Uganda/Ruanda: 2. Rundbrief von Henrike Adick

Hallo liebe Freund*innen und Familie, lieber Solidariätskreis und Leser*innen,

ich melde mich zurück mit meinem zweiten Rundbrief! Es sind mittlerweile weitere Monate vergangen und mehr als die Hälfte der Zeit meines Freiwilligendienstes ist bereits vorbei.

Umso wichtiger euch von dieser Zeit zu erzählen und von meinen letzten Monaten zu berichten, denn es hat sich so einiges verändert. Lass uns einfach da weitermachen wo ich das letzte Mal aufgehört habe….

In meinem letzten bzw. ersten Rundbrief habe ich meine Anfangszeit, meine ersten Eindrücke und auch erste Herausforderungen mit euch geteilt. Nun möchte ich euch gerne noch etwas mehr und genaueres erzählen, denn Tag für Tag lerne ich viel und erlebe tolle Sachen.

Angefangen davon, dass meine Unsicherheit und Schüchternheit langsam zurückgeht. Anfangs war ich noch oft überfordert, denn alles war so neu und manchmal fühlte ich mich schon etwas hilflos. Doch in meinem zweiten Monat in Kampala ließen diese Gefühle nach und ich fühlte mich immer sicherer und wohler. Ich fand tolle neue Freunde und traute mir immer mehr zu. Ich weiß nun wie ich mir ein Boda-Boda bestelle, wie viel ich für meinen Einkauf am Markt bezahlen muss und wem ich vertrauen kann oder auf welche Kommentare ich eher nicht eingehen soll. Ich bin nun komplett aufgetaut und fühle mich wahnsinnig wohl.

Projekt:

Meine Arbeit in Somero macht mir auch sehr viel Spaß. Mir wurde kein konkreter Arbeitsbereich zugeteilt und somit ist mein Alltag wirklich abwechslungsreich. Manchmal fange ich schon sehr früh an, manchmal eher später, manchmal arbeite ich mit im Büro oder ich schließe mich einem Workshop oder einer Klasse an. Da ich eine sehr strukturbedürftige Person bin, war das nicht immer leicht, doch ich lerne hier oft über mich hinauszuwachsen und auch mal Leute zu fragen ob sie mich gerade für etwas Besonderes brauchen. Manchmal bin ich auch einfach etwas verloren und habe mal nicht zu tun und das ist auch okay. In diesen Moment quatsche ich super gerne mit den Schüler*innen und lerne sie besser kennen.  

Anfang Oktober habe ich angefangen mich in einem Projekt von Somero zu engagieren, in welchem junge Frauen zusammenkommen und eigene Businessideen entwickeln. In meiner Gruppe kam die Idee auf, eigene Seife zu produzieren. Die Besonderheit hierbei ist, dass es sich an die bedürftigen Leute des Viertels richten soll und der Preis so etwas niedriger wird. In den kommenden Meetings besprachen wir wie dieser Plan umsetzbar ist und wie unsere Businessstrategie aussehen kann. Die Frauen sind total engagiert und haben sehr viele Ideen, was mich sehr beeindruckt hat.

Durch dieses Projekt habe ich die Möglichkeit bekommen viele der jungen Frauen noch persönlicher kennenzulernen und von ihren Geschichten zu hören. Ich hatte euch in meinem ersten Rundbrief ja bereits erzählt, dass diese jungen Erwachsenen meist aus sozial benachteiligten Bereichen Kampalas kommen und oft einen schwierigen Hintergrund haben. Dies wurde mir in einer der Gesprächen nochmal besonders bewusst.

Eines nachmittags saß ich mit einem jungen Mädchen zusammen und wir unterhielten uns über unsere Familien. Sie fragte mich ganz neugierig aus und ich zeigte ihr ein Foto von meinen Eltern und Schwestern. Als ich sie nach ihrer Familie fragte, erzählte sie mir, dass ihre Mutter sie im jungen Alter verließ und ihr Vater wenige Jahre danach verstarb. Sie hat daraufhin bei ihrer Tante gelebt, die sie jedoch nicht gut behandelte. Seitdem lebt sie alleine mit ihren anderen Geschwistern, von denen sie jedoch auch keine Unterstützung bekommt. Sie musste in so frühem Alter lernen für sich und ihre jüngeren Geschwister zu sorgen und Verantwortung zu übernehmen. Sie ist so stark und ich bin zu tiefst beeindruckt wie sie mich trotz ihrer Vergangenheit so fröhlich angucken kann. Sie hat nie aufgehört zu kämpfen und probiert das Leben weiterhin als Geschenk zu sehen. Wirklich sehr bewundernswert! Wir sind beide im selben Alter und während ich eine sehr behütete Kindheit voller Liebe und Unterstützung genießen konnte, hatte sie schon sehr früh mit einem großen Schicksalsschlag zu kämpfen, welcher ihr Leben verändert hat. Meine Kindheit ist ein großes Privileg und absolut keine Selbstverständlichkeit, wie ich hier immer wieder lerne und man sich allgemein viel öfter vor Augen führen muss.

Manche der Schülerinnen sind auch sehr früh schwanger geworden und haben somit keine Ausbildung. Hier in Somero werden ihre Kinder betreut, während sie ihre eigenen „Skills“ entwickeln dürfen. Ich bin sehr froh, dass es Somero gibt, denn sie setzen sich für diese jungen Erwachsenen ein und geben ihnen eine Chance auf ein besseres Leben. 

Neben dem Projektleben, bietet Kampala auch immer wieder coole Erlebnisse. Am 3. Oktober zum Beispiel feierte ich den Tag der deutschen Einheit, zum ersten Mal. Dass dies in Uganda sein wird, hätte ich auch nicht gedacht. Ein Freund lud uns dafür ein wenig außerhalb von Kampala an den Lake Victoria ein und wir kochten und feierten ein wenig zusammen. Tatsächlich gab es Schnitzel mit Kartoffeln und Salat, sehr lecker! Das war schon etwas absurd, doch er war bereits einmal in Deutschland und ist begabter Koch.

Trommelkünste

Eine Woche danach war tatsächlich Ugandas Nationaltag, den wir wieder zusammen verbrachten. Diesmal war es eine große Feier mit typisch ugandischen Gerichten, Musik und Tänzen. Auf dem Foto seht ihr eine Gruppe an Trommlern die einen besonderen Auftritt hinlegten. Ich war sehr beeindruckt von ihrem Können, denn zu trommeln, die Trommel dabei gleichzeitig auf dem Kopf zu tragen und sich zu bewegen ist schon wahres Talent. Danach wurde zusammen miteinander gegessen, getanzt, gelacht und gesungen. Hier in Uganda verspüre ich ein viel größeres Gefühl von Freude und Spaß. Besonders an diesem Abend stand niemand dumm rum und hat geurteilt oder ausgelacht. Hier macht jeder einfach mit, ob er’s kann oder nicht, dass ist in diesem Moment gar nicht wichtig denn der Spaß und das Miteinander überwiegt. Das genieße ich besonders! Ich lerne nicht so lange nachzudenken und einfach mitzumachen. Ja klar, ich kann mich blamieren und jemand wird lachen. Aber nicht, weil die Person mich bloßstellen möchte, sondern aus Freude oder Leichtigkeit. Diese Lockerheit, Offenheit und Unbeschwertheit ist schon etwas Besonderes und wahrscheinlich auch einer der Sachen die ich hier so dolle liebe:)

Plot Twist:

Ich könnte noch ewig weiter über die schöne Zeit in Kampala erzählen, denn ich genoss sie wirklich dolle. Ich fühlte mich angekommen und das war ich auch. Ich fühlte mich in meiner Arbeit wohl, ich hatte tagtäglich tolle, kreative und engagierte Menschen um mich herum, ich hatte Freunde gefunden und irgendwo ein Heimatsgefühl entwickelt was ich so niemals gedacht hätte. Ich fühlte mich lebendig, ich war glücklich, denn ich konnte eigene Entscheidungen treffen und neue Erfahrungen sammeln. Nicht alles war auf Anhieb einfach, aber das hatte ich gelernt und das sollte mir in meinen weiteren Monaten auch noch oft bewusstwerden. Denn leider lief es nicht so weiter wie gewünscht und geplant und meine Zeit in Kampala endete am 28. Oktober. Der erste Rundbrief bezieht sich nur auf die ersten zwei Monate und auch dieser erste Teil des Rundbriefs behandelt diese Zeit.

Aber nun erkläre ich auch ein wenig die Situation: Am 20. September brach in einem Distrikt von Uganda, 150 km von Kampala entfernt, namens Mubende das Ebola Virus aus. Die Situation hatte vorerst keine Auswirkungen auf mich oder andere Menschen in meinem Umfeld. Richtig davon erfahren habe ich auch erst etwas später. Nach ein paar Wochen wurde die Situation ernster und der erste Fall wurde in Kampala bestätigt. Auch in 6 weiteren Distrikten kam es zu mehreren Infektionen mit Ebola und der Präsident gab nun auch öffentliche Reden im Fernsehen.  Trotz dessen spürte ich keine Veränderungen, die Leute redeten nicht viel darüber, trafen keine besonderen Vorkehrungen und der Alltag lief soweit normal weiter. Doch das hieß leider nicht das es bei mir genauso bleiben würde.

Ich war mir bewusst, dass die Lage eventuell ernster werden könnte, denn Ebola ist tatsächlich sehr gefährlich und die Wahrscheinlichkeit bei einer Infektion zu sterben ist bedeutend größer als zum Beispiel bei Covid. Am 21. Oktober erhielte ich dann eine E-Mail von Weltwärts, in der mir mitgeteilt wurde, dass alle Freiwilligen der betroffenen Distrikte (also auch ich in Kampala) umgehend Uganda verlassen sollen und in andere Projekte untergebracht werden. Das war ein großer Schock für mich und meine anderen Freiwilligen-Freunde. Auch sie erhielten die E-mail und so waren wir erstmal alle im selben Boot und sichtlich überfordert. Wir konnten und wollten es nicht wahrhaben und es fühlte sich an wie ein schlechter Traum. All das neu gewonnene und neu gewohnte wieder zu verlassen schien für mich unmöglich und wahnsinnig traurig.

Doch einen Rückflug nach Deutschland und somit einen Abbruch konnte ich mir nicht vorstellen. Also bot mir SoFiA daraufhin ein neues Projekt in Rwanda, dem Nachbarland von Uganda, an. Das war in diesem Moment die einzige Chance die übrig blieb, also probierte ich, mich darauf einzulassen.

Für andere Freiwillige die ich kennen gelernt hatte ging es nach Kenia oder Tanzania und so ging meine Reise alleine weiter. Diesen Wechsel alleine zu stemmen, war mental auf jeden Fall eine Herausforderung.

Ich bereitete mich nun auf meine Reise vor, indem ich meine Koffer wieder packte und mich von meinem Projekt verabschiedete. Besonders der Abschied von Rashidah fiel mir schwer. Auch wenn ich sie nur für zwei Monate kennenlernen durfte, ist sie mir sehr ans Herz gewachsen. Außerdem war die Situation sehr ungewiss und ich wusste nicht, ob ich nochmal zu Somero zurückkehren würde. Wir alle wusste nicht wie sich die Situation weiterentwickelt und ob wir jemals wieder zurück nach Kampala kommen könnten. Epidemien können manchmal Monate dauern, manchmal Jahre. 

Naja, so endete meine Zeit vorerst in Kampala und Rwanda stand vor der Tür. Auch wenn ich nach wie vor eher pessimistisch gestimmt war, probierte ich mich so gut es ging auf das neue Abenteuer einzulassen und auch positive Punkte in der Situation zu sehen. Wer kann schon erzählen, dass er gleich in zwei Ländern einen Freiwilligendienst gemacht hat?

Also ging es am 28. Oktober los. Am Vorabend verabschiedete ich mich von meinen Projektleitern und fuhr am nächsten Tag früh morgens mit Rashidah zum Busbahnhof. Dort ging es in einen großen Reisebus und auf eine 9 stündige Fahrt von Uganda nach Rwanda. Es war nun auch das erste Mal für mich ein anderes Land als Uganda in Afrika zu sehen und das war sehr aufregend. Der Reisebus war sehr modern und recht ähnlich wie ich ihn Deutschland gesehen und benutzt habe. Die einzigen Unterschiede sind, dass hier die ganze Reise über Musik läuft, vor der Abfahrt laut gebetet wird und zwischendurch Leute den Bus besteigen um verschiedene Speisen zu verkaufen.

Tschüss sagen zu Rashidah
Fleischspieß auf der Fahrt

Grenzübergang

Let‘s go Rwanda:

Auf der Fahrt von Kampala nach Rwanda durchquerten wir weite Landschaften und alles war so wahnsinnig grün. Diesen Anblick genoss ich sehr und irgendwo tief in mir freute ich mich nun auch Rwanda kennlernen zu dürfen. Das Land liegt im Süden unter Uganda und ist mit ca. 26.800 km2 deutlich kleiner. Rwanda grenzt im Osten an Tansania, im Süden an Burundi und im Westen an die demokratische Republik Kongo.

Nun zu meinem neuen Lebensabschnitt:

Für die nächsten Monate werde ich nun in Rwanda leben, genauer gesagt in Nyarurema. Das ist ein kleines Dorf in der östlichen Provinz ziemlich nah an der Grenze zu Uganda. In Nyarurema werde ich in einer Secondary School arbeiten, welche auch eine Boarding School ist, also ein Internat hat. Die Schüler*innen verbringen die meiste Zeit des Jahres in der Schule und gehen nur zum Ende des Terms nach Hause für die Ferien. In Rwanda gibt es 3 Terms und sie gehen jeweils ca. 3-4 Monate. ETP, so heißt die Schule in der ich nun arbeiten werde ist eine Art Activity school, in der sich Schüler*innen schon in bestimmten Fachrichtungen ausbilden können, die sie später, zum Beispiel in der Universität, vertiefen können. Die Schule bietet verschiedene Trades an, wie zum Beispiel: Accounting, Software development, Automobile Technology und Building Construction. All diese Fächer waren neu für mich und ich war gespannt wie ich mich in dieser neuen Projektstelle einbringen werden könne.

Angekommen in Rwanda fielen mir direkt ein paar Unterschiede auf. Die Vegetation ist ähnlich zu Uganda, doch es gibt viel mehr Berge die sich in dichteren Abständen in der Landschaft erstrecken. Als wir den Grenzübergang erreichten fiel mir auf das in Rwanda viel mehr Wert auf Sicherheit gelegt wird. So wurden nach einem gründlichen Scan, wie wir es vom Flughafen kennen, alle meine drei Gepäckstücke einzeln geöffnet, teils ausgeräumt und untersucht. So etwas habe ich zuvor noch nie erlebt und war sehr überrascht. Außerdem wird in Rwanda wieder der rechte Fahrstreifen benutzt, so wie bei uns in Deutschland auch. Das hat, wie ich lernen durfte mit der Kolonialzeit zu tun. Rwanda war von Belgien und Deutschland besetzt. Uganda währenddessen von England.

Aber nun zurück zu meiner Ankunft. Mein neues Projekt liegt nur rund 60 km von der Grenze entfernt und so war mein Projektleiter so lieb mich am Grenzübergang abzuholen. Ich freute mich sehr ihn direkt persönlich kennenzulernen und wir verstanden uns auf Anhieb sehr gut. Er heißt Father Bosco und ist der Schulleiter von ETP, außerdem ist er einer der vier Priester im Parish von Nyarurema, indem ich auch untergebracht wurde. Bosco ist wahnsinnig empathisch, witzig und offen und tatsächlich bin ich seine erste Freiwillige, da meine Vorfreiwilligen alle unter einer anderen Schul- und Projektleitung gearbeitet haben. Auf der Fahrt zum Projekt erzählte er viel über die Gegend, die Schule und wir unterhielten uns ein wenig über mich und meine bisherigen Erfahrungen in Kampala. Als wir gegen Abend im Parish ankam war ich ziemlich müde, aber es war sehr schön, denn die anderen Priester nahmen mich super lieb in Empfang und es war toll sie alle kennenzulernen.

Ich kam in Nyarurema an einem Samstag an und so hatte ich erstmal ein Wochenende Zeit um mich etwas auszuruhen und neue Kraft zu tanken. Doch das hieß auch, dass am Sonntag der erste Gottesdienst anstand. Beim Mittagsessen bat mich einer der Priester, ob ich nicht eine Art Rede oder Vorstellung halten könne. Ich war davon nicht wirklich begeistert, doch drum herum kommen würde ich sowieso nicht. Als ich zusammen mit einer Schwester, einer Nonne, die Kirche betrat, die sich direkt neben dem Grundstück des Parishs befindet, drehten sich rund 800 Köpfe zu mir um und die Aufmerksamkeit lag komplett auf mir. Alle waren super neugierig und für den Rest des Gottesdienstes fielen viele Blicke auf mich. Besonders als ich nach der Predigt nach vorne zum Redepult ging um mich den Schüler*innen vorzustellen. Ich habe davor noch nie vor so vielen fremden Leuten geredet und war sichtlich aufgeregt. Doch die Schüler ließen mich fast nicht ausreden und applaudierten nach fast jedem Satz. Sie freuten sich wahnsinnig über meine kleine Rede und es war schön, in so viele strahlende Gesichter zu blicken. Am Ende der Messe kamen viele zu mir um mich persönlich zu grüßen und mir die Hand zu geben. Das war ein schönes, irgendwie überwältigendes Gefühl.

Am Montag fing für mich die erste Woche in meinem neuen Projekt an. Die Schule ist nur wenige Minuten von meiner Unterkunft entfernt und als ich mich auf dem Weg machte wurde mir bewusst wie ruhig es hier eigentlich ist. Keine lauten Autos, Motorräder, kreischende Babys oder lärmbereitende Bauarbeiten. Einfach nur Stille, Vogelgezwitscher und das Summen von Insekten. Mein Ausblick war auf weite Berge, grüne Wiesen, Wälder und Felder bepflanzt mit Mais, Bohnen und Bananen gerichtet. Alles so friedlich und in Einklang. Alles so paradiesisch. Ich verliebte mich auf Anhieb in die Ruhe und in die Weite dieser Landschaften. Dieses Landleben sollte also auch Vorteile mit sich bringen…

In der Schule wurde ich in den ersten Tagen etwas herumgeführt. Ich durfte mir alle Klassenräume angucken, sowie die Schulküche, die Essenshalle, die verschiedenen Workshops für praktisches Lernen, außerdem das Computerlab oder den Sportplatz und die eigene Schulfarm, in der Hühner, Schweine und Kühe gehalten werden. Ich war sehr begeistert wie groß die Schule ist und wie auch hier alles sehr grün und bewachsen ist. Danach wurde ich dem Kollegium vorgestellt und alle hießen mich herzlich Willkommen. Es war schön in so viele neue, nette und interessierte Gesichter zu gucken und ich wusste das die Arbeit in so einer großen Schule nochmal ganz andere Facetten aufzeigen wird als ich es von der Arbeit in Somero kannte.

Eine Möglichkeit ein paar der Lehrer persönlicher kennenzulernen bot sich schnell, denn am 2. November feierten wir zusammen den „Teacher-Day“, der hier in Rwanda tatsächlich ziemlich groß zelebriert wird. Zu diesem Anlass kamen rund 500 Lehrer*innen aus dem Sector zusammen und versammelten sich in der Halle der Gemeinde von Nyarurema. Es wurden viele Reden gehalten, Preise verliehen und natürlich zusammen getrunken, gegessen und getanzt. Ich genoss es sehr ein wenig loszulassen und mich mit neuen Leuten zu unterhalten.

Gruppenfoto

Die Lehrer*innen von ETP sind alle total offen und nahmen mich direkt in ihren Kreis auf. Wir saßen zusammen und verfolgten die Veranstaltung. Das kam mir ganz gelegen, denn alleine hätte ich wahrscheinlich kein einziges Wort verstanden. In Rwanda wird nämlich eine komplett andere Sprache gesprochen: Kinyarwanda. Das ist die nationale Amtssprache in Rwanda und wird auch im nahezu größten Teil von Rwanda im Alltag benutzt. Rwanda ist somit eines der wenigen Länder Afrikas, in denen sich so gut wie die gesamte Bevölkerung mit der Bantusprache Kinyarwanda, eine gemeinsame Muttersprache teilt. Diese Sprachensituation ist etwas Neues für mich, denn in Uganda wurden solche öffentlichen Veranstaltungen meistens auf Englisch gehalten und sogar auf der Arbeit wurde die meiste Zeit über auf Englisch geredet. Egal wo man sich in Uganda aufhielt konnte man sich mit allen verständigen und somit fiel mir die Kommunikation ziemlich leicht. Ein paar Kilometer weiter in Rwanda ist die Situation eine komplett andere und das Schulsystem wurde tatsächlich auch erst 2008 von Französisch auf Englisch umgestellt. Das ist einer der Gründe, warum hier in Rwanda nicht so gutes Englisch gesprochen wird. Das hieß für mich tatsächlich auch, dass ich es diesmal mit dem Sprachen lernen etwas ernster nahm. Also ab nun an nur noch: „Muraho! Amakuru?“ So begrüßt man auf kinyarwanda und das bedeutet: „Hallo, wie geht es dir?“.

Französischklasse

Naja zurück zu der Feier… Es war auf jeden Fall ein sehr schönes Fest und ich lernte Alphonse kennen, der Englisch und Französisch Lehrer an ETP ist. Wir verstanden uns sehr sehr gut und er lud mich ein, ihn und seine Klassen im Unterricht zu besuchen. Dieser Einladung ging ich direkt nach und so verbrachte ich in meinen ersten Wochen ziemlich viel Zeit mit Alphonse und begleitete ihn in seinem Unterricht. Für mich war es das erste Mal einen rwandischen Unterricht zu erleben und so fielen mir doch ziemlich viele Unterschiede zu dem mir bekannten deutschen Unterrichtsverhältnissen auf. Zu allererst sind die Klassen deutlich größer. Die größte Klasse in ETP hat tatsächlich um die 65 Schüler*innen. Das fand ich schon sehr beeindruckend, denn für die Lehrkraft ist es somit wirklich schwer sich auf jede/n Schüler*in im Unterricht zu konzentrieren, bzw. festzustellen, wenn es jemanden gibt der eventuell Schwierigkeiten hat alles zu verstehen. Außerdem ist der Unterricht oft sehr frontal ausgerichtet, das heißt, dass die Lehrkraft ein Tafelbild macht, es erklärt und die Schüler*innen es notieren. Besonders im Englisch- und Französischunterricht ist der Fokus auf die Grammatik ausgelegt und es werden wenige interaktive Aufgaben gestellt.

Umso schöner finde ich die kreativen Clubs, die sich Schüler*innen überlegt haben um ihr Englisch zu verbessern. So gibt es zum Beispiel den Debattier-Club der sich jeden Freitag trifft und zu politischen und aktuellen Themen diskutiert. Ich finde es sehr schön, wie sich die Schüler*innen hierbei engagieren und habe mir vorgenommen, diese Clubs weiterhin zu besuchen und mich einzubringen. Neben dem Debattier-Club wird in der Schule auch sehr viel Sport getrieben und manchmal finden auch Spiele gegen andere Schulen statt. Auf dem Schulgelände gibt es ein großes Basketball- und Volleyballfeld, auf dem jeden Nachmittag fleißig gespielt wird.

Debattierclub

Meine Gedanken:

Ich würde euch gerne noch viel mehr über meine Ankunftszeit in Nyarurema erzählen, doch ich möchte nicht den Rahmen sprengen. Meine Zeit in Rwanda ist auf jeden Fall ein weiteres, neues, großes Abenteuer und ich kann es kaum erwarten euch weiter zu berichten. Ich hätte niemals gedacht, dass mein Freiwilligendienst so ereignisreich und aufregend sein wird und trotz all dieser neuen Herausforderungen und Aufgaben, genieße ich es wahnsinnig dolle. Ich bin sehr dankbar und glücklich für all die Menschen die ich bisher kennenlernen durfte und die ich heute meine Freunde nennen kann. Menschen die mich aufgenommen, mir ein zu Hause geschenkt haben und mit denen ich meine ganzen Gefühle und Gedanken teilen kann. All diese Gesten sind für mich nichts Selbstverständliches und ich bin dafür unglaublich dankbar.

In diesem Frewilligendienst lerne ich so unglaublich viel und er ist wirklich sehr bereichernd für mich. Besonders in der Umstiegszeit von Kampala nach Nyarurema habe ich vieles Neues für mich persönlich lernen dürfen, denn neue Umstellungen sind anfangs nicht immer leicht. Ich habe gelernt allem eine Chance zu geben, mich nicht zu verstecken und meine Gedanken offener zu kommunizieren. Ich bin in Nyarurema nun seit mehreren Monaten und kann rückblickend wirklich sagen, dass es wahrscheinlich die prägendste Zeit meines Lebens war. Ich durfte so viel Kultur kennenlernen, wurde in Familien eingeladen und habe neue Freundschaften geschlossen. Gleichzeitig bin ich oft an meine Grenzen gekommen und musste lernen über sie hinaus zu wachsen. All dies hat mich wahnsinnig geformt und inspiriert. In meinem nächsten Rundbrief werde ich euch darüber noch mehr berichten!

Danke, für eure Unterstützung und euer Interesse! Ich freue mich euch bald noch weitere Einblicke in meinen Alltag in Nyarurema zu geben!

Alles Liebe und bis Bald, Henrike 🙂