Ruanda: 3. Rundbrief von Felix Flämig

Für euch kommt der Frühling – für mich kommt der Regen. Seit Weihnachten ist wieder sehr viel passiert und nun steht Ostern bald schon vor der Tür. Die Zeit fliegt. Nur noch 7 Monate.

Ich freue mich darauf euch mal wieder auf dem Laufenden zu halten. Fangen wir mal am Ende des letzten Jahres an….

Liebe Familie, Freundinnen und Freunde und lieber Solikreis,

 

da sitze ich nun an diesem Märztag draußen mit Blick auf die Hügel, die malerisch direkt vor meinem Haus liegen, und reflektiere die letzten drei – vier Monate. Schön und unvergesslich war es. Intensiv und teils auch anstrengend, aber wie so oft habe ich eigentlich nur Gutes über dieses Land, welches ich so liebe, zu berichten.

Ich wünsche euch viel Freude beim Lesen 🙂

2018 – „Damals“

 

Bevor es mit den neusten News los geht, trage ich noch etwas aus dem Dezember nach, was im letzten Rundbrief leider kein Platz mehr fand.

So war in den großen Schulferien echt ein wenig tote Hose hier in Nyarurema, da sowohl meine befreundeten Lehrer, als auch alle Schüler*innen zu Hause bei ihren Familien in anderen Teilen Rwandas waren. Deswegen habe ich frühzeitig beschlossen, im nahegelegen Health Center einfach mal nachzufragen, ob es Arbeit gibt, bei der ich behilflich sein kann. Wie so oft hat sich das Fragen gelohnt und am nächsten Morgen stand ich um 8 Uhr bereit ohne einen Schimmer, was meine Aufgabe sein könnte.

Letztendlich habe ich dann bei der Medikamentenausgabe des Centers geholfen und die Arbeit mag zwar ein bisschen eintönig gewesen sein, aber es hat gut getan nochmal andere Menschen kennenzulernen und für einen solchen Zweck zu arbeiten. Ich habe viele neue Kontakte geknüpft und habe mich sehr sicher und zu Hause gefühlt, als ich dann letztens zum ersten Mal krankheitsbedingt ins Health Center musste.

Kurz vor Weihnachten ging es aber dann zu großen Reisen los: mein Mitfreiwilliger Leonhard und ich besuchten über Weihnachten Uganda und die dort lebenden Freiwilligen Kati und Janine. Genauso wie diese beiden später in ihren Rundbriefen schreiben, sind die zwei Nachbarländer einerseits gleich aber doch so anders: In Uganda liegt viel Müll herum und Vieles ist sehr viel chaotischer. Und die Hauptstadt Kampala erst; Kompliment an Janine, die es da täglich aushält.

Kampala vom Minarett der Gadaffi Mosque aus

Wir fuhren jeweils von Kampala aus mit dem Bus nach Kasese, Jinja und Entebbe – drei auf ihre eigene Weise sehr schöne Städte. So überquerten wir den Äquator, besuchten heiße Quellen, fuhren durch einen kleinen Teil des Queen Elizabeth Nationalpark, machten eine Tour an der „Nilquelle“, besuchten die Ssezibwa Falls, entspannten am Viktoriasee und bekamen einzigartige Natur im botanischen Garten Entebbes zu sehen.

Entspannen am Viktoriasee                                            Schnappschuss im Botanischen Garten

Es war ein sehr schöner Urlaub, in dem wir sehr viel gesehen haben und ein so ähnliches Land erkunden durften, was doch so anders ist. Es hat gut getan, die Seele mal baumeln zu lassen und sich etwas zu gönnen. Dadurch, dass wir nicht in Rwanda und somit de facto Touristen waren, konnte es uns auch egal sein, dass wir teilweise als „typisch Weiße“ angesehen wurden.

2019 – zwischen Neustart und Weitermachen

 

Nach einem schönen Silvester zurück in Kigali und ein paar schönen Tagen mit den anderen Freiwilligen ging es für mich dann schon relativ bald zurück nach Nyarurema, die Schule ging ja am 07. Januar wieder los – oder doch nicht? Wie sich dann herausstellte, wurde der Schulanfang vom Bildungsministerium kurzfristig um eine Woche nach hinten gelegt – man stelle sich das in  Deutschland vor.

Fürs neu anfangende Schuljahr hatte ich mir einige Neuerungen überlegt: zusätzlich zu den Debatingstunden in den LEVEL III Klassen soll das Angebot auf alle LEVEL ausgeweitet werden, eine Trommel AG sowie eine Deutschland AG soll angeboten werden und ich möchte beim „debating club“, welcher Freitagsabends für die ganze Schule öffentliche Diskussionen organisiert, aktiver sein.

Nach jetzigem Stand würde ich sagen, dass ich dies größtenteils (zwar mit einigen Startschwierigkeiten und Chaos) geschafft habe. Auch treffe ich mich nun jede Woche mit meinem Mentor Father Mugisha zum Deutsch lernen. Sehr interessant übrigens, wie viel man über seine eigene Sprache lernt, wenn man sie jemand anderem beibringt.

Sagen wir so: Ich habe schon gut gelernt, dass man in Rwanda auch einfach mal improvisieren muss und ein Plan doch eigentlich langweilig ist.

Doch eines habe ich mir erkämpft. Manchmal bin ich dann doch typisch deutsch und muss planen: ein grober Stundenplan, um die Diskussionen vorzubereiten und neue Themen auszuwählen. Es gibt zwar einen Stundenplan, aber irgendwie wird dann doch vor jeder Stunde im Lehrerzimmer abgesprochen wer welche Klasse unterrichtet. Dieses Problem habe ich somit nur noch selten.

Oft sieht mein Tag so aus, dass ich von morgens halb 8 bis abends 6 oder sogar 8 in der Schule bin. Das ist für mich überhaupt nicht schlimm, im Gegenteil. Ich empfinde es nicht als „Arbeit“ wo man die Stunden zählt bis man endlich nach Hause gehen kann, sondern speziell außerhalb der Unterrichtsstunden ist es eher Freizeit und Zeit mit Freunden.

So habe ich viele Freundschaften mit Schüler*innen aufgebaut bzw vertieft und bin oft am Wochenende freiwillig in der Schule, um zu quatschen, die Fußballspiele zu unterstützen oder am wöchentlichen Samstagabendprogramm mit Tanzen und Singen teilzunehmen.

Aquaponic Anlage

 

Worüber ich noch nicht in den Rundbriefen berichtet habe, ist unser neues Wissenschaftsprojekt an der Schule, das Aquaponicprojekt. Mit Hilfe der Jumelage, dem Büro der Rheinland Pfalz – Rwanda Partnerschaft, wird hier ein Vorreiterprojekt mit Vorlage aus Deutschland gebaut. Nach der langen Planungsphase, die von meinem Vorgänger Lukas betreut wurde, wird nun seit Januar endlich zementiert und seit kurzem ist der Rohbau fertig.

Im Großen und Ganzen besteht das System aus zwei Fischbecken, welche zwei sogenannte „Rafts“, Anbauflächen, mit Wasser versorgen. So können auf diesen Flächen mithilfe der Nährstoffe, die durch die Ausscheidungen der Fische entstehen, wertvolle und leistungsstarke Pflanzen angebaut werden, die dann in der schuleigenen Küche verwendet oder verkauft werden können.

Das ganze auf eine nachhaltige Art und Weise und in einem geschlossenen System, wo (hoffentlich) nur ab und zu Wasser hinzugegeben werden muss. Ganz so einfach ist es natürlich nicht, es steht noch viel Arbeit vor uns.

Zum ersten Mal Besuch aus Deutschland

 

Was ganz anderes war dann der 10 tägige Besuch meiner Eltern im Januar. Zum ersten Mal nach 6 Monaten seine Familie zu sehen war schön, aber doch auch irgendwie komisch. Jetzt standen sie einfach in Ruanda und wurden auf einmal allen Menschen vorgestellt, von denen ich vorher ein halbes Jahr nur begeistert berichtet hatte.

Traditionell herzlich wurden sie von meiner Gastfamilie in Kigali aufgenommen und zusammen besuchten wir den Akagera Nationalpark, Musanze, Gisenyi und mein Zuhause Nyarurema.

Als besonderes Gastgeschenk überbrachten sie die neuen Fußballtrikots der Schulmannschaft, die vom Sportverein Welschbillig netterweise zur Verfügung gestellt wurden. Ein riesiges Dankeschön, mit den neuen Trikots haben wir kein einziges mal verloren!

Mannschaftsbild (fast) wie bei den Profis

Einmal im Schnelldurchlauf haben meine Eltern so einen kurzen Einblick in das Land bekommen, was seit August mein zu Hause ist. Ihre Reaktionen haben mich sehr berührt und ich habe das Gefühl, dass es für die beiden 10 Tage waren, die sie wohl nicht so schnell vergessen werden. Ja, ich denke sogar, dass sie sich ein bisschen in Rwanda verliebt haben.

Zwischenseminar

 

Nach zwei Wochen, in denen sich in der Schule Vieles eingependelt hat und so etwas wie Alltag wieder einkehrte, ging es für mich dann schon wieder los. Und zwar nach Kibeho im Süden Rwandas, um mit neun anderen Freiwilligen aus Tansania, Uganda und Rwanda über den Verlauf und die Zukunft unserer Freiwilligendienste zu sprechen. Das Seminar war vergleichbar mit einer Fußballhalbzeitpause, in der „Fehler“ besprochen, mögliche neue Impulse und Ideen entwickelt und sich sonst auch mal ein bisschen ausgeruht werden kann. Letzteres ging hervorragend durch einen schönen Wein und Diskussionen über Themen, über welche man sich eben nur in seiner Muttersprache gut unterhalten kann.

Das ganze Seminar wurde von Marie und Maria, zwei ehemaligen Freiwilligen, aus Deutschland geleitet und fand im Haus der Palottinerinnen in Kibeho statt. Ein ausgezeichneter Platz für die Seminararbeit, mitten in den Hügeln Rwandas mit ausgezeichneter Unterkunft bei den Schwestern, die uns alle herzlich willkommen geheißen haben und unfassbar gutes Essen anboten. Außerdem soll in Kibeho im November 1981 die Jungfrau Maria erschienen sein, sodass es ein internationaler Wallfahrtsort ist.

Zusammen haben wir uns gut vorbereitet auf die nächsten 7 Monate bis zur Ausreise und Neuankunft in Deutschland. Außerdem besichtigten wir gemeinsam die Quelle in Kibeho, welche nach der Marienerscheinung die brunnenarme Region mit Wasser versorgt haben soll, und eine Teefabrik, welche den weltbekannten Tee aus Rwanda verarbeitet.

Gruppenbild an der Quelle in Kibeho

Malerische Teeplantagen auf dem Weg zur Teefabrik „Mata“

MEINE GEDANKEN

 

Nun ist schon die Hälfte meiner Zeit in Rwanda um. Die Hälfte einer Zeit, die ich wahrscheinlich in meinem Leben nicht mehr vergessen werde und die mein Leben auf jeden Fall jetzt schon geprägt hat. Ich kann mir gar nicht vorstellen im September nicht mehr hier zu sein, dass es dann einfach so vorbei ist.

Durch das neue Schuljahr kamen viele neue Schülerinnen und Schüler an die E.T.P. in die neue LEVEL III Stufe, die sehr motiviert sind und viel neuen Schwung in die Schule gebracht haben. Mit nun nicht weniger als 750 Schüler*innen an der Schule, einer neuen Dining Hall, einem neuen Gebäude mit Schlafräumen für die Mädchen, Neuerungen in der Küche und nicht zuletzt dem Aquaponicprojekt ist meine „Arbeit“ intensiver geworden und ich habe noch mehr Möglichkeiten mich einzubringen.

Unter anderem haben die Neuankömmlinge durch ihr großes Interesse über den holprigen Start der AG´s hinweggesehen und ihre Kontaktfreudigkeit nimmt vielleicht auch Anderen die Angst vor dem „weißen Lehrer“. Paul, Christine, Mucyo, Joshua, Fabrice, Queen und all die anderen geben mir enorm viel durch ihren Fleiß und ihre Hingabe beim Deutschlernen und Verstehenlernen meiner Kultur. Ich bin stolz auf sie.

Wer weiß, vielleicht verstehen sie bald schon was ich hier gerade schreibe 😉

Dieser Term war sehr aufregend und ich habe unterbewusst etwas geschafft, was ich gar nicht für möglich gehalten hätte: ich bin noch mehr mit vielen Schüler*innen und der Schule allgemein zusammengewachsen. Ich habe einen richtig festen Freundeskreis und kenne auch viel mehr der 750 Mädchen und Jungen beim Namen, mache meine Späße, gehöre dazu und werde schmerzlich vermisst, wenn ich mal nicht da sein kann.

Hier in Rwanda mache ich mir viele Gedanken und denke über mein Verhalten nach. Dazu gehören auch die aktuellen Nachrichten und globalen Probleme, die in Deutschland so fern scheinen und hier so nah sind:

Wenn ich manchmal aus meinem Paradies auf meine 1000 Hügel schaue, dann stört eine Sache: der Rauch, der hinter manchen Hügeln empor steigt.

Rwanda ist nun mal ein kleines Land mit einer großen und jungen Bevölkerung, die sich bis 2050 (genau, wie die ganze Bevölkerung Afrikas) voraussichtlich verdoppeln wird. Es muss also schnell Land zur Bewirtschaftung her und das am besten noch mit hohem Profit, beispielsweise durch den Verkauf von Holzkohle, die bei der Brandrodung entsteht. Irgendwie frustrierend und doch auch ein wenig verständlich.

Der Klimawandel grüßt.

Ich wünsche Euch weiterhin eine schöne Fastenzeit und viele schöne, und auch wieder warme, Frühlingstage. Ich freue mich schon wieder euch das nächste Mal zu schreiben und hoffe, dass es euch allen gut geht.

Viele liebe Grüße aus Nyarurema, wo es durch den Regen auch öfters mal echt „kalt“ wird.

Euer Felix 🙂