Mittlerweile bin ich schon fast drei Monate in Ruanda und es wird Zeit, all das Geschehene Revue passieren zu lassen. Aber fangen wir mal von vorne an…
Kapitel 1: Startschwierigkeiten
Meine Reise begann am 5. August, wo es von Frankfurt aus mit dem Flieger über Kairo nach Kigali ging. Das alles war schon sehr aufregend, weil es für mich nicht nur die erste Reise alleine war, sondern auch das erste Mal so lange weg zu sein von Deutschland, meinem Zuhause, meiner Familie und meinen Freunden. Die Reise verlief ohne Größere Probleme und ich wurde in Kigali von meinem Projektleiter Father Bosco in Empfang genommen. Am nächsten Tag ging es dann für uns Richtung Nord-Osten des Landes, denn dort liegt Nyarurema, ein kleines Dorf, in dem ich mein nächstes Jahr verbringen werde. Alleine auf dem Hinweg sah ich schon unglaublich viel von der Landschaft und der Natur Ruandas. Anfangs in Kigali war noch manches sehr ähnlich zu dem was ich in meinem Leben gesehen habe, jedoch je weiter wir uns von der Stadt entfernten, desto mehr änderte sich der Ausblick aus dem Autofenster. Ruanda trägt nicht umsonst den Namen „Land der tausend Hügel“, denn soweit das Auge reichte, erstreckten sich grüne Hügel, die oftmals von einer riesigen Anzahl an Bananenpalmen bedeckt waren. Nach einiger Zeit auf einer geteerten Straße verließen wir diese und fuhren die letzten 45 Minuten auf einem holprigeren Weg Richtung Nyarurema, wo ich realisierte, dass ich echt sehr abgelegen gelandet war, was mich ein bisschen überwältigte, denn das bedeutet wenig Anschluss zu anderen Freiwilligen und ein Leben, das ich noch nie so erlebt habe. Aber dafür macht man das ja auch: Neues Erleben…
Nicht nur die sehr ländliche Umgebung war ungewohnt, sondern auch meine neue Wohnsituation, denn ich wohnte alleine, in einem kleinen, bis auf ein Bett, unmöblierten 2-Zimmer-Apartment, ohne Küche und mit winzigem Bad in dem Haus der Lehrer. All das war eine sehr große Umstellung zu dem, was ich gewohnt war, und ich fühlte mich einfach noch nicht so wohl. Jedoch konnte sich dieses Gefühl noch nicht direkt ausbreiten, denn es ging nur einen Tag nach meiner Ankunft zum Schuljahresabschlusstreffen mit dem ganzen Kollegium, wo ich das ganze Personal der Schule kennenlernen durfte.
Kapitel 2: Mein kleines Abenteuer
Da mein Projekt sowieso erst frühstens Mitte September beginnen würde, beschloss ich einfach, nach Kampala zu reisen, sobald ich meinen Reisepass vom Immigration Office wieder hätte. Und als das 3 Tage später der Fall war, setzte ich mich in einen Reisebus und tuckerte Richtung Ugandas Hauptstadt. Kampala war einfach der pure Wahnsinn. Das war eine Stadt, wie ich sie noch nie zuvor gesehen habe, denn – Halleluja – waren da viele Menschen. Überall war es so voll und chaotisch, dazu kam noch ein reinstes Verkehrswirrwarr aus tausenden Motorrädern, kombiniert mit ungeheurem Verkehrslärm und Abgasen. Alles einfach ziemlich überwältigend, wenn man aus einer kleinen Provinzstadt wie Trier kommt. Logischerweise schaute ich mir neben der sehr belebten Innenstadt auch alle Sehenswürdigkeiten wie die National Mosque oder den Owino Market, einen der größten Märkte Ost-Afrikas, an. Jedoch ging auch dieses Abenteuer nach ein paar Tagen zu Ende, denn ich wollte, auch wenn ich in Nyarurema nichts zu tun hatte, nicht zu lange wegbleiben, denn das hinterlässt natürlich einen gewissen Eindruck…
Kapitel 3: Eingewöhnung und Langeweile
Kurz nach meiner Rückkehr ins Dorf musste ich dann erfahren, dass mein Projekt nicht wie gedacht Anfang September startet, sondern sich der Schulstart auf den 25.09. verschieben würde und so blickte ich wieder einer langen Zeit ohne jegliche Aufgaben entgegen. Ein wichtiger Umstand änderte sich jedoch: meine Wohnsituation. Da meine vorige Unterkunft so gut wie gar nicht eingerichtet war und ich mich dort nicht so richtig wohlgefühlt hatte, durfte ich umziehen in das Haus, das sonst immer von den ehemaligen Freiwilligen bewohnt worden war. Wenn ich hier von „Haus“ rede, dann meine ich aber eher ein Anwesen, denn meine neue Bleibe war einfach gigantisch, vor allem weil ich ja dort alleine wohnen sollte. Mein neues Haus umfasst sechs Schlafzimmer, zwei Bäder, Wohnzimmer, Küche, eine große Terrasse und einen riesigen Garten, in dem Mango-, Avocado- und Papaya-Bäume stehen. Alles in allem ein sehr komfortables und geräumiges Zuhause, das mir einige Möglichkeiten bot. Da ich nun in meiner finalen Unterkunft wohnte, konnte ich dann beginnen, mich mehr und mehr einzugewöhnen und einzuleben. Ich baute mir meinen eigenen Alltag, in dem ich probierte, mich ein wenig zu beschäftigen und nicht ganz der Langeweile zu verfallen, was mal mehr, mal weniger klappte.
Dabei spielte meine Terrasse immer eine große Rolle, auf der ich viel Zeit mit Lesen, Sport, Yoga, und Meditation verbrachte, jedoch füllte das noch lange nicht meine Tage, und so war auch das nur so eine semi-gute Zeit. Ich glaube, in Zukunft werde ich die viele Freizeit vermissen, wenn ich dann erst mal im ganzen Klausurenstress des Studiums bin, aber zu diesem Zeitpunkt hätte ich ein bisschen mehr Arbeit und Abwechslung gut vertragen können. Jedoch war diese Zeit nicht nur monoton und ich sammelte auch weitere Eindrücke von Land, Kultur und Menschen. Ein großer Türöffner war dabei die Kirche, von der ich nie gedacht hätte, dass sie mal eine größere Rolle in meinem Leben spielen würde. Durch meine Verbindung zu den Priestern, mit denen ich immer zu Abend esse, um mal ein wenig Gesellschaft zu haben, entschloss ich mich, regelmäßig sonntags in die Kirche zu gehen und ich bin unglaublich froh, sehen zu dürfen, wie hier Gottesdienst gefeiert wird, denn dieser unterscheidet sich sehr stark von dem, was ich bis dahin kannte. Hier feiert man noch richtig Gottesdienst, denn es ist unglaublich dynamisch und aktiv, zudem singt einfach jeder aus vollem Halse mit, was das Ganze lebendig und kraftvoll wirken lässt. Auch wenn es immer zwei Stunden sind und ich wenig bis nichts verstehe, was der Priester sagt, gehe ich gerne in die Kirche, weil diese Atmosphäre einfach einzigartig und Religion ein großer Teil der Kultur ist, von der ich natürlich so viel wie möglich miterleben möchte.
Um ein wenig Abwechslung zu haben und etwas zu erleben, ging es für mich dann zwischendurch übers Wochenende nach Kigali, wo ich dann auch andere Freiwillige kennenlernte, mit denen ich dann die diversen Ecken der Stadt erkundete und einfach eine sorglose Zeit hatte. Kigali hat echt alles zu bieten und je mehr ich sah, desto verrückter fand ich diese Stadt, denn sie ist etwas ganz anderes als das, was man vielleicht von einer afrikanischen Hauptstadt erwarten würde, denn sie ist ziemlich westlich geprägt. Überall ist es super sauber, meist sogar sauberer als in Deutschland, sie ist super modern und sicher und man fühlt sich teilweise, als wäre man in Europa. Deshalb komme ich auch gern her, um ein bisschen Heimatfeeling zu haben und um etwas zu erleben, was mir auf dem Land nicht möglich ist, wie einfach mal ins Café oder ins Gym zu gehen und ein paar Lebensmittel zu kaufen, die ich hier nicht finde. Mich wird es in Zukunft auf jeden Fall noch öfters dorthin verschlagen, denn dort hat man immer eine gute Zeit und es ist ab und zu eine gute Abwechselung zum sehr ruhigen Dorfleben. Alles in allem war diese Zeit deutlich besser als der Anfang, aber trotzdem nicht das, was ich mir vorgestellt hatte, hier zu erleben. Und so hoffte ich auf eine schnellstmögliche Besserung der Situation, sobald mein Projekt dann starten würde.
Kapitel 4: Projektstart und der Weg der Besserung
Nach langem Warten kam es dann endlich zum Schulbeginn und ich konnte endlich mal sehen, was meine Aufgaben im kommenden Jahr sein würden. Zumindest dachte ich dies, doch die Realität sah ein wenig anders aus, denn anfangs saß ich erst mal nur im Unterricht und sah ein wenig zu, wie hier der Schulalltag so ablief. Sowie ich eine Eingewöhnungsphase mit der Kultur, dem Land und meiner Situation hier brauchte, benötigte ich logischerweise auch eine für mein Projekt, jedoch störte mich das ein wenig, da ich ja schon fast zwei Monate vor Ort war und einfach mal anfangen wollte, irgendetwas Sinnvolles zu machen.
So war ich anfangs dann auch noch unzufrieden mit der Situation, denn ich war ja schließlich nicht hierhergekommen, um noch ein Jahr auf der Schulbank zu hocken, aber das Ganze besserte sich glücklicherweise nach zwei Wochen. Denn als ich in der dritten Woche morgens zur Schule kam, nahm mich der Englischlehrer auf das Unterrichtspodest und ich assistierte ihm während des Unterrichts. Das Ganze hat dann so einen kleinen Funken entfacht und ich hatte hier eine Aufgabe gefunden, die mir sehr gut gefällt und der ich hier im Projekt gerne ein wenig mehr nachgehen würde. Alleine darf ich logischerweise nicht unterrichten, denn ich bin offensichtlich kein ausgebildeter Lehrer und folglich nicht befugt, alleine Stunden zu leiten, da diese ja relevant für den Abschluss der Schüler sind. Und so eine große Verantwortung in die Hände eines Freiwilligen zu legen ist leider nicht möglich. Nichtsdestotrotz habe ich einen Weg gefunden, um mein kleines Lehrer-Gen zu verwirklichen, denn gehe in den Freistunden der Schüler in die Klassen und gebe zusätzliche Englisch-Nachhilfe. Das ganze Schulsystem ist nämlich auf Englisch und da schadet es ja nie, seine Sprachkenntnisse der Unterrichtssprache aufzubessern. Vor allem bei einer Klassengröße von bis zu 70 Schülern ist nur Frontalunterricht möglich und so gibt es keine Möglichkeit, mal das Sprechen zu üben oder generell auf die Bedürfnisse von Einzelpersonen einzugehen. Oftmals mache ich mit den Schülern dann eine „debate class“, wo alle mal zu Wort kommen können und sich so ein wenig das Sprechen verbessern lässt.
Zu dieser angenehmen und echt spaßigen Lehrtätigkeit kommt natürlich auch die etwas nervige Seite des „Lehrerseins“ dazu, das Korrigieren. Um den Englisch- /Französischlehrer zu unterstützen, übernehme ich oftmals die Korrekturen von kleineren Tests und wenn man dann zum 60. Mal das Gleiche gelesen hat, kann ich verstehen, wieso meine ehemaligen Lehrer und Lehrerinnen über diese unsägliche Arbeit geschimpft haben. Jedoch kann es doch auch ein wenig Spaß machen, wenn es nicht Überhand nimmt. Neben meiner Projektarbeit fühle ich mich mittlerweile auch in dem ganzen Schulumfeld wohl und habe hier nach Unterrichtschluss auch immer eine Beschäftigung, sodass mir nicht mehr so schnell langweilig ist. Denn für die Schüler geht es nach dem Klingeln in die AG´s der Schule, wie Tanzen, Chor oder Sport, wo ich meistens mich den Volleyballern anschließe. Im Anschluss geht es zurück in die Klassenräume für die Unterrichtsnachbereitung, wo ich meine Freunde begleite und wir dann einfach ein bisschen quatschen, denn wer hat nach acht Stunden Schule am Tag noch Lust auf Wiederholung?
In den ersten Wochen habe ich meine „Freundesgruppe“ gefunden, die aus mir und drei Jungs besteht, mit denen ich abseits des ganzen Schullebens gerne meine Freizeit verbringe. Wochenends komm ich dann auch zur Schule, um dort mit ihnen einfach ein bisschen zu chillen und eine gute Zeit zu haben, wobei wir immer mehr als Freunde zusammenwachsen. Ich bin echt froh, dass ich die drei gefunden habe, denn sie helfen mich immer mehr, mich zurecht zu finden. Alles in allem habe ich mich mittlerweile ganz gut in das Projekt eingefunden und bin froh, neue Freundschaften geschlossen zu haben, nichtsdestotrotz läuft noch nicht alles super und meine Aufgaben sind noch relativ klein und erfüllen mich noch nicht so ganz, was ich auf jeden Fall ändern möchte. Zudem liegt immer noch ein wenig Heimweh in der Luft und ich vermisse meine Freunde und Familie und natürlich auch die schönste Stadt der Welt: Trier. Im Großen und Ganzen wird vieles mit der Zeit und ich hoffe einfach auf eine schöne Zeit mit vielen neuen Erlebnissen und Erfahrungen, darauf, noch viel sehen zu dürfen und auf wenige Tiefpunkte, die leider immer zu einem Freiwilligendienst dazugehören.
Wie man sieht, ist innerhalb von 3 Monaten schon so einiges passiert und ich habe noch so viel nicht erzählt, aber es kommen ja noch weitere Rundbriefe, hoffentlich ein bisschen schneller als dieser, und, wenn ich die Zeit finde, auch regelmäßiger.
Viele Grüße von der anderen Seite des Äquators
Jonathan Kathöfer
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