3. Rundbrief Brasilien, Florian Bömer

Liebe Freunde, liebe Familie, liebe Unterstützer meines Freiwilligen Sozialen Jahres,

gezwungenermaßen habe ich viel Zeit bekommen diesen dritten Rundbrief zu schreiben, denn in den letzten Wochen litt ich unter Dengue-Fieber, einer tropischen Krankheit, von der sich der Körper nur langsam erholt. Ein positiver Nebeneffekt ist: Ich habe viel Zeit mir die spannenden Reisen, Erlebnisse sowie den Alltag meines Freiwilligendienstes in Brasilien in Erinnerung zu rufen und die letzten vier Monate in diesem Rundbrief mit euch zu teilen.

Während der Projektferien, die bis Mitte Februar andauerten planten Nico, ein anderer deutscher Freiwilliger aus einer anderen Stadt  des Nordostens, und ich eine Reise, die wir vor und nach dem Zwischenseminar unserer Organisation in Salvador unternahmen.

Anfang Januar fuhren wir knapp zwei volle Tage mit dem Bus über Teresina, der Hauptstadt des Bundesstaates Piaui und über Salvador bis zu einem Nationalpark im Bundesstaat Bahia, der sich Chapada Diamantina nennt. In der Stadt Lencois angekommen, die früher ein Zentrum für Diamantensucher war, trafen wir auf zwei weitere deutsche Freiwillige, die ihren Freiwilligendienst in einem kleinen Dorf im Amazonas leisten. Ohne viel im Voraus geplant zu haben unternahmen wir Touren zu gigantischen Wasserfällen, Tropfsteinhöhlen und wunderschönen Orten des Gebirges.

Wir Freiwillige im Nationalpark Chapada Diamantina.
Atemberaubende Orte!

 

 

 

 

 

Wir hörten von einer mehrtägigen Wanderung durch das Gebirge, die man zusammen mit einem Guide unternehmen kann, und so begann unser Abenteuer.  Mit einem Rucksack auf dem Rücken betraten wir nach einer zweistündigen Anfahrt mit dem Auto das Gebirge, in welchem es neben kleinen Wanderpfaden keinen anderen Zugang gibt. Die Ausblicke auf die mit Urwald gesäumten Täler und die grün bewaldeten Berge waren gigantisch und belohnten die anspruchsvollen Wanderrouten. In den beiden Nächten im Park übernachteten wir in Häusern von einheimischen Familien, die mitten in der Natur leben. Tagsüber erkletterten wir Berge, wanderten durch den Urwald und mein absolutes Highlight war, als wir am Rand eines Tales ankamen, in welches ein dreihundert Meter tiefer Wasserfall stürzte. Lange lagen wir am Rand der Klippe und ließen unseren Blick auf das endlos weite, bewaldete Tal schweifen, aus welchem tausende bunte Schmetterlinge vom Wind nach oben getragen wurden. Die Woche ging sehr schnell vorbei und mir wurde deutlich, wie vielfältig die brasilianische Natur ist. Zufrieden stiegen wir in den Bus, der uns zum Zwischenseminar in Salvador bringen sollte.

Die deutschen Freiwilligen beim Zwischenseminar in Salvador.

Acht Tage verbrachten wir in einem Schwesternhaus, etwas außerhalb von Salvador, das direkt an einem fantastischen Strand lag. Die Zeit des Seminars wurde intensiv genutzt, die vergangen Monate zusammen mit fünfzehn weiteren deutschen Freiwilligen, die in ganz Brasilien verteilt sind, zu reflektieren, Lösungen für schwierige Situationen zu suchen und neue Ideen für die weitere Arbeit in den jeweiligen Projekten zu finden. Ich persönlich konnte viele wichtige Erkenntnisse für mich gewinnen und hörte viele spannende Geschichten der anderen Freiwilligen.

In der Freizeit genossen wir den wunderschönen Strand aber auch die für den Karneval berühmte Stadt Salvador mit einer sehr bunten Innenstadt, die Samba-Musik und das lebendige Leben in den Gassen.

Der Christus in Rio.

Nach dem Seminar, begann der Teil der Reise, der bei uns drei Freiwilligen, Anna, Nico und mir, ein Kribbeln der Vorfreude  auslöste.  Als ich im Flugzeug nach Rio de Janeiro saß, konnte ich es noch immer nicht realisieren, gleich in der weltbekannten Stadt anzukommen. Die Eindrücke der Stadt, die von krassen Gegensätzen zwischen den Favelas und auf der anderen Seite extrem reichen Vierteln geprägt ist und in welcher zahlreiche Strände wie die Copacabana oder Ipanema, sowie beeindruckende  Berge, wie der Zuckerhut oder der Cocorvado mit der Jesusstatue eng beisammen liegen, beeindruckten mich von der ersten Sekunde an. Acht Tage erkundeten wir Rio, sahen ein Fußballspiel der Flamengos im weltberühmten Maracana  Stadion, genossen die Ausblicke auf die Stadt, besuchten Museen, erlebten die berühmten Samba-Feste auf den Straßen der Stadt und machten eine Tour in eine Favela.

Eine Favela in Rio de Janeiro.
Mitfiebern im Maracana Staduion.

Letzteres hinterließ einen sehr starken Eindruck bei mir und mir wurde bewusst, dass die Realität sowie  die Chancen vieler Menschen ganz anders aussehen und dass jeder Tag auch eine Frage der Existenz bedeuten kann. Nach knapp einem Monat Reise, in welchem wir etliche Male auf die gefährliche Sicherheitslage aufmerksam gemacht wurden, kamen wir unbeschadet und mit tausenden neuen Erfahrungen zurück in unseren Einsatzstelle an.

Der Tag meiner Ankunft war gleichzeitig auch mein 20. Geburtstag, sodass ich am darauffolgenden Wochenende eine Feier im Haus meiner Gastfamilie organisierte. Es war für alles gesorgt. So hatte ich neben Getränken und Essen auch für einen typisch brasilianischen, großen Geburtstagskuchen mit Aufschrift gesorgt. Ich war sehr glücklich, dass so viele Freunde und Bekannte zu der Feier kamen und mir wurde deutlich, wie viele und wie verschiedene Menschen ich aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten in der ersten Hälfte meiner Zeit in Brasilien kennengelernt hatte.

Nach einer relativ langen Zeit ohne feste Arbeitszeiten, hatte ich nun viel Energie geschöpft, neuen Tätigkeiten nachzugehen. Jedoch war das soziale Projekt mit den Kindern noch immer geschlossen und so entschied ich mich dazu zwei Wochen ein Praktikum in einer Nachhilfeschule zu machen. Die Schule wird von einer Bekannten von mir  geleitet, die mir diesen spannenden Einblick ermöglichte.  Ich half vor allem beim Englischunterricht mit und eignete mir einige Unterrichtsmethoden der Lehrer dort an, die mir nun in der Projektarbeit mit den Kindern weiterhelfen.

Ebenfalls begann ich mit einem  mittlerweile sehr guten Freund, Basketball zu spielen und regelmäßig am Training teilzunehmen. Vor ein paar Jahren hatte er die Idee, in einem ärmeren Stadtviertel Basketballtraining anzubieten und deshalb startete er ein Projekt. Mittlerweile gibt es Einige, die sich engagieren und zum Beispiel für Sportausrüstung sorgen. Auch ich trainiere nun einmal in der Woche Kinder, was mir sehr viel Spaß macht, da das Team meines Erachtens schon große Vorschritte gemacht hat.

Wie auch schon einige andere Vorfreiwillige aus Deutschland arbeite ich ab und zu in einem Nutzgarten, der zu einer Kirchengemeinde  in Parnaiba gehört. Für mich ist es immer wieder spannend, die vielen einheimischen Gemüse- und Obstsorten kennenzulernen und etwas über die Anbaumethoden zu lernen. Gerne würde ich noch mehr Zeit in landwirtschaftlichen Projekten verbringen.

Die Projektarbeit mit den Kindern.

Als endlich wieder das Projeto Social ein paar Wochen vor Karneval begann, stellte ich fest, dass durch eine neue Altersbeschränkung in einigen Projekten nur noch ein Drittel der Kinder aus dem vorherigen Jahr vertreten waren. Meine Aufgaben im Projekt sind weitestgehend die gleichen, hinzu kam nur, dass ich nun auch Blockflötenunterricht gebe. So quietschen oder mittlerweile musizieren  die Kinder zum Beispiel die Melodie von „Freude schöner Götterfunken“. Ich war überrascht, wie schwierig es vielen Kindern fiel, ein Gefühl für Musik zu entwickeln, doch nach anfänglicher Skepsis wollen nun immer mehr Kinder an meinem Flötenunterricht  teilnehmen. Dabei muss ich erwähnen, dass ich selbst vollkommener Laie bin und selbst erst einmal üben musste, da ich seit dem Kindergarten keine Blockflöte mehr in der Hand habe und nur Klarinette spiele.

Unterbrochen wurde die Projektarbeit, von dem für sehr viele Brasilianer wichtigsten Fest des Jahres. Ich selbst komme ja aus dem Rheinland und bin auch mit dem jährlichen Karneval aufgewachsen, jedoch ist der Karneval hier eine ganz andere Erfahrung. Allein schon wegen der tropischen Temperaturen sind die Kostüme und die Kleidung viel freizügiger, aber auch die Tänze und die Ausgelassenheit sind ganz anders. Ich selbst feierte den Karneval  in Luis Correia, einem kleinen Ort am Strand. Dort traten viele bekannte brasilianische Musiker auf und Leute aus ganz Brasilien reisten an, um das Spektakel zu erleben. Ich übernachtete mit ungefähr 20 Leuten in einem Haus von einem Freund, das nah an dem Festgelände liegt. Im Nordosten Brasiliens ist es typisch, das jeder seine Hängematte mitbringt und nachts darin schläft. Jedoch wäre es falsch zu sagen, dass die Feierlustigen nachts schliefen, denn die Feste beginnen hier normalerweise relativ spät, werden dafür aber erst vom Sonnenaufgang beendet. Auch die starken Regenschauer hielten die wenigsten davon ab weiter zu feiern. Tagsüber ruhen sich alle etwas aus, gehen an den Strand, der in diesen Tagen voller Menschen ist und wo auch schon einige kleinere Feste im Gange sind, bevor es dann abends wieder zur Feier geht. Nach vier Tagen der Feier fuhr ich sehr übermüdet, aber jetzt mit etwas brasilianischem Rhythmusgefühl ausgestattet, zurück nach Parnaiba.

Wie in den vorherigen Berichten beschrieben, begleite ich jeden Sonntag  Padre Henrique, der verantwortlich für die deutschen Freiwilligen ist, auf die verschiedenen Inseln des Flussdeltas  zur Messe. Jedes Mal kommt es zu interessanten Begegnungen oder ich lerne etwas über die brasilianische Kultur. Sehr spannend war es, mit nach Teresina, der Hauptstadt des Bundesstaates Piaui zu fahren, in der esvon der Temperatur noch wesentlich heißer ist als die Küstenstadt Parnaiba. In Teresina lernte ich das Priesterseminar kennen, in welchem Padre Henrique Unterricht gibt.

In diesem Jahr, so erzählen es alle Leute aus Parnaiba, ist die stärkste Regenzeit seit mehr als fünf Jahren. So passiert es in den letzten zwei Monaten sehr oft, dass ein starker Regen, so wie ich ihn in Deutschland noch nie gesehen habe, in wenigen Minuten die Straßen knietief unter Wasser setzt.Einige Stadtbewohner fahren aus Spaß mit dem Kanu durch die Stadt oder schwimmen vor ihrem Haus. Doch der starke Regen bringt auch viele Probleme mit sich. So sind vor allem auf der Ilha Grande, einer Gemeinde auf einer Deltainsel, aber auch an vielen anderen Orten in der ganzen Stadt, zahlreiche Familien durch die Überschwemmungen obdachlos, und sie müssen ihre überschwemmten Häuser zurücklassen. Padre Henrique bringt momentan etliche Familien seiner Gemeinde in

Noch etwas angeschlagen vom Dengue-Fieber im Krankenhaus.

Unterkünften der Kirche unter und es werden regelmäßig Hilfspakete verteilt. Ich selbst habe an den Hilfsaktionen teilgenommen und Lebensmittel an die vielen Familien verteilt. Das Wasser zerstört nicht nur die größtenteils sehr einfachen Häuser, sondern führt auch dazu, dass sich Krankheiten rasch ausbreiten. So verbreiten sich schnell viele Mücken in den stehenden Gewässern und einige von ihnen übertragen Krankheiten.

So passierte es, dass ich eines Morgens aufwachte, sehr hohes Fieber hatte und extreme Übelkeit verspürte. Ein paar Tage später stellte der Arzt Dengue-Fieber fest und schickte mich ins Krankenhaus. Eine Woche blieb ich dort und überstand die unterschiedlichen Phasen der Erkrankung. Ich bin extrem dankbar für alle, die sich intensiv um mich gekümmert haben und alle Freunde, die mir Kraft geschenkt haben. Mittlerweile habe ich mich von der tropischen Krankheit sehr gut erholt und bin wieder ganz fit.

In meinem Freiwilligendienst, durch die Reisen und im Alltag in Brasilien habe ich so vielseitige Erfahrungen sammeln können. Während ich in diesem Rundbrief ein paar der vielen Erlebnisse mit euch teile, wird mir bewusst wie wertvoll dieses Jahr in Brasilien für mich ist. An dieser Stelle möchte ich Euch allen herzlich für die Unterstützung und jegliches Interesse an meinem Freiwilligendienst danken!  Für Rückfragen stehe ich Euch gerne zur Verfügung!

Mit herzlichen Grüßen aus Brasilien

Florian