Indien: 2. Rundbrief von Hanna Goebel

2. Rundbrief: Indien, Friendly Home

März? Ja es ist schon März. Und ich wundere mich immer wieder wie schnell doch die Zeit vergeht. Jetzt ist schon mehr als die Hälfte meines sozialen Lerndienstes hier in Indien um und ich kann es fast nicht glauben wie schnell die Zeit hier doch vergeht…
Doch Eins wird sich wahrscheinlich im Laufe der Zeit nicht ändern, die Frage: Was schreibe ich in meinen Rundbrief? Es gibt so viel Dinge, über die ich schreiben könnte,- jeder Tag ist einzigartig und besonders. Auch die vielen Eindrücke und neuen Erfahrungen, die ich bis jetzt machen durfte könnte ich hier anführen. Ich finde es jedoch unglaublich schwierig, das Erlebte beziehungsweise meine Erkenntnisse auf zu schreiben und andere an meiner Gefühlslage teilhaben zu lassen.

Mein Alltag hier im FH

Jeder Tag startet für mich um 6 Uhr, nach dem morgendlichen Yoga mit den Kindern , dem Frühstück und noch einem kurzen Nickerchen, verbringe ich den morgen im Büro des FH, wo eigentlich immer was zu tun ist. Nach dem Mittagessen habe ich 3x die Woche Deutschunterricht an der nahe gelegenen Schule, die auch die Kinder des Kinderheims besuchen. Der Unterricht für die 7.-8. Klasse gestaltet sich meist ziemlich schwierig, da ich hauptsächlich Doppelklassen unterrichte. Meine Aufgabe ist es dann mehr als 70 Kinder zu kontrollieren… Aber mit der Zeit wird es immer besser, ich versuche meinen Unterricht so interessant und spielerisch wie möglich zu gestalten und hoffe, dass die Kinder sich dadurch ruhiger Verhalten. Zum Glück klappt dies in den meisten Unterrichtsstunden auch.
Im Friendly Home gibt es einen festgelegten Stundenplan, sodass jegliche anfallenden Arbeiten auch erledigt werden. Dieser besteht aus Gartenarbeit, Snacks, Spielzeit, Lernzeit, Gottesdienst, Rosenkranz. Aber auch extra Aktivitäten wie Deutschunterricht, Musikunterricht und Computerunterricht, Spoken English Class etc…
Hier gibt es immer was zu tun und es wird einem nie langweilig. Der Fokus meiner Aufgaben liegt hier natürlich beim Zeit verbringen mit den Kindern. Dabei ist vor allem die Spielzeit, Gartenarbeit aber auch Lernzeiten und Hausaufgabenhilfe gemeint. Die Tätigkeiten gestalten sich super spannend, da die Altersklassen Verteilung hier im Friendly Home super bunt ist (6-17 Jahre). Folglich gestaltet sich auch mein Arbeitsalltag unglaublich abwechslungsreich. Jeden Abend falle ich hundemüde ins Bett, ja man kann sagen langweilig wird mir hier nie. Ungefähr einmal im Monat unternehmen wir einen Ausflug. Diese Ausflüge sind sehr vielfältig- Wandern auf den nahe gelegenen Berg, zu Wasserfällen oder Weihnachtskleidung kaufen, eine bunte Mischung eben.

Wanderung zu einem nahe gelegenen Berg

Insgesamt kann ich sagen, dass ich mich hier super gut eingelebt habe. Viele Dinge, die ich in Deutschland als normal empfand, finde ich nun seltsam oder

Nach dem Sportschuhe kaufen mit den Jungs

überflüssig. Angefangen bei Besteck bis hin zu Toilettenpapier. Ja auch wenn ich mir das am Anfang nur schwer vorstellen konnte ist der Gebrauch von Papiertaschentüchern oder Toilettenpapier doch eigentlich überflüssig, Wasser reicht vollkommen aus. Und auch wenn ich es mir vielleicht nur einrede, das Essen schmeckt auch viel besser, wenn man mit der Hand als statt mit der Gabel isst. Auch wenn es mir im Alltag meist gar nicht so auffällt, haben sich doch schon einige Dinge geändert. Man gewöhnt sich doch irgendwie an vieles- an die Lautstärke, ja Indien ist ein sehr lautes eigentlich nie ruhiges Land, die Umgebung… Alles wird normal und das ist irgendwie eine der schönen Entwicklungen hier. Auch bei Sachen bei denen ich vor kurzer Zeit noch skeptisch war lasse ich mich inzwischen einfach drauf ein. Damit meine ich vor allem sehr interessante Hausmittel oder Druckpunkte gegen alle möglichen Schmerzen. Vielleicht entspricht manches meiner Einbildung doch helfen die meisten der indischen Anwendungen doch oft. Auch indische Arztbesuche, von denen ich leider schon einige über mich habe ergehen lassen müssen, da das Essen mir zwar super gut schmeckt aber ich es leider häufig nicht so gut vertrage, sind deutlich besser als erwartet. Beim ersten Mal hatte ich zwar noch ein sehr mulmiges Gefühl, aber ja eigentlich kann ich jetzt sagen, dass die ärztliche Versorgung hier um einiges besser ist als ich es mir vorgestellt habe…

Kleidung

Im Friendly Home bin ich sehr frei was meine Kleidungswahl angeht, daher kann ich auch abends in meiner eigenen westlichen Kleidung rumlaufen, die ist aber natürlich auch geschlossen und den indischen Ansprüchen gerecht. Tagsüber trage ich Chuddida, eine weite Hose oder Leggins mit einem längeren Oberteil drüber. Ich mag die Kleidung inzwischen sehr, vor allem die vielen bunten Stoffe und möglichen Kombinationen, da es nicht so streng zu geht wie in Deutschland welche Farben und Muster man miteinander kombinieren kann. Zum Glück ist die Kleidung auch super bequem. Auch Kleidung zu kaufen ist für mich etwas Besonderes. Meistens suche ich mir die Stoffe aus und lasse mir dann die Chuddida schneidern. Wenn ich mir die Vielzahl der Stoffe und Farben anschaue bin ich oftmals verloren. Es gibt so viele unterschiedliche Muster und Farbkombinationen die mir erst Mal fremd vorkommen, länger betrachtet jedoch sehr einzigartig und vielseitig sind. Oft muss sich das westliche Auge an manche Kombination nur erst gewöhnen. Mein Plan war eigentlich mein Tattoo hinten am Rücken immer zu verdecken, jedoch ist dieser Plan gleich mit den ersten geschneiderten Chuddidas gescheitert. Der Schneider hat nicht wie ich es mir gwünscht hatte, den Rücken hoch geschlossen hat, sondern wie hier üblich und von den meisten jungen Frauen getragen, ihn etwas offener gelassen hat. Seitdem trage ich mein Tattoo sichtbar aber bis jetzt habe ich noch keine Probleme damit gehabt. Nur die Kinder und Lehrerinnen in der Schule haben es am Anfang immer angefasst und viele Fragen gestellt, was sich mit der Zeit schnell gegeben hat.

An besonderen Anlässen, wie beispielsweise an Weihnachten trägt man traditionell Sari, ein Kleidungsstück aus Bluse, Rock und einem langen Stoff der über den Rock und die kurze Bluse gewickelt und dann festgesteckt wird. Wenn ich mich an mein erstes Sari- Erlebnis zurück erinnere, kann ich nur lachen. Ich habe mich so unwohl gefühlt, konnte kaum gehen und bei jeder Bewegung hatte ich Angst das irgendwas verrutscht ist oder man eventuell ein bisschen Bauch oder Rücken sehen könnte. Dies hat sich inzwischen geändert, in meinem letzten Sari habe ich mich unglaublich wohl gefühlt, man muss halt der Hausmutter, die es gebunden hat sowie den Sicherheitsnadeln die alles festhalten, vertrauen. Und selbst wenn etwas verrutscht ist, findet sich eigentlich immer jemand in der Nähe, der schnell wieder alles zurecht zupfen kann.

Im Sari mit den Hausmüttern bei der Hauseinweihung

Kirche, Religion

Mit den Kindern feiern wir hier drei Mal die Woche Messe. Freitags und sonntags in der nahe gelegenen Kirche hier in Alangayam, die einer kleinen Kapelle ähnelt, auf Tamil und mittwochs im Friendly Home auf Englisch.
Außerdem wird mindestens 1x die Woche ein Rosenkranz gebetet sowie vor jeder Messe.
Am Anfang hatte ich persönlich Probleme damit so oft in die Kirche zu gehen , da mein Teilnahme an der Messe in Deutschland sich eher in Grenzen hielt oder besser gesagt schon einige Jahre zurückliegt. Inzwischen hat sich das Ganze aber geändert, ja auch wenn viele die mich kennen das jetzt vermutlich nicht glauben werden- ja ich gehe hier sehr gerne in die Kirche. In Indien gibt es nur eine kleine katholische Minderheit, aber die Kirchengemeinde ist unglaublich offen, freundlich und sehr miteinander verbunden. Dies bewundere ich sehr und es freut mich, dass durch die Gemeinde auch ich meinem eigenen Glauben ein Stück näher gekommen bin.

Feiertage und besondere Anlässe

Seit meiner Ankunft in Indien sind schon einige Feiertage oder Anlässe vergangen, die wir hier im Friendly Home gefeiert haben. Dazu gehören neben Weihnachten, Silvester auch traditionell indische Feiertage wie Diwali und Pongal. Des Weiteren wurde Mitte Februar das neue Haus feierlich eingeweiht.


Die Feierlichkeiten haben alle einen ähnlichen Ablauf, also abhängig vom Anlass wird ein kulturelles Programm aus Tänzen, Sketchen, Gesang und Comedy vorbereitet.
Die Programme finde ich immer sehr beeindruckend, da die Kinder unglaublich schnell etwas auf die Beine stellen können. Ich habe die bisherigen Feiertage und Festlichkeiten sehr genossen, vor allem Pongal. Um Pongal, das tamilische Erntedankfest, zu feiern haben wir einen Ausflug auf ein nahe gelegenes Feld gemacht und dort unser eigenes Essen vorbereitet, sowie einige Outdoor- Spielwettkämpfe veranstaltet. Auch meine Geburtstagsfeier habe ich sehr genossen und habe mich sehr gefreut wie viel Muße und Liebe die Kinder in die Vorbereitungen gesteckt haben….

Abschließend kann ich sagen, dass ich super gespannt bin, wie die kommenden Monate werden. Die Sommersaison hat jetzt so langsam angefangen und es ist schon jetzt inzwischen ziemlich heiß und dabei ist doch erst im Mai der wärmste Monat hier. Auch die Sommerferien, in denen ich ein wenig Reisen kann um noch mehr von diesem interessanten, vielfältigen Land u sehen bereiten mir schon Vorfreude.

Liebe Grüße aus Indien

Mein Geburtstag

Hanna