Indien: 1. Rundbrief von Daphne Antoniadis

Hallo (oder Vanakam wie wir hier sagen) liebe Familie, Freunde und alle Interessierte, die das hier lesen!

Seit gut drei Monaten bin ich nun schon in Indien und ich möchte euch einen ersten kleinen Einblick in meinen Alltag geben und was ich bisher so erlebt habe…

Nach einer langen Vorbereitungszeit ging es am 11.8 wirklich los. Meine Familie hat mich zum Frankfurter Flughafen gebracht, von wo aus ich zuerst nach Abu Dhabi, dann nach Colombo und schließlich nach Trichy (Tiruchirappalli) geflogen bin. Der Abschied fiel mir nicht leicht, aber zum Glück war die Vorfreude sehr groß und ich habe auf dem Flug eine coole Bekanntschaft mit zwei Mädchen gemacht, die nach Neuseeland für eine Zeit „Work and Travel“ unterwegs waren.  In Trichy angekommen, wurde ich gegen 9 Uhr morgens von meiner Projektleiterin Frau Häring abgeholt, um direkt zu meinem neuen Zuhause zu fahren. Ich kann mich erinnern, dass es sehr warm war (und immer noch ist) und der Verkehr mich direkt fasziniert hat (und es immer noch tut).  Viele Menschen fahren hier mit Scooties (Roller bzw. Motorräder) und transportieren so die unterschiedlichsten Dinge. Manchmal sieht man auch eine ganze Familie auf einem Scootie. Grundsätzlich gilt: „Achtung ich hupe und ich will durch.“  Kreisverkehre werden eher theoretisch angesehen und  blinken scheint auch nicht unbedingt vorrangig zu sein. Diese Methode schien mir am Anfang etwas riskant, scheint aber größtenteils  gut zu funktionieren.

Von Trichy aus sind wir mit dem Auto nach Viralimalai gefahren, hier werde ich das nächste Jahr wohnen. Viralimalai hat um die 40.000 Einwohner und liegt in Tamil Nadu, im Süden Indiens.  Am Haus angekommen wurde ich super herzlich von meinen Mitbewohnerinnen empfangen. Meine Projektstelle ist gleichzeitig auch mein neues Zuhause, dass ich mir momentan mit 7 anderen Mädels und meiner Projektleiterin teile. Zwei von ihnen machen hier ihre Ausbildung  zu „Sisters“, da  Frau Häring den Schönstattschwestern aus Vallendar angehört und ursprünglich aus Deutschland kommt. Zwei andere besuchen das College hier in der Nähe und zwei weitere haben ihre Ausbildung zur „Sister“ schon abgeschlossen. Es ist schön, Mädels im selben Alter um sich zu haben. So ist immer etwas los und jemand da, um ein bisschen zu plaudern.

 

Blick über Viralimalai

Meine Projektstelle

Mein Hauptarbeitsplatz ist das Nähzimmer, das direkt neben dem Haus liegt und in dem ich meistens von ca. 10-16:30 Uhr bin. Hier sind 12 Näherinnen angestellt, die Näharbeiten wie Taschen, Kinderrucksäcke, Tischläufer, aber auch Tischsets oder Krabbeldecken herstellen. Die fertigen Sachen werden in Deutschland auf verschiedenen Märkten oder als Vorbestellung  verkauft und die Näherinnen so  durch den Erlös bezahlt. Meine Aufgabe besteht darin, neue Designs zu kreieren, wobei  ich Pinterest sehr zu schätzen gelernt habe. Wenn ich ein gutes Design, zum Beispiel für einen Tischläufer, gefunden habe, suche ich zusammen mit den Näherinnen passende Stoffe aus und bügle und schneide sie.  Nachdem ich mich mit meiner Projektleiterin abgesprochen habe, setzen die Frauen  meine Ideen in die Tat um. Es macht Spaß zu sehen, wie aus Ideen greifbare Dinge werden. Zurzeit sind wir dabei ganz viele weihnachtliche Accessoires anzufertigen,  da Frau Häring Anfang November nach Deutschland fliegt und dann alles fertig sein muss. Die Arbeit ist sehr kreativ und lässt auf jeden Fall Platz, auch eigene Ideen einzubringen.  Die Näherinnen sind wie eine zweite kleine Familie für mich geworden und ich fühle mich sehr wohl dort. Als ich zum Beispiel einmal starke Kopfschmerzen hatte, haben sie aus Stoffen ein Bett für mich hergerichtet und ich durfte nicht arbeiten, bis es mir besser ging. Inklusiv waren auch eine Kopfmassage, ein Tee und ganz viele Tipps, welche Hausmittel ich ausprobieren soll.

Die Frage ob ich gegessen habe und wenn ja was, wird auch jeden Tag gestellt, da gutes Essen hier sehr wichtig ist. Oft werden mir Blumen mitgebracht, die sie in meine Haare stecken oder gekochtes Essen, dass ich unbedingt probieren soll. Diese kleinen Dinge finde ich unglaublich schön und sie haben mir sehr geholfen, mich in ihrer Gesellschaft schnell wohlzufühlen.

das Nähzimmer

Der zweite Teil meiner Arbeit liegt in der Hausaufgabenbetreuung, die jeden Nachmittag gegen 18 Uhr in unserem Haus stattfindet. Um die 25 Kinder zwischen 7 und 17 Jahren kommen zur Zeit und kriegen von einem Lehrer Nachhilfe in Tamil (die offizielle Sprache), Mathe und Englisch. Ich helfe meistens beim Lesen von englischen Gedichten oder kleinen Geschichten. Leider fällt mir auf, dass die Kinder zwar die Gedichte letztendlich flüssig lesen können, jedoch nicht verstehen, was sie gelesen haben. Die Schulen setzen hier viel auf Auswendiglernen und nicht auf wirkliches Verstehen. Trotzdem macht mir auch dieser Teil des Tages sehr viel Spaß, da die Kinder sehr offen auf mich zukommen und wir am Ende noch etwas draußen spielen können. Um 20 Uhr gibt es ein kleines Abendgebet mit meinen Mitbewohnerinnen und danach Abendessen.

Das Essen hier schmeckt mir wirklich sehr gut! Außer am Sonntag  essen wir vegetarisch  und ich hätte wirklich nicht gedacht, wie viele verschiedene Gerichte man aus Gemüse kochen kann und wie vielfältig Essen ohne Fleisch ist. Meistens essen wir Reis mit Samba, Dossai(ein bisschen mit Crêpes zu vergleichen aber aus Reis) oder Idli(gedämpfte Reisküchlein) mit verschiedenen Chutneys. Hier wird mit der rechten Hand gegessen, was ich auch erstmal lernen musste. Inzwischen ist es für mich ganz normal, den Reis ohne Gabel oder Löffel  zu essen. Da wir als so ziemlich einziger Haushalt einen Backofen haben, backen wir oft Kuchen oder auch mal überbackene Nudeln, deshalb kennen meine Mitbewohnerinnen inzwischen auch einige deutsche Gerichte. So habe ich zum Beispiel einmal Waffeln oder Pommes gemacht, die zum Glück gut angekommen sind!

Frühstück: Chapati mit Kokusnuss und Tomatenchutney

Nicht nur das Essen  unterscheidet sich, auch die Kleidung ist anders als in Deutschland.      Die Mädchen und Frauen tragen hier besonders Churridars und Saris. Churridars sind meist knielange Tops mit Leggins oder weiten Hosen. Dabei ist farblich alles abgestimmt und ein passender Schal gehört auch immer dazu. Die Kleidung  ist meist sehr farbenfroh und auch ich habe mich natürlich erstmal neu ausgestattet.

Und sonst so?

Highlights in diesen 2 Monaten waren definitiv die Ausflüge nach Karur und Velankanni. In Karur waren wir Stoffe für das Nähzimmer aussuchen. Ich habe mir vorgestellt, in einen Laden mit ordentlich eingeräumten Regalen zu kommen. Stattdessen kamen wir in einen großen Raum, in dem hunderte von Stoffen zu riesigen Bergen aufgetürmt waren. Es hat wirklich Spaß gemacht, darauf herumzuklettern und nach schönen Stoffen Ausschau zuhalten. Und falls jemand mal fallen sollte, war eine weiche Landung garantiert.

Die Stoffberge in Karur

Anfang September haben 4 meiner Mitbewohnerinnen, meine Projektleiterin und ich einen Tagesausflug nach Velankanni gemacht. Velankanni ist ein Wallfahrtsort und viele Menschen aus ganz Indien pilgern dorthin. So sind wir um 3:30 morgens aufgestanden, um mit dem Bus in einen Ort davor zu fahren, von wo aus wir den Rest zu Fuß gegangen sind. In dem Ort davor (den Namen kann ich mir nie merken) kamen wir gegen 7 Uhr an und es gab es erstmal die übliche Tasse Tee (Milch mit schwarzem Teepulver und Ingwer) und ein Stück Kuchen. Die eigentliche Wanderung nach Velankanni dauerte 3 Stunden und führte uns direkt am Strand entlang, was super schön war, da wir die einzigen  Wanderer waren. Dort angekommen, bestaunte ich die vielen Shops und kleinen Läden und überhaupt den Trubel des Ortes. Es war inzwischen ca. 11 Uhr und mein Magen fing ziemlich an zu knurren. Allerdings haben wir erst eine (sehr volle) Messe besucht und waren anschließend Essen. Danach haben wir uns noch den Schrein angeschaut, sind herumgeschlendert und ein Eis für jeden durfte natürlich auch nicht fehlen. Mein persönliches Highlight war, als wir mit all unseren Klamotten ins Meer gesprungen sind und es einfach eine super Abkühlung nach dem heißen Tag war. Gegen 18 Uhr fuhr der Bus zurück nach Viralimalai und gegen 23 Uhr bin ich todmüde aber zufrieden ins Bett gefallen.

 

Meine Mitbewohnerinnen Esther, Jaya, Monisha und Aman

Ende September bekam ich außerdem ziemlich spontan den ersten Besuch von meiner Mitfreiwilligen Paula aus Kalyanam. Für 5 Tage wohnte sie in meinem Projekt und es war schön, ihr schon alles zeigen zu können, was am Anfang noch so fremd für mich war. Einen Tag sind wir nach Madurai gefahren, um auf einem Markt Tücher für das Nähzimmer zu kaufen. Wir kamen natürlich auch nicht mit leeren Händen nach Hause, sondern haben uns mit selbstausgesuchten Stoffen einen maßgeschneiderten Churridar nähen lassen.       Es tat gut, sich einfach mal auszutauschen und über alles reden zu können und ich hoffe, sie auch schon bald in ihrem Projekt besuchen gehen zu können.

 

Tempel in Madurai

Soooo, das wars erstmal von mir, ich hoffe ihr hattet Spaß beim Lesen! Und auch wenn erst 3 Monate vorbei sind und das Heimweh die ersten Wochen doch stärker war als gedacht, fühle ich mich hier schon echt wohl und freue mich, euch in den nächsten Monaten mehr zu berichten!

Ganz liebe Grüße aus Indien,

eure Daphne

Falls ihr mehr über das Projekt wissen wollt, besucht gerne die Internetseite www.deepam-indien.de