Uganda: 2. Rundbrief von Janine Stammer

Abenteuer in Ostafrika

Sonnenuntergang am Nil

Lieber Solidaritätskreis, Freunde und Verwandte!

Die Zeit vergeht wie im Flug. Fliegen. Ich wünschte ich könnte das. Denn dann könnte ich viel mehr schöne Orte hier in Uganda in kurzer Zeit sehen. Das Land hat so viel faszinierende Natur zu bieten, die ich sehr viel öfter als Ausgleich zur Großstadt genießen wollen würde. Aber man kann nicht alles haben und muss zufrieden sein mit dem was man hat. So bin ich auch froh über die Erfahrungen und Erlebnisse, die ich hier schon machen durfte. Und genau davon möchte ich euch jetzt ein wenig erzählen.

Gottesdienst mal anders
Das erste große Event, bei dem ich hier war, fand am 21. August statt. Das war ein Feiertag, bei dem die Muslime hier Eid Adhuha, ein religiöses Event, feierten. Ich ging allerdings mit meiner Nachbarin zu einem größeren Gottesdienst ein wenig außerhalb von Kampala. Wir fuhren eine Weile mit dem Taxibus dorthin, wo viele Leute mit Plastikstühlen den Berg hochströmten. Oben angekommen wurde schon gesungen und getanzt. In den Gottesdiensten hier wird im „Call and Response“ style (Ruf und Antwort) gesungen und die Lieder sind schon peppiger als unsere Kirchenlieder. An sich war es eine echt krasse und interessante Erfahrung. Es wurden predigten mal auf Luganda mal auf Englisch sowie Abendmahl und Segen abgehalten. Generell sind die Priester hier sehr locker drauf und reißen auch mal den ein oder anderen Witz. Die Leute reagieren auch immer auf das was gesagt wurde mit Applaus oder einer Antwort. Immer wieder wurde gesungen und getanzt beziehungsweise geklatscht. Zwischendurch gab es mind. 3 Mal eine Phase von ca. 6 Minuten, in der es richtig abging. So wie ich es verstanden habe, sollte man in den Phasen Gott in sich aufnehmen, sich ihm hingeben. Auf jeden Fall war das schon etwas komisch, denn jedes Mal bekam ich eine Gänsehaut. Ich versuche mal die Situation zu beschreiben, obwohl man das echt nur versteht, wenn man selbst dabei war.

Alle stehen und klatschen aufgeregt. Der Priester wiederholt einen Satz laut immer wieder. Das Klatschen hört sich an wie ein Wasserfall und es steigert sich immer mehr. Um einen herum fangen die Leute an vor und zurück zu wippen. Manche fangen an wilde Bewegungen zu machen, andere haben einfach die Augen geschlossen und sind komplett in sich gekehrt. Alle folgen dem Strom. Einzelne beginnen zu kreischen, zu weinen, komplett abgedrehte Bewegungen zu machen und scheinen nicht mehr sie selbst zu sein.

So ungefähr kann ich das beschreiben. Alles in allem war es sehr lebendig wenn auch manchmal etwas unheimlich. Der Gottesdienst dauerte ganze 6 Stunden und dementsprechend war ich dann auch hungrig. Aber das ist hier in Uganda kein großes Problem, weil man wirklich überall etwas zu essen kaufen kann, wenn auch nur einen gegrillten Maiskolben, Kochbananen oder salziges Popcorn. Zudem sind die Portionen hier riesig. Es werden mehrere Sachen auf den Teller gepackt. Die übliche Auswahl besteht aus Reis, Posho, Matooke (Kochbananen), Süßkartoffeln, normalen Kartoffeln, Hühnchen/ Rind, Erdnusssoße, Suppe, Kürbis, Bohnen. Egal was man nimmt, die Teller sind immer zum überlaufen voll. Daran musste ich mich auch erst gewöhnen, aber das ging relativ schnell. Mir ist aufgefallen, dass ich jetzt viel mehr esse und essen kann. Dementsprechend habe ich auch zugenommen.

Reisen durch Uganda

Auf dem Minarett
Gaddhafi Moschee

Was in letzter Zeit auch zugenommen hat waren mein Reisen. Kurz vor Weihnachten haben mich Kati (aus Soroti), Felix und Leonhard (Freiwillige aus Ruanda) besucht. Wir haben die Gaddhafi Moschee besichtigt, in der wir Frauen ein Kopftuch und Beinbedeckung tragen mussten. Wir erfuhren etwas über die Geschichte der Moschee und konnten auf das Minarett hochsteigen, wo wir die Möglichkeit hatten fast ganz Kampala zu sehen. Am nächsten Tag sind Felix, Leonhard und ich sehr früh mit dem Bus nach Kasese im Westen von Uganda gefahren. Die Fahrt dauerte eine gefühlte Ewigkeit und war sehr unbequem da jeder Weihnachtsgeschenke dabei hatte, sich vier statt drei Personen in eine Sitzreihe quetschen mussten und sehr unsanft über Bremsschwellen gefahren wurde. In Kasese angekommen hat uns Kata, ein Freund von mir, abgeholt, der alles dort organisiert hatte. Wir waren in einer kleinen Hütte in einem Zimmer mit mehreren Stockbetten untergebracht. Das Hüttchen befand sich mitten in der Natur und ganz in der Nähe eines kristallklaren Flusses. Kasese ist umgeben vom Rwenzori-Gebirge, weshalb das Wasser auch entsprechend kalt war, als wir darin badeten.

Mauerbauen in Kasese

Uns wurde das Gelände gezeigt und wir durften einmal ausprobieren eine Ziegelsteinmauer zu bauen. Unser Besuch dort dauerte 4 Tage, was mir fast schon zu kurz war, da ich die Natur dort richtig genoss. In den paar Tagen waren wir unter anderem auf dem Markt und kauften uns Früchte, um uns einen frischen Smoothie zu machen.

Wir besuchten die heißen Quellen, schwammen darin

Salzsee

und probierten den regionalen Schnaps „Super“. Ein Tagesausflug zum Queen Elizabeth Nationalpark war auch dabei, bei dem wir Elefanten, Warzenschweine, Vögel und Nilpferde sahen sowie zwei Salzseen und die Seen Eduard und George. Auf der Fahrt dorthin haben wir den Äquator überquert.

Zudem besuchten wir Katas Familie, die direkt an der Grenze zum Kongo wohnt. Dort waren wir die Ehrengäste in der Kirche und durften mit der Familie beim Weihnachtsmahl mitessen. Wir machten auch einen Spaziergang zum Grenzfluss und konnten einmal ausprobieren in einem kleinen Teich mit Stock und Schnur zu angeln. So verbrachten wir Weihnachten und ich bin froh, dass ich Gesellschaft hatte, sonst hätte ich meine Familie nur noch mehr vermisst. Am 26.12. fuhren wir wieder zurück nach Kampala. Die Rückfahrt war genauso unbequem und einmal versagten sogar die Bremsen vom Bus an einem Hügel, weswegen wir den Buckel runterrasten und gegen eine Mauer fuhren. Zum Glück ist nichts Schlimmes passiert außer dass die Passagiere geschockt waren. Ich muss zugeben, dass ich davon nichts mitbekommen habe, da ich schlief und erst aufwachte als wir schon gegen die Mauer geknallt sind.

Botanischer Garten

In Kampala angekommen ruhten wir uns erst einmal aus und am nächsten Tag gings nach Entebbe. Die Stadt liegt direkt am Victoriasee und war die Hauptstadt in der Kolonialzeit. Übersetzt
heißt Entebbe „Stuhl“, den genauen Grund kenne ich allerdings nicht. Dort gingen wir in den Tierpark UWEC, in dem verletzte oder anderweitig behinderte Tiere versorgt werden und sahen den Kronenkranich sowie den Shoebill (Schuhschnabel), der nur in Afrika zu finden ist. Nachdem wir lokal gut gegessen haben, schauten wir uns den Botanischen Garten an, in dem viele verschiedene Pflanzen zu finden sind, sowie riesige Bäume. Am Strand machten wir es uns in einer erhöhten Strandhütte bequem und genossen die Aussicht über den Victoriasee.

Am Tag darauf fuhren wir nach Jinja, das bekannt ist für die Quelle des Nils.

Ssezibwa Falls

Davor machten wir aber einen Zwischenstopp bei den Ssezibwa Falls, bei dem wir hochsteigen und die Aussicht genießen konnten. In der schönen Stadt Jinja liefen wir in Richtung Wasser und stießen zufällig auf ein Gefängnis. Der Ort wurde deswegen für ein Gefängnis gewählt, da die meisten Leute in Uganda nicht schwimmen können und es dadurch schwer ist zu fliehen. Auf jeden Fall fuhren wir dann zur Quelle des Nils beziehungsweise ließen uns mit einem kleinen Boot hinfahren. Man erkennt die Quelle eigentlich nur durch das Schild im Wasser und dem leicht sichtbaren Hochströmen von Wasser. Da der Wasserspiegel gestiegen ist und das Wasser gestaut wurde, ist die Quelle unter Wasser und inmitten des Übergangs vom Victoriasee zum Nil. Unsere Bootsfahrt dauerte ca. eine Stunde, bei der wir ein kleines Fischerdorf und viele Vögel sahen. Danach machten wir es uns in einem Restaurant am Wasser gemütlich und genossen den Sonnenuntergang.

Nachbarland 
Am 30.12. fuhren wir mit dem Bus 14 Stunden nach Rwanda. Schon an der Grenze wurde erkennbar, dass in Rwanda mehr auf Sauberkeit der Umwelt und Ordnung geachtet wird als in Uganda. Dafür ist Rwanda aber auch viel kleiner als Uganda, was die Sache einfacher macht. Die Vegetation ist sehr ähnlich, nur gibt es dort wesentlich mehr und enger beieinander liegende Berge. Es ist etwas kühler dort und es regnete öfter. Die Hauptstadt Kigali ist umgeben von Bergen, wodurch man fast überall eine schöne Aussicht über die Stadt hat.

Kigali

Die Straßen dort sind auch fast alle geteert und es wird mehr auf Zebrastreifen geachtet. Nachts ist es auch sicherer, da mehr Polizisten unterwegs sind. Ich war über die Zeit bei Leonhard

Feuerwerk am Convention Center

untergebracht und genoss es mal nichts tun zu müssen wie waschen oder putzen. Silvester verbrachten wir zusammen und feierten ins neue Jahr mit anderen Freiwilligen bei einem schönen Feuerwerk am Convention Center und anschließendem Clubbesuch.

Auf dem Parlamentsgelände

Doch ich lernte nicht nur die Clubs in Kigali kennen, sondern lernte auch etwas über die düstere Vergangenheit Rwandas. Wir besuchten das Genocide Museum im Parlament sowie das Genocide Memorial. Die Geschichte erinnerte mich auch etwas an die Vergangenheit Deutschlands und manchmal war ich kurz davor zu weinen. Wie der Begriff Völkermord schon aussagt, hat die mehrheitliche Volksgruppe der Hutu die minderheitliche Volksgruppe der Tutsi über fast 4 Monate hinweg im Jahr 1994 abgeschlachtet. Es wurden auch Hutus getötet, die sich weigerten beim Völkermord mitzumachen oder Tutsi halfen.

Eine Grabstätte vom Genozid

Insgesamt kostete es ca. 800.000 bis 1.000.000 Menschen das Leben, wobei auch Kinder und Frauen brutal niedergemetzelt wurden. Der Genozid ereignete sich im Kontext eines langjährigen Konflikts zwischen der damaligen ruandischen Regierung und der Rebellenbewegung Ruandische Patriotische Front (RPF). Da der Völkermord noch nicht so lange her ist sind immer noch Auswirkungen zu spüren schon allein durch den Verlust vieler Familienmitglieder.

Doch neben all dem haben wir auch noch andere Sachen gemacht. Ich ließ mir zum Beispiel eine Bomberjacke schneidern und wir kochten zusammen Curry-Hühnchen mit Ananas. Felix nahm mich auch oft zu seiner Gastfamilie in Kigali mit, die

Pizzaessen nach dem Krankenhausbesuch

mich sehr freundlich aufnahm. Leider konnten wir nicht alles machen, was wir geplant hatten, da erst Leonhard und dann ich krank wurden.Wir hatten beide Magenbeschwerden, die aber nach zwei Tagen wieder weg waren. Nur habe ich danach zu wenig getrunken und gegessen, was zum Wasser- und Nahrungsmangel bei mir führte, wie ich später vom Arzt erfuhr. Am Tag meiner eigentlichen Abreise fühlte ich mich schwach, hatte Bauchschmerzen und Schwierigkeiten mich auf den Beinen zu halten. Deswegen beschloss ich meine Abreise auf den nächsten Tag zu verschieben und stattdessen ins Krankenhaus zu gehen, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist und ich nichts Schwerwiegendes habe. Nachdem ich gut behandelt wurde und wusste was los ist, gingen ich und Leonhard erst einmal Pizza essen bei schöner Aussicht.

Alles in Allem war es trotzdem ein schöner Ausflug und mal was Anderes. Ich kam am 06.01. zurück und die Schule ging für mich am nächsten Tag wieder los. An meinem Alltag hat sich nicht viel geändert. Dazugekommen ist nur, dass ich den MSD-Club (Music, Sport, Drama- Club) angefangen habe, bei dem es eine Tanz-, Musik- und Sportgruppe gibt. Diese von mir angebotenen Freizeitaktivitäten sollen den Schülern Abwechslung, Spaß, Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein und eine Möglichkeit andere kennenzulernen geben. Zwar ist das Projekt noch in der Anfangsphase, aber ich hoffe, dass es gut funktionieren wird und mehr Schüler daran teilnehmen werden.

Ansonsten geht es mir prächtig neben dem ab und zu aufkomenden Heimweh. Ich mache auch viel mit Freunden und mir gefällt es immer mehr in der Jazz Band. Ich werde mich weiterhin melden und hoffe euch allen geht es gut.

Viele Liebe Grüße aus Uganda
Eure Janine