Anders und doch gleich
In Gesellschaft zu sein ist ein tolles Gefühl. Vor allem in Gesellschaft von Freunden oder Familie. Man fühlt sich verstanden, in Sicherheit und unterhalten. Auch wenn ich es genieße ab und zu alleine zu sein, freue ich mich, wenn ich etwas mit jemandem unternehmen kann. Ich bin dankbar dafür eine so tolle Familie und gute Freunde zu haben. Doch hier in Uganda kann das nicht jeder von sich behaupten. Viele haben mit Sachen wie HIV, früher Schwangerschaft, Malaria, Missbrauch oder anderem zu kämpfen. Das ist auch der Grund warum Somero Uganda gegründet wurde. Um solchen Leuten zu helfen eine bessere Zukunft zu haben.
Jedoch kenne ich auch viele, die noch nichts mit all dem zu tun hatten und man deswegen diese Probleme nicht auf alle Ugander übertragen kann. In letzter Zeit ist einiges passiert und mir sind manche Dinge aufgefallen, die ich in meinem Rundbrief mit euch teilen will.
Zwischenseminar in Rwanda
Im Februar hatten wir unser 5-tägiges Zwischenseminar in dem Ort Kibeho in Ruanda. Dafür mussten ich und Kati mit dem Bus nach Kigali fahren, wo wir die anderen Freiwilligen trafen und am 16.02. zusammen per Bus 6 Stunden nach Kibeho fuhren. Schon als wir ankamen merkten wir, dass es wesentlich kälter als der Rest von Rwanda war und es regnete an den Tagen sehr oft. Dementsprechend hatte ich auch so oft wie schon lange nicht mehr lange Kleidung an. Wir waren insgesamt 9 Freiwillige aus Rwanda, Uganda und Tansania und zwei Betreuerinnen. Untergebracht waren wir bei den Pallottinerinnen im Gästehaus. Jeder von uns bekam ein Einzelzimmer mit Doppelbett, eigenem Bad und warmem Wasser, was für mich Luxus war. Aber nicht nur unsere Zimmer haben mir gefallen, auch das Essen war total lecker und viel zu viel. Zumindest habe ich immer zu viel gegessen, sodass ich mich fast jeden Tag wie aufgebläht fühlte. Mir ist dort wieder richtig aufgefallen, dass ich unter Deutschen war, denn obwohl ich immer pünktlich auf die Minute kam, war ich trotzdem die Letzte.
Im Seminar haben wir Themen wie Leben im Gastland, Problembewältigung, Abschied und Ankunft in Deutschland behandelt. Zudem machten wir einen Ausflug zur Teefabrik und zur Heiligen Quelle und gingen einmal in den Gottesdienst. Im Allgemeinen hat mir das Seminar wirklich etwas gebracht und es hat richtig Spaß gemacht. Ich hätte noch länger dort bleiben können.
Am 20.02. sind wir wieder zurück nach Kigali gefahren, wo sich unsere Wege wieder trennten. Aber nicht von allen denn wir blieben noch die restliche Woche in Rwanda. In der Zeit besuchten wir Felix in Nyarurema und lernten auch mal das Landleben in Rwanda kennen. Wir schliefen bei Felix im Haus und wahrlich wohnt er im Paradies. Um das Haus ist ein riesiger schöner Garten, indem alles Mögliche von Physalis über Mango bis Karotten angebaut wird. Wir schauten uns die Schule an, in der er beschäftigt ist und gingen auf den Markt, um Lebensmittel für unser selbstgekochtes Mittagessen zu kaufen. Das Lustige war, dass sobald wir an einem Stand etwas kaufen wollten eine Menge Menschen kam, sich um uns versammelten und uns neugierig zuguckten. Die Leute waren es einfach nicht gewohnt so viele Weiße auf einmal auf dem Markt zu sehen. Samstagabend fuhren Kati und ich wieder zurück nach Uganda. Obwohl ich es dort echt genossen habe mit der vielen Natur, war ich dann trotzdem froh wieder in meinem kleinen Zimmer mitten in der lauten Stadt zu sein.
Kindergarten und Graduation
In meinem Projekt hat sich ein wenig geändert. Und zwar wurde renoviert und mit dem ECD Unterricht (Early Childhood Development) angefangen. Es werden also jetzt auch Kinder von 3 bis 7 Jahren hier unterrichtet, was Eltern mit finanziellen Schwierigkeiten hilft ihre Kinder zum Kindergarten zu schicken, wo sie erste englische Wörter lernen. Dadurch ist es dann morgens etwas lauter und bewegter und auch vor meinem Zimmer, wo jetzt eine Rutsche und ein Trampolin stehen, tut sich jetzt mehr. Mit dem MSD-Club läuft es eigentlich auch ganz gut. Es kommen immer mehr Schüler, da sich der Club langsam rumspricht und auch mein Sprachunterricht wird jetzt mehr besucht. Generell kann man sagen, dass es mit Somero Uganda aufwärts geht.
Am Freitag den 01.03. habe ich auch zum ersten Mal eine Graduation(Ausbildungsabschluss) hier bei Somero mitbekommen, bei der ich auch den Schülern, die an meinem Sprachunterricht teilgenommen haben, ein Zertifikat überreichte. Für die Graduation wurden große Zelte aufgebaut und darunter bestuhlt. Es wurden Reden gehalten, Zertifikate überreicht und Modeschau sowie Tänze vorgeführt. Das Programm fing 2 Stunden später an als geplant, da die meisten Graduenten und Gäste noch nicht da waren. Um circa 6 Uhr löste sich die Feier auf, aber davor wurde ich auch noch auf die Tanzfläche gezogen und musste eine Tanzeinlage zum Besten geben.
Am nächsten Tag gingen wir von Somero aus zum Strand, um dort den Abschluss der Schüler etwas zu feiern. Wir gingen zum Lido Strand am Victoriasee. Schon außerhalb konnte man die Musik hören. Also hier in Kampala habe ich noch nicht so oft einen Ort gefunden, an dem keine Musik läuft. Der Strand war ganz ok. Das Wasser war zwar sehr dreckig, aber ich konnte es mir nicht verkneifen ins Wasser zu gehen. Das war so ziemlich das erste Mal seit ich hier in Uganda bin, dass ich geschwommen bin. Tief war das Wasser nicht, nicht einmal an der Grenze. Man konnte überall stehen. Das liegt daran, dass die meisten hier nicht schwimmen können. Dementsprechend waren die Leute dann auch so fasziniert als sie mich schwimmen sahen. Ich finde das einfach nur erschreckend. Für uns ist es selbstverständlich schwimmen zu können. Mir ist das noch nie so bewusst geworden, dass uns so ein großer Vorteil quasi in die Wiege gelegt wurde. Da die Mehrheit hier in Uganda diesen Vorteil nicht hat, sind auch so viele im Victoriasee ertrunken als am 14.November 2018 ein Partyboot umkippte. Deswegen will ich unbedingt etwas daran ändern. Und zwar habe ich meinem Chef vorgeschlagen mit den Schülern zum Pool zu gehen, um ihnen das Schwimmen beizubringen. Die Idee kam sehr gut an, auch meine Kollegen sind sehr motiviert mitzumachen. Ich hoffe daraus wird etwas.
Familiensituation
In der Zwischenzeit hat es wieder angefangen zu regnen und ich genieße diese Zeit wirklich. Es ist eine Abwechslung zu den heißen, sonnigen Tagen. Nichts desto trotz bin ich jeden Tag sehr beschäftigt, ob in Somero oder mit Freunden. Letztens habe ich zum Beispiel wieder eine gute Freundin in Matugga besucht, die mich mit zu ihren Schwestern und Vater brachte. Insgesamt hat sie 10 Schwestern und 2 Brüder. Die Familien hier sind im Allgemeinen etwas größer und Kinder zu haben ist für viele Leute sehr wichtig. Es ist etwas gesellschaftlich Wichtiges, denn Erwachsene ohne Kinder werden schon komisch angeguckt und hinterfragt. Deshalb ist es auch keine Seltenheit, dass viele nur mit einem Elternteil aufwachsen, da sich die Eltern getrennt haben. Ich habe auch von vielen mitbekommen, dass sie gar nicht bei ihren Eltern, sondern bei Verwandten wohnen, da die Eltern gestorben sind oder wegen anderen Umständen. Es ist also sehr oft der Fall, dass Kinder nicht beide ihrer Elternteile kennen. Ein weiterer Grund dafür kann eine frühe Schwangerschaft sein. Besonders in den Slums und auf dem Land haben die Leute nicht die Mittel oder Bildung, um Verhütungsmittel zu kaufen. Deshalb sind hier in Somero auch viele Schüler mit eigenen Kindern. Hier in Kampala sammeln sich generell Menschen aus allen Ecken aus Uganda und daran merkt man noch einmal, dass Kampala die Hauptstadt ist.
Die Rolle der Frau
Auf jeden Fall, habe ich auf dem Rückweg von der Familie meiner Freundin das erste Mal einen weiblichen conductor (Die Person, die Leute fürs Taxi anwirbt, die Leute aus- und einsteigen lässt und das Geld einsammelt) gesehen, was mich sehr überrascht und gefreut hat. Hier in Uganda ist es in vielen Regionen Brauch, dass Frauen weniger dürfen als Männer und es ist Tradition, dass sie sich um die Kinder und den Haushalt kümmern. Zum Beispiel dürfen Frauen in manchen Stämmen keine Eier oder Huhn essen. Es wird auch gesagt, dass Mädchen, die schon ihre Menstruation haben nicht auf Bäume klettern sollen, da sie dadurch den Baum unfruchtbar machen und verderben. Es gehört sich auch, vor allem für Frauen, vor älteren und Respektpersonen zu knien. Auf dem Land auf einer Hochzeit konnte ich beobachten, dass die Braut kniete als sie die Geschenke empfing und auch als sie ihren Bräutigam mit dem Hochzeitskuchen fütterte. Auch wenn es so klingt als würden die Frauen etwas unterdrückt werden ist es doch Fakt, dass in den meisten Haushalten die Frauen die Hosen anhaben. Jedoch nicht in allen, denn es gibt leider auch Familien, in denen Gewalt zum Tagesablauf gehört. Nicht nur Gewalt gegen die Frauen, sondern auch gegen die Kinder. Hier ist es normal seinem Kind ein paar Schläge zu verpassen, wenn es etwas angestellt hat. Auch in vielen Schulen haben die Lehrer Rohrstöcke, um die Schüler zu bestrafen. Doch nichts desto trotz kann ich auch schon Veränderungen in der Einstellung und der Handlung der Leute gegenüber den Unterschieden der Geschlechterrollen erkennen.
Die Menschen hier sind zudem auch sehr diskutierfreudig und können Stunden über ein Thema diskutieren. Diese Charaktereigenschaft ist wahrscheinlich auch einer der Gründe warum viele grundsätzlich zu spät kommen oder ich in einer Sprachstunde nicht so weit mit den Schülern komme. Jedoch heißt das für mich auch, dass die Leute ihre eigenen Meinungen haben, sie auch vertreten und dass die Schüler sich bemühen alles zu verstehen.
All das zeigt mir noch einmal wie verschieden die Kulturen sein können, vor allem hinsichtlich der Rolle der Frau. Den Frauen hier macht es nichts aus sich hinzuknien, da sie damit aufgewachsen sind. Ich hingegen habe es am Anfang fast schon als eine Beleidigung gesehen und empfand es als Unrecht und Sexismus. So würde glaube ich jeder Deutsche denken. Da ich jetzt schon mehr als ein halbes Jahr
hier verbracht habe, fühle ich mich nicht mehr angegriffen davon und akzeptiere, dass es hier zur Kultur gehört. Meine Akzeptanz bedeutet aber nicht automatisch, dass ich mich auch hinknie. Allgemein gelten hier in Kampala nicht so strenge Traditionen wie auf dem Land. Da ich weißhäutig bin, bieten die Leute mir eher einen Stuhl an, als dass ich mich hinknien muss. Viele sind auch überrascht, wenn sie sehen, dass ich kochen, putzen, waschen oder selbst knien kann. Es herrscht das Vorurteil, dass weiße Personen alles wissen und für alles Maschinen oder Angestellte benutzen. Dieses Vorurteil basiert natürlich wieder auf der Ansicht, dass alle Weißen reich sind. Ich weiß nicht wie vielen Personen ich schon erklären musste, dass Weiße auch nur Menschen sind und dieselben Sachen tun müssen wie dunkelhäutige Personen und nicht für alles Maschinen haben. Trotzdem steckt schon ein Funken Wahrheit dahinter, denn ich habe noch keinen hier kennengelernt, der eine Wasch- oder Spülmaschine besitzt. Die Kinder hier müssen auch schon sehr früh Verantwortung für ihre kleinen Geschwister oder den Haushalt übernehmen. Das heißt viele lernen früh zu kochen oder zu putzen während in Deutschland manche Erwachsene immer noch nicht wissen wie man kocht. Wenn ich dann an meine Kindheit denke, hätte sie nicht unbeschwerter sein können und darüber bin ich dankbar.
Ich war letztens das erste Mal so richtig krank. Ich hatte eine Lebensmittelvergiftung und bin ins Krankenhaus, um mir etwas verschreiben zu lassen. In den Tagen, an denen ich krank war und mich so richtig mies fühlte, dachte ich mal wieder sehr oft an Zuhause. Aber immerhin kommen mich meine Eltern bald besuchen, worauf ich mich riesig freue. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass sich mein Friedensdienst dem Ende zuneigt. Die Zeit ging so schnell vorbei. Doch bis es soweit ist genieße ich so gut wie möglich die besonderen Dinge hier in Uganda.
Bis dahin wünsche ich euch sonnige Grüße aus Uganda
Eure Janine