Liebe Leser*innen,
vor einem Jahr hätte ich nicht gedacht, dass ich meinen dritten und vierten(letzten) Rundbrief von Zuhause aus schreiben würde, ich meinen Friedensdienst nicht wie geplant im August 2020 beenden würde und das Corona Virus die Welt ins Taumeln gebracht hat. Ich hätte es mir nicht vorstellen können. Und doch ist es so gekommen. Daher möchte ich mich in diesem Rundbrief von meinem Friedensdienst verabschieden und Euch noch von meiner letzten Zeit in der Ukraine berichten. Ich wünsche Euch also ein letztes Mal viel Spaß beim Lesen! ?
Zuletzt schrieb ich am Freitag, den 13. Februar aus einem Café in Lviv, wo ich sehnlichst darauf wartete, meine Schwester und meine Mutter vom Flughafen abzuholen. Und so geschah es dann auch. Ich fuhr mit der Straßenbahn zum Flughafen und als ich meine Schwester und meine Mutter aus der großen Schiebetür treten sah war ich überglücklich! Nach zwei festen Umarmungen setzten wir uns erstmal in ein Café.
Es fühlte sich wieder so an, als hätten wir uns nicht schon so lange nicht mehr gesehen. Gut ich war bis zum 7. Januar ja auch noch Zuhause. Aber trotzdem war gefühlt alles wie immer, als hätten wir uns gestern zum letzten Mal gesehen. Anschließend fuhren wir mit einem Taxi in unser Stamm-Hostel in Lviv. Samstags morgens gingen wir bei „Lviv Croissant“ frühstücken und tingelten dann durch die Innenstadt. Es war viel zu wenig Zeit, um meiner Schwester und meiner Mutter alles in Lviv zu zeigen, was ich ihnen zeigen wollte.
Und so ging es um 15:46 Uhr mit dem Zug in Richtung Ivano-Frankivsk, meiner Stadt. Dort angekommen holte uns Jasmin ab und wir fuhren gemeinsam in meine Wohnung und stellten das Gepäck ab. Zum Abschluss dieses Tages gingen wir in ein traditionell ukrainisches Restaurant, wo die zwei zum ersten Mal original ukrainische Vareneke und Borschtsch aßen. Zuhause wieder angekommen hatten meine Schwester und meine Mama ein paar Geschenke von Freunden und Verwandten aus Deutschland mitgebracht. Während des Auspackens musste ich anfangen zu weinen. Ich hatte absolut nicht damit gerechnet und war von der vielen Liebe so überwältigt. Ich vermisste sie alle und war einfach nur überglücklich zugleich den Freudetränen, die mir über meine Wangen liefen. Sonntags morgens schauten wir eine Dokumentation auf Netflix an. „Winter on fire“ über den Euromaidan 2013/14 in Kiev. Die Doku kann ich empfehlen! Nachmittags besuchten wir den Deutschclub in der Stadt und gingen anschließend einkaufen, da wir abends mit ein paar Freunden von Jasmin und mir zusammen Pizza backen wollten. Der Abend im Malteser Keller war lustig, wir haben viel Musik gehört, getanzt und zusammen gesungen. Am Montag machten wir eine Besichtigung in der Caritas und Igor unser Mentor und Ukrainisch Lehrer übersetzte meiner Schwester und meiner Mutter alles und danach machten wir noch einen Abstecher ins Malteser Büro in der Innenstadt.
Abends hieß es dann für uns alle wieder Koffer packen. Denn Anouk und meine Mama flogen dienstags abends zurück nach Deutschland. Dafür fuhren wir an diesem Morgen nach Lviv und Jasmin und ich kamen mit, da wir anschließend weiter nach Budapest fuhren. Als wir vormittags In Lviv ankamen gingen wir noch einmal in einem unserer Lieblingsrestaurants essen und fuhren nachmittags gemeinsam im Taxi zum Flughafen. Beim Abschied kamen wir in diesen Tagen zum dritten Mal die Tränen (bei der Dokumentation das zweite Mal). Es war schwer für mich die zwei wieder gehen zu lassen und ich hätte mir so sehr gewünscht sie noch länger bei mir zu haben. Und das nächste Wiedersehen war zu diesem Zeitpunkt abermals so weit entfernt. Ich war aber dennoch froh, dass sie mich besucht haben und ich ihnen mein Zuhause in der Ukraine zeigen konnte. Denn ich finde es ist nochmal etwas ganz anderes, wenn du die Orte, von denen du erzählt bekommst, in Realität erlebst, die Geräusche und Gerüche dazu, das Licht, die Atmosphäre. Und es war schön meiner Schwester und meiner Mama endlich vieles in echt zeigen zu können von dem ich schon so viel erzählt hatte, von dem Land, den Menschen, meinen Freunden, meiner Wohnung, meinem Projekt … Natürlich waren diese fünf Tage viel zu wenig und ich hätte ihnen gerne noch mehr gezeigt, aber sie wollten ja im Sommer nochmal wieder kommen …
Am nächsten Tag, Mittwochabend setzten Jasmin und ich unsere begonnene Reise fort. Mit dem Nachtzug ging es weiter nach Budapest. Auch dort besuchten wir unser Stamm-Hostel und gingen natürlich wieder Langosch essen.
Um 11 Uhr nachts machten wir uns auf den Weg aus Ungarn heraus nach Rumänien, wo wir gegen 10 Uhr vormittags in der Stadt Targu Mures ankamen. Hier wurden wir von unserem Freund Pepe und seinem WG-Mitbewohner Lorenz abgeholt. Warum wir nach Rumänien gefahren sind? Weil wir in Sigishoara/Schäßburg in der Stadt in der vermutlich Vlad Tepes (Dracula) geboren ist, unser Zwischenseminar hatten. Das verbanden wir mit einem Besuch bei Pepe. Er ist ebenfalls SoFiA-Freiwilliger und hat sein Projekt in der Caritas in Targu Mures. Dort übernachteten wir und traten Sonntagsnachmittags schließlich gemeinsam unsere letzte Strecke mit dem Zug nach Sigishoara an.
Dort angekommen bezogen wir unsere Zimmer im Kolping-Haus und trafen mit den Teamer*innen von SoFiA und schon ein paar anderen Freiwilligen zusammen. Am nächsten Tag Montag, den 24. Februar starteten wir dann offiziell mit unserem Zwischenseminar und auch die letzten Freiwilligen trafen ein.
Schäßburg ist eine wunderschöne Stadt mit einer langen deutschen Geschichte, was ich vorher nicht wusste. Denn es wunderte mich, warum hier viele Straßennamen, Geschäfte, Beschreibungen und sogar Speisekarten auf Deutsch geschrieben waren. Sigishoara wurde im 12. Jahrhundert von Einwanderern, den Sachsen gegründet. Da hatte ich wieder etwas gelernt. Genauso, dass in Rumänien ein Teil der Bevölkerung ungarisch ist, sodass in Teilen Rumäniens Ungarisch gesprochen wird und in anderen Rumänisch und Roma und Sinti ebenfalls eine eigene Sprache sprechen.
Und auch auf dem Zwischenseminar habe ich viel für mich mitnehmen können. Zuerst einmal war es hilfreich auf andere Freiwillige zu stoßen. Teilweise hatten Freiwillige andere Entsendeorganisationen und wir kamen aus unterschiedlichen Ländern. Zwei aus Rom in Italien, Zwei aus Ungarn, Neun aus Rumänien und Jasmin und ich aus der Ukraine. Es hat gut getan sich aus zu tauschen und zu merken, dass egal in welchem Land oder in welchem Projekt, dass wir alle im Grunde mit denselben Schwierigkeiten zu kämpfen haben, aber gleichzeitig auch ähnlich schöne Erfahrungen machten. Das Gefühl damit nicht allein zu sein tat gut. Und auch auf diesem Seminar haben wir uns intensiv mit uns selbst beschäftigt: Was fällt uns im Freiwilligendienst schwer ? Was hatte und habe ich für Erwartungen an mich selbst ? Woran kann das liegen ? Wie kann ich mir Hilfe suchen ? … Ich habe nochmal eine Menge über mich selbst gelernt: Dass ich teilweise viel zu hohe Erwartungen an mich stelle, es versuche mehr Leuten recht zu machen, als mir selbst und mich viel zu wenig um mich selbst kümmere und auch mal „Nein“ sagen darf. Mittwochs machten wir dann eine Wanderung durch die Wälder und obwohl wir uns am Ende verliefen und nicht am geplanten Ziel herauskamen und nachhause Taxis bestellen mussten, war es ein lustiges Abenteuer.
Sonntags nachmittags mussten wir uns alle voneinander verabschieden. Es war schade, denn auch als Gruppe sind wir stark zusammen gewachsen in dieser Woche. Anfangs hatte es Montag bis Mittwoch gedauert, bis wir uns gut als Gruppe gefunden hatten. Ich finde das Problem lag an unserer Kommunikation. Es ging zum Beispiel um das Aussuchen unserer Themen für die Woche die wir Bearbeiten und Besprechen wollten und darum wer kocht, wer putzt, … Und die Teamer*innen hatten am Anfang klipp und klar gemacht, dass sie zum Begleiten des Seminares da sind, um zu unterstützen und zu leiten und eben nicht um uns alles genau vorzugeben. Das heißt es lag in unserem Engagement und Interesse UNSER Zwischenseminar selbst zu gestalten. Und das Problem daran lag meiner Meinung nach an meiner/unserer Schulbildung zum Thema Kommunizieren. Denn nur wenige von uns konnten gut sagen was sie meinen, was sie wollen, was sie nicht wollen, diskutieren, Kritik richtig ausüben und das alles natürlich in einem respektvollen Umgang. Denn ich habe beispielsweise größtenteils in der Schule gelernt, nicht viel selbst mit zu denken, der Lehrer*in gab meistens klar vor, wie, was, wann zu sein hat und ich als Schülerin hatte in vielen Situationen kaum Mitspracherecht. Dementsprechend viel es uns als Gruppe am Anfang schwer miteinander zu kommunizieren. Also auch Kommunikation durfte ich hier neu, anders und gut lernen. Nach dieser intensiven Woche, wo wir also als Gruppe zusammengewachsen waren, war es schade, dass wir uns nun schon wieder voneinander trennen mussten.
Andererseits war ich auch wieder froh Nachhause zu kommen. Wir fuhren dann Sonntagsabends mit dem Bus in der Nacht auf Montag nach Budapest und von da abends mit dem Zug nach Lviv und von da am Dienstagnachmittag mit dem Zug weiter nach Ivano. Und der Mittwoch stand dann komplett unter dem Motto des „Ankommens“, denn nach dem vielen rum-gereise, war es schön, auch wieder in einer feststehenden Wohnung zu leben und zu schlafen.
Wenn Ihr nun wissen möchtet wie sich mein Abenteuer dem Ende zu neigt, dann geht es für Euch in meinem 4. und letzten Rundbrief weiter … DANKE für Eure Zeit! 🙂