reges Treiben.

Die Seminargruppe SoFiA Trier/ Bistum Hildesheim

Doch auch für mich ging es nach kurzem Ausruhen weiter und zwar auf mein Zwischenseminar in Vinto. Zum Glück liegt Vinto relativ nah an Cochabamba, so dass ich einfach morgens mit zwei anderen Freiwilligen im Truffi hinfahren konnte, ohne noch eine große Reise machen zu müssen. Dort angekommen, habe ich mich erst einmal gefreut, alle Freiwilligen von SoFiA und aus dem Bistum Hildesheim wiederzusehen, da unser letztes Treffen, zumindest mit den meisten, schon ziemlich lange her war.

Das Seminar an sich hat mir sehr gut geholfen, meine bisherige Zeit in Bolivien zu reflektieren sowie neue Energie und Ideen für das kommende halbe Jahr zu sammeln. Vor allem der Austausch mit den anderen Freiwilligen über Erfahrungen und so ziemlich alles, was uns irgendwie beschäftigt oder auch über Belanglosigkeiten, hat mir sehr viel gegeben. So verbrachten wir insgesamt 10 Tage im „casa de los retiros“ in Vinto.

Das Haus hat mir sehr gut gefallen, da es mir in Cochabamba ein wenig fehlt, einen Garten oder zumindest einen grünen Flecken zu haben, an dem man auch mal für sich sein kann. In Deutschland habe ich immer sehr nahe am Wald und in einem Haus mit großen Garten gewohnt, so dass es für mich relativ ungewohnt war, in der Großstadt nur mit einem (erst vor Kurzem gepflanztem) Zitronenbaum und einer öffentlichen, aber sehr grünen Plaza vor der Haustür als einziges Grün in direkter Nähe zu wohnen. In Vinto allerdings gibt es einen Garten mit Kolibris und Obstbäumen, der dazu einlädt, sich einfach mal hinzusetzen und zu entspannen.

Auch thematisch hat mir das Zwischenseminar viel Neues mit auf den Weg gegeben, da wir Vorträge oder Gespräche zu verschiedenen Themen hatten und immer offen auf die TeamerInnen zugehen konnten. In Gesprächsrunden, im persönlichen Gespräch oder in einer Runde am Lagerfeuer mit Gitarrenmusik konnten alle Erfahrungen angesprochen werden. Zwischen Freiwilligen, zumindest meiner bisherigen Erfahrung nach, gibt es dabei immer dieses spezielle Verständnis, denn obwohl jeder individuell seine Zeit hier erlebt, gestaltet und durch die Rahmenbedingungen immer andere Erfahrungen gemacht werden, erleben wir doch alle mal ähnliche Situationen.

Reisen – Spontanität auf einem anderen Niveau
Während des Seminars erfuhr ich, dass Lina, eine andere Freiwillige und sehr gute Freundin, eine Freundin aus Deutschland in Cusco/ Peru abholen wollte. Da wir sie natürlich nicht alleine fahren lassen und uns auch nicht diese einmalige Chance entgehen lassen wollten, haben ich und zwei weitere Freiwillige, Raphael und Silas, beschlossen, sie auf dieser Reise zu begleiten, und so waren wir plötzlich in Peru!

Direkt im Anschluss ans Seminar machten wir uns in Absprache mit unseren Projekten auf den Weg nach Peru. Wir hatten uns nach den Erzählungen anderer für die „Hippieroute“ entschieden, und der Weg, den wir bis Cusco nahmen, stellte sich inklusive Zwischenstopp am Titicacasee auch wirklich als abenteuerlich heraus. In Cusco haben wir, nachdem wir Linas Freundin vom Flughafen abgeholt hatten, alles Mögliche an Essen probiert und die Stadt besichtigt. Im Laufe unserer Zeit hier haben wir viel entdeckt, unter anderem die Christusstatue von Cusco, die im Vergleich zur Cochabambinischen winzig ist (8m gegen 41m!), den Markt, der im Vergleich zu bolivianischen Märkten super sauber und aufgeräumt, aber auch viel unpersönlicher ist, die Kunsthandwerkergassen, …

Von zwei anderen Reisenden hatten wir gehört, dass die Rainbow Mountain („Regenbogengebirge“) in der Nähe von Cusco sehr schön und sehenswert sein sollten. Also setzten wir uns spontan in einen Bus und danach ins Taxi, die uns zusammen in etwa 6 Stunden zu den Rainbow Mountain auf etwa 5200m brachten. Blöd nur, dass es unterwegs anfing, zuerst zu regnen und dann zu schneien. Dementsprechend haben wir von den Bergen der vielen Farben absolut nix gesehen. Dennoch hat sich

Die famosen „Regenbogenberge“

die Fahrt schon landschaftlich gelohnt, da wir an roten Flüssen und durch dschungelartige Gebiete über Schotterwege und durch verwunschen wirkende Täler mit Inkaterassen und einem unglaublich intensiven Grün fuhren. Mein persönliches Highlight war, dass wir durch Alpakaherden kamen und gefühlt eine Million dieser bezaubernden Tiere aus direkter Nähe sehen konnten.

 

Überm Nebelmeer

Doch wenn man Cusco hört, denkt man an was? Genau: An den Machu Picchu! Es war eine unglaubliche, fast schon übernatürliche Erfahrung, Tickets zu kaufen, uns ein Auto samt Fahrer zu buchen, die Fahrt mit der unglaublichen Landschaft vorm Fenster, mit den großen Höhenunterschieden (von etwa 3400m auf knapp 300m) zu erleben, nachts an einer Eisenbahnstrecke durch den peruanischen Dschungel am Ufer einer großen Flusses in den nächsten Ort zu laufen und nach einer kurzen, aber erholsamen Nacht in einem Hotel frühmorgens in Regen und Nebel den Machu Picchu auf etwa 2400m zu erklimmen.

Oben angekommen, war alles in Nebel gehüllt. Klar sah das super geheimnisvoll aus und der feine Nieselregen tat auch das Seine. Doch wir hatten diese Anstrengungen nicht gemacht, um geheimnisvollen Nebel von einem Berg aus zu sehen, und so warteten wir gespannt und mit viel Hoffnung darauf, dass der Nebel sich verzieht. Nach einer

Plötzlich in Peru

Wanderung Richtung „Sonnentor“ und weiterem Warten verzog sich der ganze Nebel und der Machu Picchu lag in seiner ganzen Pracht, wie wir ihn von Fotos kennen, vor uns. Surreal ist so ziemlich alles, was mir dazu einfällt. Wir waren alle überwältigt und haben es, glaube ich, nicht so ganz realisiert, wo wir gerade waren und auf was wir herunter starrten: Die perfekt behauenen Steine, von denen man bis heute nicht weiß, wie genau sie bearbeitet oder transportiert wurden, das Dorf, durch das wir schlenderten und in dem einfach Lamas uns über den Weg liefen, all das war einfach „Wow!“ und ich verstand auf einmal die Faszination Machu Picchu.

Nach diesem Trip ging es für Raphael, Silas und mich nach Arequipa, eine weitere Stadt in Peru, nahe am Meer, das unser eigentliches Ziel war. Dort verbrachten wir einige Tage, bevor wir für einen halben Tag an den Pazifik fuhren. Mein erstes Mal am Pazifik!

Mit dieser Reise ist mir aufgegangen, wie entspannt manches möglich ist. So hätte ich es mir vor einem Jahr nie erträumen lassen, quasi sonntagabends zu entscheiden, dass ich montags nach Peru fahren würde. Auch die Reise in Peru selbst, unser Trip zum Meer und die Aktivitäten vor Ort, die Hostalsuche, all das machten wir sehr spontan. So ungefähr wussten wir, wann wir wo sein wollten, aber alles andere war absolut offen und spontan. Dadurch fehlte mir einerseits ein bisschen Sicherheit, was nichts für mein „Deutschland-Ich“ wäre, aber mein „Bolivien-Ich“ genoss es aufrichtig. Klar gingen ohne manche Planung einige Sehenswürdigkeiten „verloren“, aber wir entdeckten und spürten die Städte auf ganz andere Weise.

Salar de Uyuni – ein Spaziergang im Himmel
Zurück und nach einem Arbeitswochenende in meinem Projekt beschlossen wir ebenfalls spontan, diesmal in der Kombination mit Raphael, an den Salar de Uyuni zu fahren. Da immer noch Schulferien waren und ich die relativ freie Zeit nutzen wollte, ließ sich das gut organisieren. Lina und ihre Freundin fuhren zufällig zu diesem Zeitpunkt auch dorthin, sodass wir uns dort treffen und die Tour über den Salar und die Lagunen gemeinsam machen konnten.

Der Salar- ein Spiegel aus Salz und Wasser

Der Salar de Uyuni ist die größte und am höchsten gelegene Salzwüste der Welt, einfach beeindruckend. Da wir uns in der Regensaison befanden, hatte sich der Salar von einer eigentlich weißen und endlos erscheinenden Fläche in einen gigantischen Spiegel verwandelt. So erscheint es einem, wenn man darauf steht, als ob man mitten im Himmel steht. Soweit das Auge sieht, gibt es nichts als diese riesige spiegelnde Fläche. Sogar die Berge in der Ferne scheinen zu schweben.

Die folgende Tour durch die Berge und an den Lagunen vorbei war vor allem eins: kalt! Durch die Regenfälle und die große Höhe war es immer kalt, oft lag auch Schnee. Doch wir sahen Strauße, die, nebenbei angemerkt, unglaublich schnell sind, Flamingos, kleine hasenartige Tiere mit langem Schwanz und runden Ohren, die in den Felsen dort leben und in den heißen Quellen badeten, während es schneite.
Auch Linas Geburtstag konnten wir während dieser Tour feiern. So saßen wir Punkt zwölf trotz doch recht frischer Temperaturen mit Kerzen und guten Wünschen im Salzhotel fernab von jeder Zivilisation und stießen an. Auf jeden Fall eine sehr besondere Art seinen Geburtstag zu feiern!
Die rote Lagune erschien uns eher rosa und die grüne eher braun, aber trotzdem waren die Berge und die Lagunen landschaftlich echt sehenswert und wunderschön!

Santa Cruz – Sommer pur

In der bolivianischen Wüste

Ebenfalls relativ spontan und zur Begleitung von Lina und ihrer Freundin reiste ich dann auch mit nach Santa Cruz, das sich in einigen Worten zusammenfassen lässt. Unglaubliche Hitze, Abkühlung am Pool, leckeres Essen und eine Sandwüste mitten in der bolivianischen Savanne, ein gerissener Schuh, Wanderungen bei 38 Grad, neue Freunde und unbekanntes Obst.

 

Pfadfinderarbeit – vielfältig wie immer

Arbeit im Stamm
In meinem letzten Rundbrief habe ich zwar schon einiges von der Pfadfinderarbeit

Meine erste Gruppenstunde als „Alemana“

vor Ort erzählt, doch so richtig ins Detail gehen konnte ich noch nicht, da mir damals noch ein wichtiger Teil gefehlt hat: Eine eigene Gruppe! So habe ich weiterhin Gruppen besucht und mir die verschiedenen Stile, Gruppen zu leiten, angeschaut. Letztendlich habe ich mich dafür entschieden, der Gruppe Scout Cochabamba Aleman beizutreten. Dort wurde ich mit offenen Armen empfangen, mir wurde offiziell mein Halstuch überreicht, und zack war ich Teil der Gruppe.

Die Wahl fiel mir echt nicht leicht, ich hatte ja schließlich die Qual der Wahl, wurde von allen Gruppen aufs Herzlichste begrüßt und eingeladen. Dies machte es mir unglaublich schwer, mich zu entscheiden, und so habe ich die Wahl auch immer wieder hinausgezögert, was die Sache auch nicht unbedingt leichter machte. Dennoch habe ich es „geschafft“, mich zu entscheiden!

In der Gruppe arbeite ich mit den Jüngsten, den „Lobatos“ (Wölflingen). Meine „Manada“ (Kleingruppe) habe ich aus den drei Blöcken, in die der sehr große Stamm der Aleman aufgeteilt ist, durch Besuche in allen Blöcken ausgemacht und arbeite dort jetzt mit drei weiteren LeiterInnen zusammen. Wir haben unser Programm zusammen geplant, schon die ersten Aktivitäten, wie zum Beispiel ein Schwimmbadbesuch mit der ganzen Gruppe, und viele Spiele durchgeführt. Die Arbeit mit den Kindern macht mir sehr viel Spaß und ich habe „meine“ kleinen PfadfinderInnen schnell ins Herz geschlossen. M

Die Leiter meiner Gruppe

al sehen, was ich mit ihnen noch alles erleben werde.

Doch die Arbeit in der Pfadfindergruppe ist mehr als nur Gruppenstunden und Treffen mit der Stufe, auch die Arbeit für den gesamten Stamm kommt hinzu: Teilnahme am Gruppenrat, an Treffen auf Distriktsebene, die Teilnahme an kleinen Einheiten zur Fortbildung gehören ebenfalls fest dazu.

Gleichgewicht
Natürlich bin ich weiterhin die Freiwillige des Distrikts und nicht exklusiv einer Gruppe verpflichtet. So besuche ich immer wieder Aktivitäten anderer Stämme oder Altersstufen, wie zum Beispiel Zeltlager. Ich versuche möglichst, ein Gleichgewicht zwischen der Arbeit im Stamm und im Distrikt zu finden, was sich als nicht immer leicht herausstellt, da die Arbeit mit einer Gruppe oft relativ viel Zeit in Anspruch nimmt und es auch manchmal ein Stirnrunzeln hervorruft, wenn man als Angehörige des einen Stamms auf das Zeltlager eines anderen kommt. Aber bis jetzt hatte ich noch keine allzu großen Probleme damit, da mir neben den Farben meines Stammes (schwarz, rot, gold) auch das hellblau des Distriktes gut steht.

Arbeit im Distrikt
Meine Arbeit im Distrikt besteht immer noch in der Arbeit in der kleinen Tienda (dem Geschäft für Pfadfinderzubehör), der Mitarbeit an Distriktsaktionen und vielem mehr. Seit neuestem unterstütze ich die Kommission für externe Projekte, die Projekte mit anderen Organisationen koordiniert und unter anderem mit meinen Zusatzprojekten zusammenarbeitet.

Nach Farben sortieren beim Tapaton

Eine große und meiner Meinung nach tolle Aktion war der dieses Jahr zum ersten Mal veranstaltete „Tapaton“. Hierfür wurden über einen längeren Zeitraum von Pfadfindern aus ganz Cochabamba Plastikdeckel von Getränkeflaschen gesammelt und im Distriktshaus gelagert. An einem Sonntag im Januar kamen etwa 200 Pfadfinder hier zusammen und halfen, die Deckel nach Farben zu sortieren und zu zählen. Danach haben wir auf dem Platz vor der Tür mit den Deckeln die größte Pfadfinderlilie Cochabambas ausgelegt. Die Deckel wurden danach an ein spezielles Kinderkrebszentrum gespendet. Für eine bestimmte Anzahl von Deckeln wurde einem Kind eine Krebsbehandlung bezahlt. Wir als Distrikt haben etwa 130.000.000 Deckel gesammelt. Beeindruckend, oder?

Feria de amistad
Ebenfalls ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit bei den Pfadfindern ist die Freundschaftsarbeit zwischen deutschen und bolivianischen Pfadfinderstämmen, wie zum Beispiel die Teilnahme und Mitarbeit im Freundschaftsrat. Anfang Dezember stand eine große Aktion seitens des Freundschaftsrates an: die „Feria de amistad“ (Feier der Freundschaft). Dafür baute jeder Stamm, der einen deutschen Freundschaftsstamm hat, einen Tisch mit Materialien zur Repräsentation der Partnerschaft auf und informierte so PfadfinderInnen und andere Interessierte. Meine Aufgabe bestand bei der Feria de amistad besonders darin, mich um das typisch deutsche Gericht, das serviert werden sollte, zu kümmern. So kochte ich, wie meine VorgängerInnen, mit viel Unterstützung die traditionelle Currywurst, etwa 600 Portionen. Es war ein anstrengender Tag, aber der Aufwand hat sich auf jeden Fall gelohnt und Spaß gemacht.

Zwischenbilanz
Ich habe tolle Freunde und Freundinnen gefunden, neue Erfahrungen gemacht und eine andere Welt kennen gelernt, die mir inzwischen schon so vertraut ist.

Von LLama bis Faultier findet man alles hier

Dabei fällt mir immer wieder auf, welche unglaubliche Landschaften hier direkt vor der Haustür liegen. Dabei spielen Entfernungen hier scheinbar keine Rolle, eine Reise von mehreren Stunden ist ganz normal. Ich wohne so ziemlich in der Mitte, auch was die Höhe betrifft. So kann ich in nordwestliche Richtung etwa 5 Stunden fahren und bin auf dem Altiplano, also auf der Hochebene, umgeben von Lamas und Alpakas, ohne Bäume und mit ziemlich wenig Vegetation, dafür aber mit einer atemberaubenden Weite und den Bergen in der Ferne. Ganz anders sieht es hingegen in südlicher Richtung aus. Dort komme ich nach einer zugegeben etwas längeren Fahrt ins Tiefland, was bedeutet, es herrscht tropisches Klima, man wandert unter Palmen entlang und eigentlich niemand wundert sich, wenn ein Tukan vorbeifliegt oder ein Faultier auf der Plaza die Sonne genießt. So unterschiedlich und vielfältig ist Bolivien! Um diese Vielfalt zu schützen arbeitet die ASB, die Pfadfinderschaft Boliviens, auch mit Aktionen immer wieder an der Verbesserung des Umweltbewusstseins, das hier langsam auch von der Regierung unterstützt wird. Meiner Meinung nach fehlt, genau wie in Deutschland noch viel Arbeit und Aufklärung was das Thema Umweltschutz und vor allem den Bereich Einwegplastik, Recycling und korrekte Müllentsorgung betrifft. Aber Schritt für Schritt wird daran gearbeitet und die herrschende Situation verbessert.

Mit diesem Thema und auch noch anderen, ähnlich kritischen Themen habe ich mich während meiner Zeit hier in Gesprächen mit Kollegen, Freunden und anderen Freiwilligen auseinandergesetzt. Es ist nicht immer leicht, die richtigen Worte zu finden, einen Umstand, eine Situation oder auch ein Problem richtig zu beschreiben. Besonders kritische Themen, wie Kinderarbeit, der Umgang mit Sexualität oder Behinderung, sind sehr schwierig zu erfassen und noch schwieriger zu vermitteln. Vor allem wenn sowohl ich, als auch ihr liebe LeserInnen durchaus von der europäischen Sichtweise geprägt und beeinflusst sind. Viele Dinge sind hier sehr verschieden, viele verstehe ich immer noch nicht ganz, weiß auch nicht ob ich das jemals werde, und manche gefallen mir nicht. Doch das ist auch Teil der Realität, die ich hier kennengelernt habe: auch mal Dinge akzeptieren, die schwerfallen zu akzeptieren und mein Möglichstes zu tun, meinen Beitrag zu leisten.

Auch das Thema „Friede-Freude-Eierkuchen“ ist mir relativ wichtig. So möchte ich zwar viele positive Eindrücke vermitteln, aber gleichzeitig auch ein realistisches Bild meines Freiwilligendienstes und meines Jahres hier vermitteln. Manchmal fällt es mir durchaus schwer, mich zu motivieren, früh aufzustehen und zu meinen Zusatzprojekten zu gehen, manchmal ist es schwierig sehr eigenständig und eigenverantwortlich zu arbeiten und sich zu organisieren oder alles im Auge zu behalten und zu bedenken, das Gleichgewicht zwischen Arbeit und auch mal ausruhen zu finden. Einfach auch mal Zuhause, mein deutsches Zuhause zu vermissen, die Unterstützung der lange bekannten Freunde und Familie, mein Lieblingsessen, gekocht von meiner Oma oder auch deutsch reden. Es gibt hier Hochs und Tiefs, wie auch in Deutschland, die ich gelernt habe zu bewältigen.

Ein weiterer Punkt, der mir immer wieder begegnet, ist die Politik. Die anstehenden, hoch brisanten Wahlen haben des Öfteren in letzter Zeit zu Straßenblockaden und Verkehrsbehinderungen, sowie zu Protestmärschen und sogar zu ganzen Protesttagen, an denen die Stadt quasi lahm gelegt war, geführt. Hier in Cochabamba sind die Proteste weitestgehend ruhig und gewaltfrei verlaufen. Es gab sogar einen kompletten Tag, den Tag der Demokratie, an dem alle Straßen gesperrt waren, es absolut keinen Verkehr gab und alle frei hatten. Es war aber nicht, wie es vielleicht klingt, eine bedrückende Stille, nein, die Kinder fuhren Fahrrad auf den Straßen, meine Nachbarn grillten auf der Straße, machten Musik und tanzten, protestierten eben auf ihre Weise.

Dies sind einige der Dinge, die mir im Moment durch den Kopf gehen, aber ein Rundbrief      hat auch seine Grenzen und somit vertröste ich auf den nächsten. Bisher kann ich sagen, dass ich jeden Tag aufs Neue fasziniert bin und immer wieder Neues sehe, erlebe und kennen lerne.

Auf die nächsten 6 Monate und bis bald,

Eure Magdalena