Litauen: 4. Rundbrief von Judith Nick

Viskas.

Labas, labas, liebe Rundbrief-Leser:innen, 

Viskas, das hier ist mein letzter Rundbrief aus Litauen. In ein paar Tagen werde ich die Heimreise nach Deutschland antreten, der ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegenblicke (weinend unter anderem, weil ich (mal wieder) Ewigkeiten unterwegs sein werde, 25 Stunden insgesamt…). 

Ein guter Zeitpunkt, um die letzten paar Monate noch einmal Revue passieren zu lassen:

Mokykla: Die Kolping-Maus-Erfahrung, Ende des Schuljahrs & Sommercamp

Irgendwann im Mai/Juni kam so langsam die Sonne öfters mal hervor, alles wurde grün und auf einmal konnte man endlich ohne die Winterjacke draußen herumlaufen (ja, ich habe meine Winterjacke bin Mai benutzt…). Sprich, es wurde langsam aber sicher Sommer.  

Brotbacken in Prienai

Das bedeutete auch, dass sich das Schuljahr dem Ende zuneigte, weswegen wir fast jede Woche einen Ausflug machten. Auf vielen war ich leider nicht dabei, da ich mich wegen meinem Bein immer noch schonen musste, aber bei ein paar bin ich dann doch mitgefahren, wie zum Beispiel nach Prienai: Dort haben wir traditionelles litauisches Brot gebacken wie die litauischen „močiūtės“ (Großmütter) auf dem Dorf („kaimas“). Am Ende durfte jede:r sein eigenes Brot mit nach Hause nehmen und mit der Familie essen (da meine WG nur aus Lena und mir besteht, hatten wir SEHR lange Brot). Außerdem sind wir kurz vor dem  Ende des Schuljahres mit der ganzen Schule nach Vilnius gefahren, wo wir ein bisschen Sightseeing gemacht haben und Pfannkuchen essen waren. Lustig an diesem Ausflug war, dass Lena und ich uns tatsächlich besser in Vilnius auskannten als alle anderen, weswegen wir die Gruppe durch Vilnius geführt haben statt den Lehrerinnen.  

Ich als orangene Maus

Im Mai fand außerdem der Geburtstag von Kaunas statt, der dieses Jahr wegen der Kulturhauptstadt besonders groß gefeiert wurde, unter anderem mit einem großen „Nachbarschaftsfest“ auf der Laisvės alėja, der großen Fußgängerzone von Kaunas. Dabei waren die ganze Straße entlang viele Tische mit kostenlosem Essen, kleine Bühnen für Schauspieler:innen und Musiker:innen und Stände von Organisationen und Firmen aus Kaunas aufgebaut. Kolping hatte natürlich auch einen Stand, unter anderem um Werbung für die Schule zu machen. In dieser „Werbekampagne“ spielte ich die Hauptrolle, ich hatte nämlich die Ehre, der „Kolpingiukas“ zu sein (eine riesige orangene Maus) und damit über die Laisvės alėja zu laufen. Sagen wir, es war eine sehr … interessante Erfahrung.  

Durch die ganzen Ausflüge vergingen die letzten Schulwochen wie im Flug und so war am 23. Juni auch schon der letzte Schultag. An diesem fand für die Schüler:innen kein Unterricht statt, stattdessen haben wir Filme geschaut, Tanzchoreos eingeübt und aufgeführt zu Songs von „The Roop“ und die Schüler:innen erhielten ihre Zeugnisse und Auszeichnungen für ihr Verhalten im vergangenen Schuljahr. Danach fand noch eine kleine Feier statt, die die Eltern organisiert hatten, zunächst im Gebäude von Kolping und danach bei einem Picknick im Santaka-Park, was bei dem wunderschönen Wetter eine richtig coole Idee war.  

Sommercamp

Da die Sommerferien in Litauen unglaublich lang sind, insgesamt zweieinhalb Monate, gibt es viele Angebote für Sommercamps, um die Schulkinder während der Ferien zu betreuen. Auch die Kolping-Grundschule hat im Juli für zwei Wochen ein solches Camp angeboten, welches unter dem Thema „kulturelle Verständigung“ stand. Das Camp war ein Angebot sowohl für die Schüler:innen der Grundschule als auch für die Schüler:innen der neuen ukrainischen Kolping-Schule. 

Meine Aufgabe war hauptsächlich ein kleiner Deutsch-Klub, bei dem ich ein bisschen Deutsch unterrichten sollte. Außerdem habe ich zusammen mit Lena eine Aktivität mit „deutschen Spielen und Tänzen“ organisiert, wobei wir „Ente Ente Fuchs“ gespielt haben und das Fliegerlied getanzt haben. 

An einem Tag haben wir mit der ganzen Gruppe einen Ausflug nach Trakai unternommen (das war mein viertes Mal in Trakai…), wo wir die Burg erkundet haben.  

Nach dem Sommercamp durfte ich noch für zwei Wochen im Kolping-Kindergarten mithelfen, da es in der Schule wegen der Sommerferien nichts mehr für mich zu tun gab. Dort war ich hauptsächlich mit dem Basteln von Dekoration für die Jahresabschlussfeier beschäftigt. Außerdem durfte ich an der besagten Feier Kinder schminken, was ich zum allerersten Mal gemacht habe. Das hat überraschenderweise echt viel Spaß gemacht. 🙂 

 

Eurovision Intense

ESC mit den Freiwilligen

Im Mai fand außerdem ein für viele Litauer:innen sehr bedeutendes Event statt: Der Eurovision Song Contest. Ich glaube, ich habe noch nie in meinem Leben den ESC so zelebriert wie in diesem Jahr… Netterweise waren wir alle bei der Chefin einer Freiwilligen eingeladen, um den ESC gemeinsam zu schauen. Dabei sollte jede:r ein für das eigene Land typisches Gericht mitbringen und etwas in den Landesfarben anziehen. Lena und ich haben uns für Käsespätzle mit Röstzwiebeln und deutschen Wein entschieden, was richtig lecker war und gar nicht so schwer zuzubereiten (hat aber ganz schön lange gedauert). An dem Abend haben wir außerdem noch ein Quiz über die Geschichte des ESC veranstaltet, bei dem ich leider krachend gescheitert bin, da ich nach Lena Meyer-Landrut leider das Interesse am ESC verloren und folglich keine Ahnung hatte. 

Insgesamt war es einfach ein mega schöner Abend mit einem verdienten Sieger (trotz des traurigen Ergebnisses Deutschlands, wegen dem wir von allen mitleidig belächelt oder schadenfroh ausgelacht wurden). 

Joninės: Keine Nacht für Niemand

Der erste Ferientag, der 24. Juni, ist gleichzeitig der wichtigste Feiertag Litauens: „Joninės“, zu Deutsch „das Johannisfest“. In der Nacht vom 23. auf den 24. Juni wird die Sommersonnenwende gefeiert, denn es ist die kürzeste Nacht des Jahres. Um diese Nacht ranken sich viele Mythen, beispielsweise sollen in dieser Nacht Tiere sprechen können und es soll eine Farnblüte geben, die jemandem, der sie im Wald findet, für das Jahr Glück bringen soll. Außerdem werden Blumenkränze geflochten, die um Mitternacht ins Wasser geschmissen werden. Auch dies soll Glück bringen. Am wichtigsten ist aber, dass man in der Nacht kein Auge zutut und am besten die ganze Nacht bis zum Sonnenaufgang durchtanzt. 

Ich bin für Joninės zusammen mit Lena nach Kernavė gefahren. Kernavė war die allererste Hauptstadt Litauens (vor Trakai und Vilnius), dort befand sich früher die Burg der litauischen Fürsten.  Heutzutage sind davon nur noch die Burghügel zu sehen, was aber trotzdem sehr beeindruckend ist. 

Joninės inklusive Blumenkranz

Da es nahezu unmöglich ist, mit Öffis nach Kernavė zu fahren, wurden wir von Gerdas Schwester Kristina nach Kernavė mitgenommen (Gerda ist eine ehemalige Erzieherin im Kolping-Kindergarten, die ich in meiner ersten Woche in Litauen kennengelernt habe). Nach einigen Zwischenstopps in Kristinas Landhaus, an einer Trinkwasserquelle und einem Feld mit Kornblumen sind wir gegen Abend in Kernavė angekommen, wo Kristina und Gerda Bekannte hatten, bei denen wir für die Nacht untergekommen sind. Lena und ich sind dann sogleich losgezogen, denn in Kernavė fand zur Feier ein großer Markt mit typischen litauischen Dingen statt: Essen, Kunsthandwerk, und für mich am wichtigsten: Blumenkränze. Ich habe mir natürlich einen gekauft! 

Lagerfeuer in Kernavė

Danach haben wir uns mit unseren Freund:innen getroffen, die auch nach Kernavė gekommen waren und haben uns an eins der vielen Lagerfeuer in der Nähe des Flusses gesetzt. Um Mitternacht haben wir gemäß der Tradition unsere Blumenkränze ins Wasser geworfen, genau wie tausende andere Menschen. Manche haben auch Kerzen an den Kränzen befestigt, sodass man die Kränze in der Dunkelheit davonreiten sah. Für mich war das alles einfach nur magisch. 

Gegen drei Uhr nachts sind Lena und ich zu Gerdas Bekannten zurückgekehrt, wo wir am Lagerfeuer bei Würstchen auf den Sonnenaufgang gewartet haben und traditionelle litauische Lieder (sogenannte „Sutartinės“) gesungen haben. Die Sonne ging tatsächlich schon um halb fünf auf, um fünf Uhr war es dann schon taghell. Da wir nun endlich schlafen konnten, haben wir uns noch für zwei drei Stunden auf’s Ohr gehauen. Allerdings haben wir dummerweise nicht mal an Schlafsäcke gedacht, weswegen wir im Wohnzimmer auf unseren Jacken schlafen mussten. Angenehm ist was anderes, aber wir waren so fertig, dass uns sowieso alles egal war. 

Am nächsten Tag sind wir nach einem stattlichen Frühstück noch mit Gerdas Bekannten an einen See zum Schwimmen gefahren. Danach waren wir noch ein bisschen wandern, wobei wir Walderdbeeren und vierblättrige Kleeblätter gefunden haben. 

Ich glaube, Joninės war mein absolutes Highlight in diesem Jahr.  

O mes prie jūros: Sommerurlaub am Meer

Sonnenuntergang in Palanga

Im Sommer fährt gefühlt ganz Litauen an die Ostsee (auch wenn es mittlerweile wohl billiger ist, Urlaub in der Türkei zu machen, als in den litauischen Strandorten), und so auch wir: Das erste Mal am Meer waren wir Mitte Juni, kurz vor Ende des Schuljahrs. Großer Fehler, denn gutes Strandwetter ist was anderes: Es war kalt und windig und baden konnte man auch nicht.  Stattdessen lagen wir mit fünf Schichten Klamotten (kein Witz!) am Strand und haben versucht, die einzigen zwei Sonnenstunden des Wochenendes zu genießen. Immerhin gab es einen schönen Sonnenuntergang (siehe Bild). Fazit: Die ideale Zeit für  Urlaub am Meer ist NICHT Juni, sondern besser Juli oder August. Im August wurde es tatsächlich auch richtig heiß, wir hatten einen Monat lang hohe Temperaturen um 30 Grad, also ideal für einen Urlaub am Meer. 

Meine Freund:innen und ich in Nida

Sommerurlaub Nummer zwei folgte dann Mitte August, als meine Mutter und ich zwei Wochen lang Urlaub an der litauischen Küste machten. Dabei waren wir erst in Klaipėda und dann in Šilutė, wo wir eine Vogelinsel an der russischen Grenze besuchten und über einen nicht sonderlich breiten Fluss nach Russland schauen konnten. Die zweite Woche unseres Urlaubs haben wir in Nida verbracht, meiner Meinung nach der schönste litauisch Küstenort (Nida ist ein kleines Fischerdorf auf der Kurischen Nehrung mit malerischen Stränden). Wir waren oft am Strand, auf der berühmten Düne Nidas, auf dem Leuchtturm und wir haben einen Ausflug nach Juodkrantė, einem anderen Küstenort mit einem „Hexenberg“, gemacht. Außerdem haben mich meine Freund:innen für einen Tag besucht, was auch sehr cool war.  

Viso gero, Lietuva… 

Die letzten beiden Wochen habe ich größtenteils damit verbracht, alle meine Lieblingsplätze in Kaunas zu besuchen. Außerdem habe ich versucht, möglichst viel Zeit mit meinen Freund:innen zu verbringen. Von ihnen ist mir der Abschied am schwersten gefallen, da sie mir über das Jahr unglaublich an’s Herz gewachsen sind. Sie haben mich am Tag meiner Abfahrt sogar alle gemeinsam zum Bus gebracht, was mich sehr gefreut hat. 

Kaunas hat sich von mir – typisch – mit einem Regenschauer und einem wunderschönen Regenbogen verabschiedet:  

Viso, Kaunas!

Hier noch ein paar Fotos zum Schluss:

Burghügel in Kernavė um 5 Uhr morgens
Klaipėda am Abend
mein litauisches Lieblingsgericht: Šaltibarščiai
Geburtstagsfeier mit den Freiwilligen 🙂