Ruanda: 5. Rundbrief von Felix Flämig

Eine lange und schöne Zeit in meinem Leben ist nun vorbei. Seit etwa zwei Monaten bin ich zurück in Deutschland, zurück zu Hause und doch bekam „zu Hause“ eine andere Bedeutung für mich: Ich habe eine zweite Heimat in Ruanda und wünschte mir des Öfteren mich teilen zu können, um an beiden Orten gleichzeitig sein zu können…

Lieber Solikreis und liebe Interessierte,

in diesem letzten Rundbrief berichte ich über meine letzten Wochen in Nyarurema, meine Ankunft zu Hause sowie das Einleben in Deutschland. Es war eine so aufregende Zeit seit letztem August und ich muss das alles immer noch verarbeiten. Besonders die letzten drei Monate waren noch einmal so intensiv, sodass ich erst jetzt berichten wollte und konnte.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!

Kigali Peace Marathon und Besuch von David

Noch im Juni war ich nach Kigali eingeladen, um gemeinsam im Team der Jumelage den „Run for Fun“ des Kigali Marathons mitzulaufen. Mit Teamkleidung ging es so morgens gegen acht Uhr auf die 10km lange Reise durch Kigali, um gemeinsam mit über 5000 Teilnehmenden ein Zeichen für den Frieden zu setzten.

Ach ja, die Medaille gab es übrigens für jeden- so sportlich bin dann doch nicht 😛

Das Team der Jumelage mit dem Motto „Run for education“

Am übernächsten Tag wartete dann ein weiteres Highlight auf mich, denn mein bester Kumpel David hatte sich entschieden ebenfalls den langen Weg auf sich zu nehmen, um mich zu besuchen.

Gemeinsam verbrachten wir eine sehr coole Zeit mit vielen Männergesprächen, und ich denke speziell bei mir in Nyarurema gefiel es ihm sehr gut. Wir haben viel Zeit in der Schule verbracht, sodass wir sogar gemeinsam debating Stunden hielten oder den Deutschclub leiteten und mit den Schüler_innen Musik hörten, tanzten, sangen usw..

Auch wenn David nur eine vergleichsweise kurze Zeit in Rwanda war, hat er doch sehr viele Dinge gesehen und vor allem meinen Schulalltag sehr nah erlebt. Er wäre auch ein super Freiwilliger und die Schüler_innen haben sich ständig nach ihm erkundigt, weil er so offen war 🙂

Der Alte geht, der Neue kommt – Abschied und Willkommen

Nachdem alle Examinations vom zweiten Term geschrieben waren und ich in den Ferien mit meiner Gastschwester Nicole viel unternommen hatte, unter anderem die Expo und internationale Basketballspiele in Kigali zu besuchen, war es dann so weit: mein letzter Monat begann und somit hieß es meinen Nachfolger Julius Dehne willkommen zu heißen.

Was wir dann zusammen unternommen haben wird Julius sicher auch in seinen Rundbriefen erwähnen, deshalb möchte ich für meinen Teil nur von meinem Abschied berichten:

Denn dieser fing früher an als gewollt, da die letzte Chance meine Gastschwester Nicole im Internat zu besuchen Anfang August war. Also fuhr ich gemeinsam mit Julius nach Butare/Huye, um ihm Teile des Landes zu zeigen und ihm gleichzeitig seine zukünftige Gastschwester vorzustellen.

Die Besuchszeit war leider nur etwa eine Stunde lang und endete damit, dass ich mit Tränen in den Augen aus der Schule und ihren Armen gehen musste. Eine erste echte Konfrontation, dass dieser Abschied so langsam wirklich werden würde. Nachher verbreitete sich das Gerücht unter den Schülerinnen, dass wir ein Paar seien, aber unsere Familienbeziehung ist wirklich nicht so leicht zu durchschauen 😉

Weiter ging der Abschied dann mit einer Abschiedsparty, die ich im Freiwilligenhaus in Nyarurema veranstaltete und sehr viele Menschen eingeladen hatte, die mir über das Jahr hinweg, aus welchen Gründen auch immer, sehr wichtig geworden waren. Bei Musik, guten Brochette, Kochbananen, Kartoffeln und dem ein oder anderen Kalt – oder Warmgetränk feierten wir so meinen Abschied. Gleichzeitig war es auch eine Willkommensparty für Julius und ein Zeichen, welch wichtigen Stellenwert und Gewinn der Freiwilligendienst für beide Seiten darstellt.

In vielen Reden, beispielsweise von unserem Parishpriest Jean d´Amour oder Alphonse, wurde es mir sehr warm ums Herz und wieder konnte ich die Tränen nicht zurück halten. Viele nutzten die Möglichkeit, um ein Paar letzte Worte an mich zu richten oder mir Geschenke und Erinnerungen zu überreichen. Das bedeutet mir sehr viel und diese haben einen festen Platz in meinem Zimmer in Deutschland, aber auch in meinem Herzen.

Parishpriest Jean d´Amour und ich

Am übernächsten Tag und nach einem „last supper“ (letztes Abendmahl) mit den Priestern hieß es dann endgültig Abschied zu nehmen, von den kleinen Örtchen Nyarurema und Buguma und all den Menschen, die diesen Ort so besonders machten: Schüler*innen, Lehrer*innen, Priester, Krankenschwestern, Freund*innen, Marktfrauen, Ladenverkäuferinnen, Nachtwächtern und all den Menschen, die mich täglich auf dem Schulweg grüßten oder sich freuten mich zu sehen. Ich vermisse sie und die Gemeinschaft, die ich so stark empfunden habe.

ein letztes Erinnerungsfoto vor der Schule

Als ich in Kigali ankam, hatte ich noch die Möglichkeit mich von vielen Bekannten dort zu verabschieden, wie ein richtiger Touri Souvenirs zu kaufen und abends gab es noch eine kleine Sause in verschiedenen Bars und Clubs der Stadt. Am nächsten Tag hieß es alles flugzeugfertig zu packen und den letzten Abend mit meiner Gastfamilie zu genießen, wo wir Geschenke austauschten und Hühnchen aßen.

Und Schwubb die Wubbs sitzt man am nächsten Morgen um sieben Uhr in dieser Maschine und fliegt innerhalb von neun Stunden von seinen Freunden und dem Land, das man lieben gelernt hat, in die „alte“ Heimat. Den ganzen Flug hatte ich nachgedacht und extreme Dankbarkeit verspürt; für alles, was mir mehr als ein Jahr widerfahren ist.

Ankunft

Nichts Ahnend kam ich also in Brüssel an und vieles war so anders und doch noch vertraut. Auf der Autobahn bekam ich auf der Rückbank Panikanfälle, weil ich die hohen Geschwindigkeiten nicht gewohnt war, denn alle Busse in Rwanda dürfen nur 60 km/h fahren.

Auch die Gerüche habe ich sehr intensiv erlebt und dann bei der Haustür kam dann der berühmte Satz: „das riecht aber so schön nach zu Hause hier“.

Und weil ich ja nicht sowieso schon völlig überfordert war mit der plötzlichen Veränderung, kamen nach und nach all meine Freunde und Familienmitglieder aus dem Abstellraum heraus, wo sie sich für die Willkommensparty versteckt hatten. Ihr seid die Besten!

Und so kam ich langsam aber sicher wieder in diesem Deutschland an, was ein Jahr lang so weit weg erschien und schnell wieder so normal wurde. Autofahren, getaktete Terminplanung, Ausflüge und Konzerte als wäre ich nie weg gewesen. Doch ich habe mich ein wenig verändert, habe deshalb in einigen Verhaltensweisen andere Ideen, hinterfrage unseren Lebensstil und habe gelegentlich den Drang in unserer Gesellschaft etwas zu verändern.

MEINE GEDANKEN

In diesem Teil des Rundbriefs habe ich immer über meine persönlichen Erfahrungen und meine Überlegungen dazu geschrieben. Doch ich denke, dass in meinem letzten Rundbrief etwas anderes hier MEINE GEDANKEN beherrscht – nämlich Dankbarkeit für alle, die dieses unglaubliche Jahr ermöglicht haben.

In Deutschland oder Rwanda – egal ob Judith, Anne, Steph, Uschi und alle von SoFiA e.V. oder als Spender im Solidaritätskreis – ob mit Reaktionen zu meinen Rundbriefen oder einfachen WhatsApp Nachricht zwischendurch – ob als Besucher, die so einen weiten Weg auf sich genommen haben oder als virtueller Besucher per Skype. Es war und ist überwältigend so viel Unterstützung und Interesse durch meine Bekannten und Freunde zu erfahren. DANKE!

Es war ein Jahr, dass ich mein Leben lang nicht vergessen werde und Erfahrungen, die mich geprägt haben. Durch die strukturierte und erfahrene Organisation von SoFiA e.V. lief mein Freiwilligendienst noch viel besser, schöner, unkomplizierter und intensiver als ich mir es erträumt hatte.

Ich werde immer mit Rwanda verbunden sein – oder wie man in Kinyarwanda sagt: turikumwe!

In diesem Sinne ein letztes Mal von dieser Stelle:

Liebe Grüße und bis bald,

euer Felix