Frankreich: 3. Rundbrief von Nelly Söling

Vom besuchen, besucht werden und Ausflüge machen 

War es im Nachhinein betrachtet eine dumme Idee sämtliche Reisen und Ausflüge in den anderen Runbriefen auszulassen und jetzt vor viel zu vielen Bildern mit viel zu wenig Text zu sitzen? Möglich.

Das Problem, vor dem ich mich jetzt schon seit einer Weile drücke, ist, dass ich mir immer sage, ich schreibe den nächsten Rundbrief dann, wenn ich die nächstgeplante Reise hinter mir habe. Also schiebe ich es so lange auf, bis die Reise geschafft ist und die nächste Reise in Sicht ist. Es ist ein wahrer Teufelskreis.

Gerade sitze ich im Zug auf der Fahrt nach Hause in den Rheingau und frage mich, wie ich so viele Reisen in so kurzer Zeit geschafft habe und danke meinem Handy dafür, dass es zu jedem Bild das zugehörige Datum speichert.

Mein erster Ausflug mit meiner Gruppe war am 04.09. zu einem See, irgendwo in unserer Nähe. Eineinhalb Wochen nach meiner Ankunft habe ich meistens nicht verstanden, wann wir was tun und bis heute habe ich immer noch keine Ahnung, wie der Ort hieß an dem wir waren.

Ganze drei Tage später, am 07.09. kamen mein Bruder mit seiner Freundin, meine Tante und mein Onkel und wir verbrachten den Tag damit Isle-sur-la-sorgue zu erkunden, denn auch wenn ich zu dem Zeitpunkt schon fast zwei Wochen da war, kannte ich mich noch überhaupt nicht aus. Stellt sich übrigens heraus, ein vegetarisches Restaurant zu finden war schwieriger als gedacht.

Am 08.09. ging es dann nach Marseille, die zweitgrößte Stadt Frankreichs. 

Linda, Hilger und ich an der Basilique Notre-Dame de la Garde

Ein weiterer Vorteil an Marseille: es liegt am Meer und es gibt massenhaft Strände. Nach einer langen, anstrengenden Stadttour, nach der wir meine Tante und meinen Onkel am Bahnhof abgesetzten, blieben mein Bruder, seine Freundin und ich also am Strand und schauten uns die Fische unterwasser und den Sonnenuntergang überwasser an und blieben schließlich die Nacht über in Marseille.

 

Die meiste Zeit des nächsten Tages verbrachten wir leider erfolglos damit, nach einem zu vermietendem Boot zu schauen, verbrachten ihn schlussendlich einfach am Strand und abends in einer Rooftopbar am Hafen von Marseille.

Wer mag es glauben, danach musste ich tatsächlich einen ganzen Tag arbeiten, zum Glück hatte ich aber das Wochenende danach wieder frei. 

Am 11.09. machten meine Tante und mein Onkel, die mit ihrem Camper auf dem Campingplatz in Isle-sur-la-sorgue geblieben waren, und ich eine kleine Erkundungstour durch die in der Nähe gelegenen Städte Luberon, Gordes und Fontaine-de-Vaucluse (dort haben wir vorbildlicherweise und sehr freiwillig auch die Kirche besucht).

 

Am nächsten Tag machten wir dann eine Paddeltour auf der Sorgue. Funfact: einen Kopfstand auf einem Standuppaddelingboard zu machen ist schwieriger als es aussieht. Zweiter Funfact: die Sorgue ist auch im Sommer wirklich sehr, sehr, sehr kalt.

Das waren die Ausflüge der ersten beiden Wochen. Ich denke mein Punkt, warum ich mich immer wieder darum drücke, diesen Rundbrief zu schreiben ist klar, deswegen versuche ich ein bisschen stärker zusammenzufassen und fange dafür mit sämtlichen Ausflügen mit meiner Gruppe an. 

Mit meiner Gruppe machen wir nämlich jeden Samstag einen Ausflug. Ich arbeite nur jeden zweiten Samstag, aber Ausflüge habe ich wirklich viele gemacht.

Am 18.09. ging es zu einem Marathon oder so? Glaube ich. Vielleicht. Wie gesagt, ganz am Anfang bin ich einfach nur mitgelaufen ohne viel zu verstehen.

Am 01.10 gab es eine Zusammenkunft sämtlicher Archen in meiner Region in Saintes-Maries-de-la-Mer, am Tag danach war ein Ausflug nach Gordes, der erste Ausflug mit meiner Mitfreiwilligen Coralie, die Ende September ankam, ursprünglich aber aus einem Dorf keine zwanzig Minuten von Isle-sur-la-Sorgue kommt.

Assistentenwochenende

Am 14.10. hatten Coralie und ich zum ersten und einzigen Mal zusammen Wochende und haben einen Ausflug zum Carrière de lumière und dem anliegenden Dorf les beaux-de-provence und danach zu ihrem Dorf Malemort-du-Comtat und ihrer Familie gemacht. Normalerweise haben wir leider immer gegensätzlich Wochenende. Am darauffolgenden Wochenende sind wir aber zum Assistentenwochenende in La Calnanque des Tamaris.

Eine schöne Gelegenheit die Freiwilligen der anderen Gruppen und generell die anderen Mitarbeiter der Arche, mit denen man sonst eigentlich keinen Kontakt hat kennenzulernen. 

Am 30.10. ging es zum ersten Mal ins Kino, weil es langsam zu kalt für Ausflüge wurde.

Im Kino auf dem Weg „Le Trésor du pétit Nicholas“ zu schauen

Bis dahin habe ich meinen Fortschritt, was Französisch angeht zwar irgendwie bemerkt, aber nie wirklich wahrgenommen, weil ich weiterhin oft keine Ahnung hatte (und immer noch habe) was passiert. Aber im Kino habe ich zum erstenmal nicht nur die Handlung des Films so ungefähr verstanden, sondern auch die Dialoge und Zusammenhänge. Im Nachhinein betrachtet, war das wirklich ein Meilenstein.

Meine Mutter mit Marie-Claire

Am 13.11. machten wir einen Ausflug nach Luberon zu dem Kupfergebirge. Mit Rafael,

meinem Vorfreiwilligen, der manchmal am Wochenende kommt, wenn wir mal wieder Personalmangel haben und meiner Mutter, die zu Besuch kam. 

Am 27.11. war es dann endlich so weit. Zum ersten Mal ging es mit der Gruppe auf den Weihnachtsmarkt. Wieder mit Rafael, auf den Weihnachtsmarkt in Avignon.

Danach kamen ein paar verschiedene Elemente zusammen, die uns daran hinderten, Ausflüge zu machen.

Zum einen hatte sich unser Team von fünf auf vier verkleinert, nachdem Maxim, einer der zwei Angestellten gekündigt hatte und zum anderen kündigte sich auch die Abreise von Cheyenne, der zweiten Angestellten an, womit unser Team jetzt seit dem 23.12. offiziell nur noch aus Florence, (meiner Responsablen), Coralie und mir besteht. Dazu kam der mehr oder weniger berühmte Mistral, ein kalter Wind, der glaube ich vom Meer her kommt und es wurde ziemlich kalt und die mittlerweile gefühlt zwanzigste Coronawelle kam natürlich auch in Frankreich an und wir blieben an Wochenenden in Isle-sur-la-sorgue.

Nun zu meinen vielen Reisen. 

Ich würde nicht sagen, dass mein Zimmer besonders klein ist, aber es ist auch nicht wirklich groß. Es ist inmitten der Zimmer der Bewohner und unter mir ist das Zimmer von Coralie, die jeden Schritt, jede Dusche und jedes Händewaschen von mir hört. Und ich finde auch wenn man offiziell nicht arbeitet, sobald man in die Gemeinschaftsräume geht wird man angesprochen und hilft irgendwem oder tut irgendwas.

Deswegen hatte ich an fast jedem freien Tag den Drang rauszukommen. 

Myri bei der Erkundung von Fontaine de Vaucluse

Und, praktischerweise hatten auch viele Leute das Bedürfnis mich zu besuchen. Angefangen mit meinem Bruder, seiner Freundin, meiner Tante und meinem Onkel, folgte zwei Wochen danach Myriam, die ihr FSJ in Hautrives macht und wir machten erst einen Ausflug mitsamt meiner Gruppe nach Fontaine-de-Vaucluse, am nächsten Tag nach Avignon.

Meine beiden Cousinen Aenne und Hedda und ich

Am 09.10. besuchte mich meine andere Tante, mitsamt Onkel und meinen beiden Cousinen. Meine Tante ist Sportlehrerin und das merkt man. Zusammen fuhren wir nach Giens und bewanderten die gesamte Halbinsel mit schönen Ausblicken und Sonnenuntergängen.

Am 24.10. war ich in Avignon um Rafael zu besuchen, der dort an der Uni einen Französischkurs belegt um im nächsten Jahr anfangen kann dort zu studieren.

Am 07.11. war dann mein allererster Ferientag. Eigentlich war mein Plan bis kurz vor Silvester durchzuarbeiten und dann mit meinen Freunden Silvester in Frankreich zu feiern, aber Florence meinte, dass ich unbedingt davor Ferien brauche. Deswegen traf ich mich, etwas kurzfristig geplant mit meiner Mutter in Paris.

Und, was soll ich sagen, Florence hatte recht. Wenn man arbeitet merkt man es nicht so wirklich, finde ich, aber sobald man mal in einem Bett schläft, in dem man nicht andauernd durch Leute, die um 5 Uhr morgens durch den Flur geistern oder laut Musik anmachen geweckt wird, schläft man auf einmal ziemlich lang.

Die langen Arbeitstage, die auch noch auf Französisch sind, die ewig gleich bleibende Diskussion über den Tod mit Patrick, das alles ist anstrengend und ich war froh mal eine Woche „nur“ das Kulturprogramm meiner Mutter machen zu können.

Das schöne daran mit meinen Eltern Urlaub zu machen ist a) natürlich, dass sie alles bezahlen, aber b) dass sie wirklich viel wissen und sich über alles informieren. Meine Mutter kam mit einem Stapel an Papier an, man hätte denken können, sie hat das halbe Internet ausgedruckt.

Und auch, wenn es mich mein ganzes Leben immer genervt hat, lerne ich es so langsam zu schätzen, dass sie jeden Reiseführer und jede Internetseite nach Geheimtipps durchforstet und mich in jedes Museum und jede Kirche zerrt. Ein Stück Normalität nach dem ganzen Chaos der letzten zwei Jahre.

Und, sehr wichtig zu betonen, in Paris war ich zum ersten Mal seit Corona wieder im Theater. Eine große Leidenschaft von mir sind Musicals, deswegen war es wirklich etwas besonderes König der Löwen in Paris zu sehen.

Nach Paris machten wir noch einen kurzen Abstecher nach Avignon, bevor es am 13.11. wieder zurück zur Arbeit ging. 

Caro, Janne und ich

Zu meiner Freude gab es, wenn auch nur für kurze Zeit, eine zweite deutsche Freiwillige in meiner Arche. Caro, die in „Les Fontaines“ arbeitete, etwa 15 Minuten mit dem Auto entfernt und glücklicherweise an den gleichen Tagen wie ich Wochenende hatte.

Am 20. November machten wir einen Ausflug nach Montpeiller, um dort Janne, die deutsche Freiwillige von der Arche in Montpellier zu treffen.

 

Ganze 6 Tage später machten Caro und ich einen Ausflug nach Avignon, wo ich mich mittlerweile ein bisschen auskenne. Und blieben bis zur Eröffnung des Weihnachtsmarktes, um dann mit einem Glühwein wieder zurück nach Hause zu fahren.

Heute ist der 27.12. und ich habe zum zweiten Mal Urlaub. Aus dem ursprünglichen Plan Silvester in Frankreich zu feiern wurde zwar leider nichts, dafür sitze ich gerade im Zug nach Hause um meine Familie zu sehen und Silvester in Deutschland zu feiern.

Ein bisschen schade finde ich es schon, von 16°C und Sonne zu 0°C und Regen zu fahren, aber auch, wenn sich die Coronalage wieder verschärft und ich eine Einreiseanmeldung brauche um überhaupt einreisen zu dürfen, freue ich mich auf eine Woche, in der jetzt schon jeder Tag verplant ist.

Im nächsten Rundbrief gehts um Weihnachten, das Vegansein und Corona,

Bleibt gesund und lasst Euch boostern,

Nelly