Malawi: 1. Rundbrief von Thomas Wilson

Erster Rundbrief aus Malawi

– Ich sitze mit den Lehrern der MOET – School in einem der älteren und nicht genutzten Klassenräume, der als Lehrerzimmer umfunktioniert wurde. Es ist Lunchbreak und wir sitzen alle beisammen auf dem Boden und essen. Warum auf dem Boden? Das wusste an dem Tag keiner so richtig, die Stühle wurden wohl anderweitig verwendet, sind aber mittlerweile wieder da.

Um mich herum tobt eine wilde Diskussion auf Chichewa, es wird viel gelacht und die Stimmung ist einfach super.

Obwohl ich mit meinen bisherigen Kenntnissen des Chichewa nicht mehr als ein paar Wortfetzen verstehe und die Übersetzungen ins Englische heute mager ausfallen, muss ich grinsen wie ein Wahnsinniger. Ich kann nicht anders als auch guter Stimmung zu sein und mitzulachen, weniger über die Erzählungen meiner Kollegen, als über die Situation als solche. –

In manchen Momenten wirft es mich einfach, auch nach mittlerweile drei Monaten, noch komplett raus und ich kann es gar nicht richtig fassen, wo ich gerade lebe, und vor allem, was ich auch alles erleben darf! Aber fangen wir doch erst einmal von vorne an.

Hallo ihr Lieben !

Jetzt ist es also soweit. Ich schreibe meinen ersten Rundbrief und versuche irgendwie meine bisherigen Eindrücke und Erfahrungen zu sammeln und „aufs Papier“ zu bringen. Gar nicht so einfach wie gedacht, denn wie soll ich aus der Fülle von Eindrücken diejenigen auswählen, die meine erste Zeit hier, aber zwangsläufig auch ein Stück weit das Land Malawi, am besten beschreiben?

Es ist mir unmöglich euch von absolut allem zu erzählen und genauso unmöglich ist es eine objektive Sicht auf Malawi zu geben. Schließlich geht es um meine persönlichen Erfahrungen und Eindrücke. Das wollte ich doch noch einmal anmerken, bevor es dann jetzt auch richtig los geht.

Meine Anreise

Am ersten August startet also mein Freiwilligendienst und ich mache mich von Frankfurt aus auf den Weg nach Lilongwe, der Hauptstadt von Malawi. Planmäßig mit einem Zwischenstopp in Adidas Ababa, Äthiopien. Allerdings erfahre ich erst hier, dass mein Flug wohl noch einen weiteren Zwischenstopp hat. So geht es für mich erst einmal weiter nach Lumumbashi in der Demokratischen Republik Kongo. Hier stehen wir dann eine gefühlte Ewigkeit einfach auf dem Rollfeld, während um uns herum Traktoren über den Flughafen fahren und Gepäck transportieren. Rückblickend weiß ich gar nicht mehr so genau wie lange dieser Stopp gedauert hat, aber in dem Moment hat es sich einfach unglaublich lang angefühlt. Auf meine Frage warum wir eigentlich hier nur rumstehen und wann es denn weitergeht, bekomme ich dann als Antwort, dass ein Reifen am Flugzeug gewechselt wird und wir wohl noch auf einige andere Passagiere warten müssen. Vor allem der erste Teil dieser Antwort wirkt nicht gerade beruhigend.

Mit leichter Verspätung kommen wir dann doch sicher in Lilongwe am Kamuzu International Airport an. Ich werde von meinem Projektleiter Patterson  abgeholt und gemeinsam treten wir die Fahrt nach Mangochi, einem etwas weiter im Süden liegenden Distrikt von Malawi, an. Obwol wir nur knapp 240 Kilometer Strecke zurücklegen, fühlt auch diese Fahrt sich endlos an. Wahrscheinlich aufgrund der Tatsache, dass es inzwischen ziemlich dunkel geworden ist und so sehe ich bei der ersten Fahrt durch mein Gastland erst einmal fast nichts. Meine allerersten Eindrücke von Malawi sind: Die Sonne geht um ungefähr sechs Uhr abends unter und nachts ist es aufgrund mangelnder Beleuchtung tatsächlich sehr dunkel . Dennoch sind allerhand Menschen auf der Straße unterwegs, die meisten scheinbar problemlos zu Fuß oder auf dem Fahrrad. Direkt am ersten Abend ist mir ziemlich nach Weinen zumute. Ich bin tatsächlich gerade in meinem neuen Zuhause für das kommende Jahr angekommen, nach fast einem Tag Anreise und einem halben Jahr an Vorbereitung. Einfach ein unfassbar tolles Gefühl auf der einen Seite, jedoch realisiere ich auch erst jetzt den Abschied von meinen Freunden und vor allem meiner Familie. So nutze ich die Zeit vor dem Schlafen im Bett für ein paar Tränchen.

Die erste Zeit im Projekt

Da ich mitten in den Schulferien in Malawi angekommen bin, war meine erste Zeit eher entspannt. Ich hatte genug Zeit mich mit den Räumlichkeiten der Schule vertraut zu machen und verbrachte einen Großteil der Zeit in der Bücherei. Dort habe ich gleich mehrere Bücher gefunden, mit deren Hilfe ich versucht habe mir in den ersten Tagen ein paar Kenntnisse des Chichewa anzueignen, was sich jedoch als gar nicht so einfach herausstellte. Mittlerweile habe ich den Aufbau der Sprache einigermaßen verstanden und verstehe vor allem beim Lesen schon das ein oder andere Wort, aber vom Sprechen fühle ich mich noch weit entfernt. Die etwas ausführlicheren Begrüßungsfloskeln sitzen und auch auf dem Markt komme ich ab und zu schon nur mit Chichewa zurecht, jedoch schaffe ich es nicht eigene Sätze zu bilden und auch an meiner Aussprache muss ich wohl noch arbeiten.

Ansonsten habe ich in der Sommerschule, die für die höheren Schuljahrgänge als Vorbereitung auf die Secondary School dient, zusammen mit einem Lehrer Englisch unterrichten dürfen und gemeinsam mit drei Freiwilligen aus Spanien am Nachmittag Sportkurse angeboten.

Die drei Spanier waren für drei Wochen da und wir haben gemeinsam im selben Haus gelebt. Mir hat das so ganz am Anfang meiner Zeit hier sehr gut getan, mehr als Gruppe unterwegs zu sein, da man als Weißer in der Öffentlichkeit schon ziemlich viel Aufmerksamkeit bekommt und ich mich daran erst einmal gewöhnen musste. Mittlerweile bin ich zwar schon etwas bekannter hier im Dorf, aber vor allem kleine Kinder höre ich noch oft „Azungu“ ( Weißer) rufen, sobald ich auf meinem Fahrrad vorbei fahre. Außerdem waren die Jungen aus Spanien viel unternehmungslustiger als ich und so habe ich mich ihren Plänen ein wenig anschließen können.Gemeinsam haben wir im Liwonde Nationalpark eine Safari gemacht und waren ein Wochenende in Cape Maclear, einem etwas touristischer geprägten Ort mit unfassbar schönem Strand.

 

Tag der Deutschen Einheit

Ein ziemliches Highlight war auch der Tag der Deutschen Einheit. Ich muss gestehen, Zuhause in Deutschland nie ein wirklich besonderer Tag für mich, aber hier in Malawi lädt der deutsche Botschafter zu diesem Anlass in seine Residenz in Lilongwe ein.

Für mich eine wirklich aufregende Sache, denn zum ersten mal benutze ich die öffentlichen Verkehrsmittel auch über eine längere Strecke. So stehe ich am dritten Oktober morgens um fünf am Straßenrand und warte auf einen Minibus in Richtung Hauptstadt. Keine zehn Minuten später sitze ich im Bus und erreiche um neun Uhr Lilongwe. Dort angekommen haut mich das Chaos am Busbahnhof erst einmal ziemlich um. Auch überfordern mich die ganzen Menschen um mich herum und generell das Gefühl, in einer Großstadt zu sein. Ich lebe ansonsten hier doch eher ländlich, fällt mir in diesem Moment auf. Ich mache mich auf die Suche nach einer Herberge und ergötze mich auf dem Weg dorthin an einem der wirklich sehr gut geführten Supermärkte der Hauptstadt. Endlich bei einer kurzen Pause im Bett liegend, kommen die ersten Zweifel auf. Die Residenz des Botschafters liegt auf der komplett anderen Seite der Stadt und ich habe noch keine Ahnung wie ich dort hin kommen soll, geschweige denn abends wieder zurück.

Doch es wäre nicht Malawi, wenn es nicht für alles irgendwie eine Lösung gäbe. Und so lerne ich noch in der Unterkunft eine weitere Deutsche kennen, zwar ohne Einladung zu besagter Party, aber sie kenne da noch wen anders, der da auch hin wolle und überhaupt, das mit der Einladung sei kein Problem, denn: „ Gerade heute können die mich als Ostdeutsche nicht vor der Tür stehen lassen.“.

Erst beim Einlass wird mir dann richtig klar wie offiziell die ganze Veranstaltung werden wird und ich entscheide mich dazu, mein Hemd jetzt doch in die Hose zu stecken. Mit den ganzen Anzugträgern um mich herum kann ich natürlich nicht mithalten, aber was soll’s. Der deutsche Botschafter und auch der Außenminister von Malawi halten beide eine kleine Ansprache, eine Militärkapelle spielt die Nationalhymnen und schon ist der „offizielle“ Teil vorbei. Irgendwie stelle ich fest, dass es mir etwas schwerer fällt mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen, obwohl wir doch theoretisch die gleiche Sprache sprechen. Auf der Straße geht das sonst irgendwie immer so einfach.

Dennoch ein wirklich absolut toller Abend mit vielen neuen Bekanntschaften und interessanten Gesprächen, aber vor allem auch mit deutschem Essen. Zwar aus der Großküche, aber eine schöne Abwechlung.

So das war es dann erst einmal. Im nächsten Rundbrief werde ich euch ausführlicher aus meinem Alltag hier an der Schule berichten und erzählen was ich sonst so jenseits des Schulalltags treibe.

Ich hoffe, ich konnte euch einige meiner ersten Eindrücke etwas näher bringen und ihr hattet Spaß beim Lesen. Habt ihr Fragen, Wünsche oder Anmerkungen? Gerne stehe ich per Email oder auch auf Whatsapp zur Verfügung!

Liebe Grüße aus Malawi,

Thomas