Ruanda: 2. Rundbrief von Julius Dehne

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freunde, liebe Verwandte und Interessierte,

es ist wieder soweit, ich sitze in meinem Garten und möchte euch von meinen Erlebnissen seit dem letzten Rundbrief berichten. Es ist einiges passiert…

Ende des Schuljahres

Am 8. November des letzten Jahres ist offiziell das Schuljahr zu Ende gegangen. In den Wochen davor standen die Jahresabschlussprüfungen für Level 3 und 4 an. Die SchülerInnen von Level 5 hatten zu diesem Zeitpunkt bereits ihre praktischen Schulabschlussprüfungen absolviert und schrieben in den zwei Wochen nach Schulschluss ihre Abschlussprüfungen.
Das ETP ist eine praktische Schule, weswegen die SchülerInnen hier eine praktische und eine theoretische Prüfung absolvieren müssen, um ihren Schulabschluss zu erhalten. In dieser Zeit gab es vieles zu tun in der Schule: Die Arbeiten mussten ausgedruckt und zusammen getackert werden. Danach wurden sie auf die einzelnen Räume verteilt, da alle Klassen gemischt wurden, musste auch jeder Raum genügend Arbeiten der jeweiligen Fächer erhalten. Leider hat dies meistens nicht funktioniert, da es immer wieder SchülerInnen gab, die die Räume gewechselt haben. Während den Arbeiten mussten natürlichen Aufsichten in den Räumen sein, ich war meistens in einer der Essenshallen, in der ca. 170 SchülerInnen ihre Arbeiten geschrieben haben. Es war durchaus anstrengend an einem Tag 6 Stunden Aufsicht zu machen und in der freien Zeit dazwischen und danach die nächsten Arbeiten vorzubereiten. Die Prüfungsphase dauerte drei Wochen an, wobei die Dritte ein paar Änderungen beinhaltete. Diese Woche bestand aus einem Mix aus Aufsicht machen und Arbeiten bewerten, denn alle SchülerInnen mussten die Arbeiten in dieser Woche wiederholen, wenn sie unter

Die Essenshalle während eines Exams

einer gewissen Prozentzahl lagen. Da diese Regelung neu eingeführt wurde, waren es dementsprechend viele. Dies hatte zur Folge, dass teilweise 50% der Arbeiten neugeschrieben werden mussten. Ich habe auch einige Arbeiten in Englisch bewertet, jedoch nur die Teile, die klar mit richtig oder falsch bewertet werden konnten. Die letzte Aufgabe des Schuljahres war es die Zeugnisse zu schreiben.

Reisen Teil 1

Nun standen die Ferien an und ich hatte bereits mit anderen Freiwilligen geplant andere Teile von Ruanda zu bereisen.

Unser erster Stopp war in Musanze, von wo aus wir auf den Mount Bisoke gewandert/geklettert sind. Es ist ein 3711m hoher Vulkan im dazugehörigen Vulcano-Nationalpark. Eine durchaus sehr anstrengende Tour, denn die Strecke ähnelt eher einer Naturtreppe, die man 1000m hochsteigen muss. Durch die Aktivität der Vulkane sind früher auch Höhlen entstanden, die wir uns angesehen haben. Auffällig ist in Musanze, dass es sehr viele Hotels und Lodges gibt. Der Grund dafür liegt darin, dass ein Großteil der Touristen, die nach Ruanda kommen, nach Musanze fahren. Der Vulkannationalpark beheimatet nämlich auch die berühmten Berggorillas, die in Tagestouren besucht werden können.

Der zweite Stopp war in Kigali. Wir wurden von der deutschen Botschaft zu einem Empfang im Haus der Botschafterin eingeladen. Dort waren alle Freiwilligen und Entwicklungshelfer eingeladen, die momentan in Ruanda leben. Dadurch habe ich viele neue Menschen kennengelernt, die gerade ähnliche Erfahrungen machen. An diesem Wochenende gab es einen deutschen Weihnachtsmarkt in Kigali. Dort wurden viele verschiedene Produkte verkauft, die in Ruanda hergestellt werden. Es gab sogar ganz traditionell Glühwein. Mir kam es ein bisschen komisch vor, da ich keinerlei Weihnachtsstimmung fühlte. Dies lag möglicherweise an dem warmen Wetter und an dem Fehlen von Jahreszeiten, denn es fühlte sich nicht anders an als der August.

Danach ging unsere Reise weiter an den Kivu-See ganz im Westen Ruandas. Zuerst waren wir in Rubavu (Gisenyi) ganz im Norden, direkt an der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo. Dort haben wir ein bisschen die Seele baumeln lassen und sind zwischendrin auch schwimmen gegangen.  Der Kivu-See ist der einzige See in Ruanda, in dem man schwimmen darf, da dieser nahezu komplett bilharziosefrei ist. Auch finde ich die Politik der Stadt sehr bemerkenswert, denn es gibt einen ausgewiesenen öffentlichen Strand. Alle anderen Strände sind in privatem Besitz, meist von Hotels. Da Rubavu als Urlaubsort in Ruanda bekannt ist, kommen hier auch immer viele Touristen hin, um ein paar Tage am See zu genießen. Aus diesem Grund lohnen sich auch die vielen Hotels, dennoch gibt es diesen einen Bereich, der von jedem benutzt werden kann, man verzichtet somit auf ein paar zusätzliche Einnahmen.

Der nächste Teil der Reise führte an der Küste des Sees entlang nach Karongi (Kibuye). Wir sind den Congo-Nile-Trail gewandert, um möglichst nah an den Menschen und der Natur zu sein. Meistens sind wir aber nicht allein gewandert, sondern hatten immer wieder Begleitung von Kindern. Was mich persönlich sehr begeistert hat ist die Hilfsbereitschaft. Egal wie klein das Dorf war, es gab immer einen der ein bisschen English gesprochen hat und uns sagen konnte, wo der Weg weitergeht. Einmal durften wir sogar in einem Haus von uns völlig unbekannten Menschen überwettern, worüber wir sehr dankbar waren. Diese Hilfsbereitschaft ist etwas sehr Lobenswertes er ruandischen Mentalität. Übernachtet hatten wir in der Zeit in einer Hängematte und einem Zelt immer direkt am Ufer des Sees. Durch diese einfache Art des Reisens kommt man meiner Meinung nach am besten in Kontakt mit den Menschen vor Ort und kann die Natur am meisten genießen.

Unsere Begleitung auf dem Heimweg

Der letzte Teil unserer Reise hat uns spontan nach Tansania und Sansibar verschlagen. Hier haben wir die Küste des indischen Ozeans genossen. Ein sehr schöner Abschluss der Reise, um nochmal ein bisschen Sonne zu tanken, da es während der Wanderung doch relativ viel geregnet hat.

Helfen im Healthcenter

Da weiterhin Ferien und bis Weihnachten noch zwei Wochen Zeit waren, habe ich kurzfristig beim Healthcenter angefragt, ob ich dort für diese Zeit helfen könnte. Es ging und so habe ich die zwei Wochen bis Weihnachten dort verbracht.
Das Gesundheitssystem in Ruanda ist sehr gut entwickelt. Jeder Bürger kann relativ schnell an gewisse medizinische Hilfe kommen. In den Städten gibt es Krankenhäuser, wobei die besten in Kigali stehen, danach folgen die Healthcenter, die schon eine solide Versorgung bieten, jedoch gibt es hier keine Ärzte, sondern nur PflegerInnen. Eine ganz einfache Versorgung bieten Healthposts. Durch diese klare Hierarchie ist eine landesweite Mindestversorgung gewährleistet, auch mit landestypisch wichtigen Hilfen, wie Medikamente gegen Malaria. Wenn eine dieser medizinischen Stelle etwas nicht behandeln kann, wird der Patient in die nächst größere verlegt, bis man bei ganz großen Problemen letztendlich nach Kigali gebracht wird. Zudem hat so ziemlich jeder In Ruanda eine Gesundheitsversicherung, die den Ärmsten sogar noch mit Rabatten entgegenkommt. Die Beiträge sind generell so gering, dass es sich auch jeder leisten kann. Die gesamte Politik hinter dem Gesundheitssystem finde ich somit sehr lobenswert, da sie versucht jedem einen gewissen Standard an Gesundheitsversorgung zu ermöglichen.
Meine Aufgaben im Healthcenter waren vielleicht nicht die Spannendsten, jedoch unter Berücksichtigung meiner Sprach- und Sachkenntnisse, war ich sehr zufrieden. Ich habe Medikamente abgepackt oder Tupfer gefaltet. Aber es war trotzdem sehr schön, da ich so nochmal mit neuen Leuten in Kontakt kam und insgesamt nochmal viel über Ruanda gelernt habe.

Weihnachten in Kigali

An Weihnachten war ich dann bei meiner Gastfamilie in Kigali. Zusammengefasst war es sehr anders als ich es aus Deutschland kenne. In meiner Gastfamilie wird es nämlich nahezu gar nicht gefeiert. Am 24. waren meine Eltern arbeiten und ich habe den Tag mit meinen Geschwistern verbracht. Ich fand es sehr schön, weil ich so meine Gastgeschwister richtig kennen lernen konnte, vor allem meine Schwester. Sie geht nämlich auf ein Internat im Süden Ruandas, wodurch ich sie erst einmal gesehen habe. Am 25. war ich dann morgens mit ihr in einem protestantischen Gottesdienst, somit etwas Neues für mich. Leider war es sehr viel Text, wodurch ich nur wenig verstanden habe und ich kenne die Abläufe einer typischen Messe nicht, wodurch es noch schwieriger war zu folgen. Danach hat ein Großteil der Familie mit mir zusammen gegessen und später sind wir, meine Schwester, meine Mutter und ich auf die Farm meiner Mutter gefahren, die ein Stück außerhalb von Kigali liegt. Insgesamt fühlte ich nie wirklich Weihnachtsstimmung, außer in einem Moment: Es war bereits dunkel, es regnete, somit etwas kühler und Kigali wird sehr schön mit Lichterketten geschmückt.
Am 26. bin ich bereits von meiner Familie aus nach Uganda aufgebrochen, jedoch war es auch traurig. Mein Gastbruder, der mich bereits im August vom Flughafen abgeholt hat und mit dem ich auch viel Kontakt hatte, ist am 27. nach Kanada geflogen, um dort zu studieren. Es hieß also auf Wiedersehen sagen für eine unbestimmte Zeit.

Reisen Teil 2

Über Silvester war ich dann mit zwei anderen Freiwilligen in Uganda, um eine andere Freiwillige dort zu besuchen. Dort haben wir uns dann verschiedene Städte besucht. Zuerst Kampala, die Hauptstadt, danach Entebbe am Viktoriasee und zuletzt über Silvester Jinja. Wir haben ein paar Sehenswürdigkeiten angeschaut und generell einen kleinen Teil von Uganda kennengelernt. Silvester haben wir in einer Bar in der Nähe der Nilquelle verbracht, wo es sogar ein kleines Feuerwerk gab. Es bestand nur aus ein paar Raketen und Fontänen, jedoch wurde jedes Element einzeln sehr gefeiert. In unserer Unterkunft waren zu dem Zeitpunkt auch drei Kroatier mit denen wir dann ganz traditionell „Dinner for one“ geguckt haben.

Sehr beeindruckend sind die Unterschiede zwischen den beiden Nachbarländern. Beispielsweise das Plastiktütenverbot und das zusammenhängende Müllproblem. In Ruanda sind die Tüten verboten, wodurch es auch sehr viel weniger Müll gibt und es wird immer am letzten Samstag im Monat überall aufgeräumt. In Uganda hingegen wird alles in Plastik eingepackt, sogar einmal unser Essen in einem Restaurant. Des Weiteren ist der ganze Straßenverkehr in Uganda sehr viel chaotischer und ungeregelter. Auch dürfen dort auf den Motoradtaxis zwei Personen mitfahren und auch ohne Helm, während dies sehr strickt in Ruanda gehandhabt wird.
Hier habe ich einen kleinen Eindruck bekommen, wie unterschiedlich Afrika ist und man eigentlich nie von dem Kontinent im Ganzen sprechen kann.

Besuch aus Deutschland

Direkt im Anschluss an meine Reise nach Uganda kam bereits meine Familie aus Deutschland, worauf ich mich sehr gefreut habe. Nun konnte ich ihnen endlich alles zeigen, worüber ich vorher öfters erzählt habe. Sie konnten sich nun ein eigenes Bild vom Land der tausend Hügel machen. In diesen zwei Wochen haben wir eine komplette Rundtour durch Ruanda gemacht, wodurch auch ich nochmal neue Teil des Landes kennengelernt habe. Zusammengefasst eine sehr schöne Zeit.

Nun geht mein Zweiter Rundbrief auch schon zu Ende. Die Schule hat bereits wieder angefanangen und es gibt einige Neuigkeiten, jedoch berichte ich davon erst im nächsten Rundbrief.

Ich wünsche allen ein bisschen verspätet ein gutes neues Jahr 2020 (Umwaka mushya muhire 2020)!

Viele liebe Grüße aus Ruanda

Julius