Ukraine: 2. Rundbrief von Frauke Weber

Mittlerweile habe ich auch traditionelle ukrainische Kleidung.

Über 9 Monate bin ich bereits in der Ukraine. Die Zeit ist nur so verflogen. Jetzt fangen die letzten Monate an und es macht mir Angst darüber nachzudenken, dass diese Zeit vermutlich noch schneller vergehen wird. Trotzdem genieße ich die Zeit hier. Die letzten Monate waren sehr ereignisreich.

Im November fing die jährliche Nikolausaktion an. Hierbei werden an über 1000 Kinder in Waisenhäusern und Internaten der Region Geschenke geliefert. Diese werden größtenteils von den Einwohner*innen von Ivano-Frankivsk zusammengestellt. Bevor es jedoch dazu kam den Kindern die Geschenke zu überreichen, stand viel andere Arbeit an. Im November ging es erstmal damit los, dass täglich die Leute zu den Maltesern ins Büro kamen und sich dort einen Brief von einem dieser Kinder aussuchten. Im Gegensatz zu Aktionen wie „Weihnachten im Schuhkarton“ wird bei der Nikolausaktion für jedes Kind ein persönliches Geschenk gepackt. Die Kinder schreiben von ihren Hobbies und ihren Wünschen und dementsprechend werden Sachen eingepackt. Das ist ein sehr großer Arbeitsaufwand. Dazu werden viele Spenden gesammelt und ehemalige Spender*innen kontaktiert. Dafür werden um die 20.000 Briefe verschickt. Eine meiner Aufgaben war es mit vielen anderen Freiwilligen diese Briefe zu falten und zu verpacken. Stundenlange Arbeit war mir sicher. Trotz der manchmal aufkommenden Eintönigkeit, hat mit die Arbeit viel Spaß gemacht. Ich habe viele Leute kennengelernt und hatte eine sehr spaßige Zeit. Irgendwann war dann alles verschickt und man konnte wieder aufatmen. Diese Entspannung hielt jedoch nicht lange an.

Alles voll mit Geschenken

Wenige Tage später kamen nämlich schon die ersten fertig gepackten Geschenke an. Nun wurden den ganzen Tag Geschenke angenommen, in die Liste eingetragen, sortiert und, wenn genügend vorhanden waren, in Säcken verpackt und zum Rettungszentrum gefahren, wo alles gelagert wurde.

Kisten voll mit Süßigkeiten.

Diese Arbeit erforderte eine große Sorgfalt, schließlich ist es nicht wünschenswert bei der Bescherung vor einem Kind zu stehen und diesem zu sagen, dass leider das Geschenk verloren gegangen ist. Neben den Geschenken wurden auch Hygieneprodukte, Klamotten und Süßigkeiten gespendet. Diese mussten alle sortiert und verpackt werden.

Die Süßigkeiten warten drauf verpackt zu werden.

In diesem Zusammenhang verpackte ich mehrere Tage lang lose Süßigkeiten in Tüten. Ein absoluter Traumjob. Mittlerweile war es Dezember geworden und die Auslieferung der Geschenke stand immer näher bevor.

 

 

 

 

 

Endlich war es dann soweit. Eine Woche lang waren verschiedene Gruppen der Freiwilligen unterwegs und brachten die Geschenke zu den Kindern. Da es seit November immer mal wieder geschneit hatte und es durchgehend sehr kalt war, lag dementsprechend viel Schnee.

Ivano-Frankivsk im Winter.

Für mich ein absoluter Traum, da wir selten in Trier so viel Schnee haben. Durch den Schnee fuhren wir teils mehrere Stunden zu den einzelnen Internaten. Bei den hiesigen Straßenverhältnissen durchaus eine gefährliche Sache, da die Straßen häufig nicht geräumt wurden. Trotzdem hatten wir unseren Spaß in den meistens sehr gut gefüllten Autos.

Die Schneehöhe in der Stadt.

In den Internaten führten die Freiwilligen immer ein kleines Theaterstück auf bevor die Kinder vom Nikolaus ihr Geschenk überreicht bekamen. Bei einer Aufführung durfte ich auch mitspielen. Ohne wirklichen Plan stand ich dabei auf der Bühne und machte einfach das, was die anderen auch machten. Beim Schlusslied stand ich neben den anderen und bewegte meinen Mund mit, da ich den Text des Liedes nicht konnte. Aufgefallen ist es glaube ich aber niemanden. Es war für mich sehr schön zu sehen, wie sehr die Kinder sich über die Geschenke gefreut haben. Nach der Bescherung sah man überall auf den Fluren Kinder, die ihre neuen Spielsachen ausprobierten oder stolz ihre neusten Kleider präsentierten. Diese Momente zeigten mir, wie wichtig diese jährliche Aktion ist und dass es durchaus den vorherigen Stress wert ist.

Seit Anfang November habe ich auch einmal die Woche ein paar Freunden von den Maltesern bei ihren Deutschkenntnissen geholfen. Da zum Teil kaum bzw. gar keine Deutsch- und Englischkenntnisse vorhanden waren, hatten wir immer unseren Spaß, da mein Ukrainisch auch eher dürftig war. Leider hat sich das Ganze aber in den nächsten Monaten auch wieder verlaufen und irgendwann kam niemand mehr.

Über den Deutschclub habe ich eine Deutschlehrerin kennengelernt, die mich in ihre Schule eingeladen hat. Es war für mich sehr interessant zu sehen, wie Kinder in der Ukraine lernen und dass sie Deutsch lernen. Viele träumen davon eines Tages in Deutschland zu arbeiten und so ein besseres Leben  zu führen. Es hat mir Spaß gemacht mit den Kindern zu arbeiten, wenn auch die Verständigung sehr schwierig war, da die Deutschkenntnisse sehr gering sind.

Dann stand auch schon Weihnachten vor der Tür und durch die ganze Arbeit kamen die Vorbereitungen etwas zu kurz.

Viel Spaß und Arbeit bereitet Plätzchen backen.

Ich habe also ziemlich spontan einige Freundinnen zum Plätzchen backen eingeladen. Diese Tradition gibt es in der Ukraine nicht. Gerade deshalb war es für mich sehr schön meine deutsche Familientradition auch hier in der Ukraine zu haben. Wir verbrachten den ganzen Tag damit Plätzchen auszustechen, zu backen und am Schluss zu verzieren. Dabei hatten wir ganz viel Spaß und es war schön zu sehen, dass sie mit genau so viel Begeisterung wie ich dabei waren.

Am 24.12 wird in der Ukraine kein Weihnachten gefeiert. Deshalb nutzte ich diesen Abend, um zum ersten Mal die römisch-katholische Kirche zu besuchen. Dort gab es nämlich eine Christmette. Zwar war sie auf Ukrainisch, aber ich war sehr froh mal wieder den gewohnten Ritus zu haben und nicht den der griechisch-katholischen Kirche. Am nächsten Tag gab es dort dann auch noch einen Gottesdienst auf Englisch. Da ich frei hatte, besuchte ich auch diesen und wurde danach noch auf eine Weihnachtsfeier eingeladen. Diese wurde von ausländischen Student*innen organisiert, weshalb es auch landestypische Gerichte zum Essen gab. Obwohl ich es nicht geplant hatte, feierte ich dann doch noch ein bisschen Weihnachten. Es war sehr schön andere Menschen zu treffen, die einen ähnlichen Weg hinter sich haben und auch in einem fremden Land probieren Fuß zu fassen.

Dann kam schließlich der Januar und endlich auch die ukrainische Weihnacht. Die Malteserjugend hatte ein Krippenspiel einstudiert und  auch ich hatte einen kleinen Text bekommen. Es war ein kleines Weihnachtsgebet, welches ich auswendig lernte.

Gruppenfoto nach dem Krippenspiel.

Als der Tag der Aufführung gekommen war, war ich sehr nervös. Vor größeren Mengen spreche ich sowieso nicht super gerne, aber das Ganze auf Ukrainisch ist dann doch nochmal etwas anderes. Es kam wie es kommen musste und als ich schließlich dran war kam mir mein Text nicht mehr ganz so flüssig über die Lippen, wie bei den Proben. Trotzdem war ich sehr stolz darauf und das Gebet kann ich immer noch.

Zum Weihnachtsfest lud mich dann eine gute Freundin zu sich nach Hause ein. Dort feierte ich mit ihrer Familie Weihnachten. Ich lernte viele der ukrainischen Weihnachtstraditionen kennen und durfte die verschiedenen Speisen die es immer gibt probieren. Am nächsten Tag war ich bei einem Weihnachtsessen, welches für die ärmere Bevölkerung veranstaltet wurde. Eine Bekannte, die ich über die römisch-katholische Kirche kennengelernt habe, hatte mich zum Helfen eingeladen. Es waren jedoch so viele Helfer*innen dort, dass er für die meisten nichts zu tun gab. Deshalb war dieses Ereignis eher enttäuschend für mich.

Im Januar war dann eine Zeit, in der es arbeitstechnisch etwas schwierig war. Im Büro war nichts los und viele waren im Urlaub. Ich blieb also mehr oder weniger ohne Arbeit hängen. Gerade nach der sehr arbeitsintensiven Zeit im November und Dezember, machte mir das zu schaffen. Deshalb entschied ich mich dazu zwei Tage die Woche in der Caritas mitzuhelfen. Dadurch schuf ich mir mehr Struktur im Alltag und fand eine weitere Arbeitsstelle, die mir sehr viel Spaß macht. Ich arbeite dort mit Menschen mit geistiger Behinderung zusammen. Diese werden dort jeden Tag betreut und es werden verschiedene Sachen mit ihnen veranstaltet. Sie lernen schreiben und rechnen, eignen sich neue Kochfähigkeiten an, basteln und gestalten verschiedene Dinge und haben sehr viel Spaß zusammen. Sie haben mich sehr gut in ihrer Gruppe aufgenommen und sind sehr hilfsbereit, da für mich selbst das alles noch total neu ist. Ich habe noch nie mit Menschen mit geistiger Behinderung zusammengearbeitet, aber es macht mir sehr viel Spaß. Sie sind so herzlich zu einem und nehmen einen einfach mit auf. Ich bin sehr froh, dass ich in diesem Jahr diese Erfahrung auch machen durfte.

Die Zeit verging und ehe ich mich versehen konnte, stand das Zwischenseminar und somit auch die Halbzeit an. Ich machte mich also auf den Weg nach Rumänien.

Eine tolle Gruppe mit der ich eine schöne Zeit verbracht habe.
Das Parlamentsgebäude in Budapest.

Auf dem Weg machte ich noch einen kurzen Zwischenstopp in Budapest. In Rumänien dann angekommen traf ich auf viele Freiwillige, die überall in Ost-Europa und Italien verteilt sind. Die eine Woche reichte um sehr enge Freundschaften zu schließen und es entstand ein Plan. Wir hatten die Idee einen Roadtrip durch Ost-Europa zu machen und so so viele Freiwillige wie wir konnten zu Besuchen.

 

 

 

 

 

Bevor es jedoch dazu kommen konnte, stand erst mal Besuch aus der Heimat und von ehemaligen Freiwilligen an.

Meine Schwester und ich in Lviv.

Meine Schwester kam für eine Woche in die Ukraine und ich hatte die Möglichkeit ihr mein neues Zuhause, meine Arbeit und die ganzen tollen Menschen hier zu zeigen. Die Zeit verbrachten wir nicht nur in Ivano-Frankivsk sondern auch in Lviv. Es war sehr interessant mein Leben in Deutschland und mein Leben in der Ukraine so aufeinander prallen zu sehen.

 

Geburtstag feiern macht Spaß.

Nachdem sie abgereist war, war es auch schon Zeit für meinen Geburtstag. Ich feierte ihn im kleinen Kreis mit meinen engsten Freunden. Es war eine neue Erfahrung für mich meinen Geburtstag ohne meine Familie und ohne mein traditionelles Geburtstagsessen zu feiern. Trotzdem war es wunderschön und der Abend wird mir noch sehr lange im Gedächtnis bleiben.

 

Gruppenfoto mit den deutschen und ukrainischen Maltesern.

Drei Tage später kamen dann auch schon die Malteser aus Deutschland zu Besuch. Mein sonst so leeres Haus war plötzlich nicht mehr ganz so leer mit 12 weiteren Mitbewohner*innen. In dieser Woche lernte ich einige Orte der Ukraine kennen, die ich noch nicht kannte und hatte die Chance andere Deutsche zu treffen, die sich sozial engagieren und eine Verbindung in die Ukraine haben. Jedes Jahr reist eine Gruppe deutscher Malteser in die Ukraine. Sie bringen Spenden und viele Sachen aus Deutschland mit und unterstützen so die Arbeit der Malteser hier und pflegen die jahrelange Partnerschaft.

Gruppenfoto mit der bosnischen Gruppe.

Und ganz plötzlich war Anfang Mai und der mehr oder weniger geplante Roadtrip stand an.

Warten auf den Papst…

Für mich ging es zuerst nach Skopje, wo ich auf Milena und Nathalie, 2 Freiwillige aus Bosnien, traf, die mit ihrem Projekt passend zu unserer Reise einen Ausflug zum Besuch des Papstes gemacht haben.

 

Deswegen verbrachten wir einen Tag mit dieser Gruppe und Peter. dem mazedonischen Freiwilligen, bevor es in seine Stadt ging, wo er uns sein Leben und seine Arbeit zeigte. Danach mussten wir auch schon weiter über Belgrad nach Sarajevo.

Mitten im Nirgendwo, doch die Laune ist super.

 

 

 

Von dort aus ging es nach Mostar, wo Robin lebt und von wo wir am nächsten Morgen mit dem Auto aufbrachen und uns zu viert über Serbien und Rumänien auf den Weg nach Chişinău in Moldawien aufmachten, um den dortigen Freiwilligen David zu besuchen. Danach ging es für uns noch weiter in die Ukraine zu mir nach Hause, von wo aus die anderen dann wieder in Richtung ihrer Heimat aufbrachen. Robin hat sogar von unserer gemeinsamen Zeit ein Video zusammengeschnitten, welches uns immer an diese Zeit erinnern wird. (https://www.youtube.com/watch?v=6JSROktAWGE&list=WL&index=4&t=6s)

Jetzt hat mehr oder weniger mein Alltag in der Ukraine wieder angefangen, wobei man nicht wirklich von Alltag sprechen kann. Weitere Besuche aus der Heimat stehen an und auch noch einige Aktionen der Malteser. Es wird also wieder sehr überraschend, was alles auf mich zukommt.