Laba diena!
Ich sitze an einem, für Litauen, sehr warmen Tag bei strahlenden Sonnenschein auf einem Platz in meiner Wohnsiedlung und warte auf andere Freiwillige, um mit ihnen Basketball zu spielen. Die Zeitumstellung sorgt dafür, dass ich mir nun eine Stunde Zeit nehmen kann die ersten 3 Wochen Revue passieren zu lassen und euch zu berichten.
Nach 20 Stunden Überfahrt, bin ich in Klaipeda angekommen und wurde am Terminal von Ignas abgeholt. Er hatte einen Mietwagen besorgt, mit welchem ich noch am selben Abend nach Kaunas gefahren bin.
Mein Hotelzimmer, in welchem ich für voraussichtlich 14 Tage leben sollte, war einfach ausgestattet. Die Zeit vertrieb ich mir am Anfang vor allem damit, lange zu schlafen, Gitarre zu spielen, zu lesen, Litauisch zu lernen und einige Stunden im Internet zu verbringen. Essen bekam ich unter der Woche von der Nahe gelegenen Grundschule direkt ins Zimmer gebracht und am Wochenende von einem Lieferservice meiner Wahl. Am 4. Tag meiner Selbstisolation überraschten mich die Kinder aus der Grundschule und standen morgens meinen Namen rufend im Hinterhof des Hotels, was meine Vorfreude darauf steigerte, endlich im Projekt anzufangen. Doch vor mir lagen noch 10 lange Tage. Ich durfte mich mit einem Radius von einem Kilometer um mein Hotel bewegen. Also machte ich zur Abwechslung kurze Spaziergänge in den nahegelegen Stadtpark und die Altstadt. Es tat sehr gut, das kleinen Hotelzimmer hin und wieder zu verlassen und frische Luft schnappen zu können. Außerdem hatte ich ein Gespräch in der Hotellobby mit Audrone, meiner Ansprechpartnerin im Projekt, um die ersten Tage im Projekt näher zu planen. Nach 8 Tagen machte ich einen weiteren Corona-Test, um meine Selbstisolation auf 10 Tage verkürzen zu können. Das Ergebnis lag aber erst am Abend des 11. Tages vor, weshalb ich meine Quarantäne erst am nächsten Tag beenden konnte.
Ein paar kurze Worte zu meinem Projekt: Ich arbeite an einer privaten Kolping-Grundschule. An der Schule werden 9 Kinder in den Klassen 1-4 unterrichtet, was für mich am Anfang etwas befremdlich war, da ich aus Deutschland andere Zahlen gewöhnt bin. Die Schule wurde erst Mitte 2018 gegründet und liegt mitten in der sehenswerten Altstadt von Kaunas.
In den Tagen bis zum Wochenende ging es darum, Abläufe, Aufgaben und Menschen in der Schule näher kennenzulernen. Zu meinen Aufgaben zählt das Vorbereiten des Mittagessens, die Kinder zur Kunstschule zu bringen, Deutsch zu unterrichten, mit dem Kindern am Nachmittag zu spielen, den Sportunterricht zu begleiten und einiges mehr.
Ich kommuniziere mit den Lehrer*innen und einigen Kindern größtenteils auf Englisch, wobei ich versuche, möglichst viel mit meinen bisherigen Litauisch-Kenntnissen anzufangen. Am Freitag, den 16.10, zog ich in die Wohnung zu den anderen Freiwilligen. Nach zwei Wochen im Hotelzimmer tat es sehr gut, auf eine Küche und eine Waschmaschine zurückgreifen zu können. Meine Mitbewohner*innen (Yannick, Corinna und Viktors) sind sehr aufgeschlossen, hilfsbereit und nett. Die Kommunikation mit Viktors ist vorerst nur sehr eingeschränkt möglich, da er neben Lettisch nur Russisch und ein paar Fetzen Englisch spricht.
Die Wohnung befindet sich am Rande einer Hochhaussiedlung im 7. Stock, was dafür sorgt, dass ich aus meinem Zimmer eine schöne Aussicht nach Norden habe. Das folgende Wochenende nutzte ich, um richtig anzukommen, mich einzurichten, Nahrungsmittel einzukaufen, Kontakte zu den anderen Freiwilligen zu knüpfen, die örtliche Kletterhalle mit meinem Mitbewohner Yannick zu erkunden und mir eine litauische Handynummer anzulegen. Des Weiteren besorgte ich mir neue Hausschuhe, nachdem mir am letzten Freitag von der Schulleiterin schonend mitgeteilt wurde, dass meine mitgebrachten und nicht sehr ansehnlichen Hotellatschen nicht dem Level der Schule entsprechen.
Dass das Bild der Schule nach außen sehr gepflegt wird, wurde mir auch klar, als wir am Montag Dekoration für den bevorstehenden Elternabend bastelten und die Facebook-Seite der Schule mit entsprechendem Inhalt bestückt wurde. Beim Elternabend am letzten Dienstag hatte ich die Möglichkeit, mich vorzustellen und im Nachhinein mit einigen Eltern ins Gespräch zu kommen. Am Mittwochabend startete parallel zu meinem Sprachkurs ein weiterer Litauisch-Kurs, welchen ich bei einem Pubquiz gewonnen habe. Resultat ist, dass ich nun 4 Mal die Woche einen Sprachkurs besuchen werde und mein Litauisch Fortschritte macht. Am Freitag fuhren alle Angestellten der Schule, des Kindergartens und der Universität nach Troškūnai, einem 400-Seelen-Ort im Norden Litauens. Laute Musik von Joe Cocker und die ausgelassene Stimmung aller Mitfahrer*innen sorgten dafür, dass die circa zwei-stündige Autofahrt wie im Flug verging. Im örtlichen Kolping-Begegnungshaus verbrachten wir den Freitagabend mit einem Teambuilding-Event, welches komplett auf Litauisch war und uns teilweise auf Englisch übersetzt wurde. Erstaunlich fand ich jedoch, dass ich auch ohne Übersetzung vieles einfach aus dem Kontext, den Emotionen der einzelnen Teilnehmerinnen und der Darstellung für die Zukunft mitnehmen konnte. Am Samstagvormittag planten wir das weitere Vorgehen und den zukünftigen Deutschunterricht, setzten uns Ziele und probierten Übungsmethoden auf den schuleigenen I-Pads aus, bevor wir am Nachmittag durch die wunderschöne Herbstlandschaft und über holprige Straßen zurück nach Kaunas fuhren. In der Schule habe ich mich schnell eingelebt und bin schon fast ein bisschen traurig, dass nun die einwöchigen Herbstferien begonnen haben.
Auch hier steigen die Infektionszahlen in die Höhe und für die kommende Woche sind neue Regulierungen und Maßnahmen angekündigt. Für mich bedeutet ein Freiwilligendienst in der Pandemie auch, dass ich einen inneren Konflikt aushalten muss. So habe ich als Neuankömmling den Wunsch, jede Chance zu nutzen, um mit Menschen in Kontakt zu kommen. Gleichzeitig möchte ich Risikogruppen in Litauen schützen.