Uganda: 3.Rundbrief von Katarina Alsbach

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freunde, Verwandte und Interessierte,

„Und doch sind nun schon 3 Monate seit dem Tag vergangen, an dem ich in Düsseldorf in den Flieger gestiegen bin, voller Vorfreude, Angst, Abschiedsschmerz und Aufregung.“ Mit diesen Worten habe ich damals meinen ersten Rundbrief begonnen und wie im Handumdrehen sind aus 3 Monaten plötzlich 11 geworden. Es gibt Tage, an denen sitze ich in meinem Zimmer und habe das Gefühl, die Zeit steht still, doch plötzlich schaue ich nach vorne und sehe, dass nur noch 2 Monate vor mir liegen. Wo ist die Zeit hin, wo ist dieses Jahr hin und wie kann es sein, dass diese Aufgabe, auf die wir Freiwilligen uns über ein halbes Jahr lang vorbereitet haben, sich nun dem Ende zuneigt?

Doch wenn ich genauer hinschaue und durch die Seiten meines Kalenders und des sich immer weiter füllenden Tagebuchs blättere, dann sehe ich wo die Zeit hin ist, was doch alles geschehen ist und was die Zeit in Uganda schon alles mit mir gemacht hat. Bevor ich also zu sehr in die Zukunft schaue, möchte ich erstmal damit anfangen, euch zu berichten, was die letzten Monate so passiert ist, da es wieder einiges war.

Ein Erlebnis, das die Zeit von März bis Juli für mich sehr geprägt hat, waren die Osterfeiertage. Die Osterzeit wurde, wie auch bei uns, mit dem Gottesdienst am Aschermittwoch und der darauffolgenden Fastenzeit eingeläutet. Die Sisters kündigten an, sie würden nun bis Ostern sehr enthaltsam leben, dennoch habe ich sie hin und wieder dabei erwischt, wie sie sich ein Stück Schokolade, oder einen Schluck Wein am Abend genehmigt haben. Nonnen sind ja schließlich auch nur Menschen ?

Die einzigen Unterschiede, die mir während der Fastenzeit im Zusammenleben mit den Schwestern aufgefallen sind, waren, dass sie häufiger, intensiver (und meines Erachtens nach lauter) gebetet haben. Auch in der Kirche haben ein paar Veränderungen stattgefunden. So wurden, wie auch bei uns in Deutschland, das Kreuz, sowie Bilder auf denen Jesus abgebildet ist, mit Tüchern abgehangen, und während der Fastenzeit verschwanden alle Instrumente, wie Trommeln, Rasseln und das Keyboard aus der Kirche, sodass nur der Chor für Musik sorgte. Die tatsächlichen Osterfeiertage begannen dann am Palmsonntag. Hier fand eine Prozession statt, bei welcher die Gemeinde mit Palmzweigen ausgestattet am Gesundheitszentrum startete und von dort aus in die Kirche ging, wo ein großer und feierlicher Gottesdienst abgehalten wurde. Da ich zu dem Zeitpunkt gesundheitlich leider nicht auf der Höhe war und krank im Bett lag, konnte ich leider nicht an der Prozession teilnehmen, den fröhlichen Gesang der Gemeinde hörte ich aber trotzdem bis in mein Zimmer.

So richtig ging es für mich dann also am Gründonnerstag los, welcher bereits einen der einprägsamsten Tage darstellte. Am späten Nachmittag versammelte sich die Gemeinde in der Kirche, um dort Gottesdienst zu feiern, und dem letzten Abendmahl zu gedenken. Ein für mich neues Bild ergab sich bereits beim Einzug des Priesters, als dieser sich vor dem Altar auf den Boden legte und diesen küsste. Die Stimmung war von Anfang an anders, als in den „normalen“ Gottesdiensten und man merkte den Menschen an, wie besonders dieser Tag für sie ist. Nachdem sich der erste Teil des Gottesdienstes wie gewohnt abspielte, fand etwas sehr Besonderes anstelle der Gabenbereitung und der Ausgabe der Kommunion statt. Der Priester entnahm das Gefäß, in welchem die Hostien aufbewahrt werden aus dem Tabernakel und die ganze Kirche kniete sich hin. Daraufhin kamen die Schwestern und Messdiener, welche Kerzen trugen, an den Altar und begleiteten den Priester aus der Kirche hinaus. Die ganze Gemeinde folgte ihnen, und so gingen wir gesammelt in den Konvent (Das Haus in dem die Schwestern und ich wohnen), wo der Priester das Gefäß in die Kapelle brachte. Die Gemeinde kniete sich erneut hin, und es herrschte eine seltsame, bedrückte Stimmung, welche auch auf mich eine sehr beklemmende und traurige Wirkung hatte. Nachdem gemeinsam ein Gebet gesprochen wurde, verließen einige Gemeindemitglieder schweigend den Konvent, andere blieben in der Kapelle, um dort zu beten, womit der Gottesdienst beendet war. Den ganzen Abend über verhielten sich die Schwestern sehr andächtig, waren in sich gekehrt und kaum jemand sprach ein Wort. Im weiteren Verlauf des Abends und bis spät in die Nacht kamen kleine Gruppen von Schülern, Lehrern und anderen Gemeindemitgliedern in die Kapelle, um dort sogenannte „Adorations“ abzuhalten. Hierbei vertiefen sich die Menschen unheimlich stark in ihre Gebete. Anfangs beten oder singen sie gemeinsam, was sich aber immer mehr verläuft und bei den meisten darin endet, dass sie laut weinen, schluchzen oder schreien. Für mich war das ganze sehr ungewohnt, da ich es noch nie erlebt habe, dass Menschen sich so sehr in ihrem Glauben fallen lassen können. Ich hatte das Gefühl, ihnen förmlich anzumerken, wie sehr sie bei dem Gedanken daran, dass heute das letzte Abendmahl stattgefunden hat, Leid und Trauer gespürt haben und wie sie zu tiefst mit Jesus gelitten haben.

Der Karfreitag begann klassisch mit dem Kreuzweg, den einige Schüler und Gemeindemitglieder zusammen mit den Priestern und Schwestern gingen. Da ich zwar auf dem Weg der Besserung war, aber mich immer noch nicht komplett erholt hatte, beschloss ich jedoch zuhause zu bleiben, was sich auch als weise Entscheidung herausstellte. Die Gemeinde ging von Ococia ca. 2 ½ km nach Orungo, wobei die Teilnehmer abwechselnd ein großes Holzkreuz trugen und immer wieder Halt machten, um den verschiedenen Stationen des Leidenswegs Jesu zu gedenken. So waren sie ca. 3 Stunden in der prallen Sonne unterwegs, weshalb ich doch ganz froh darüber war, im Bett geblieben zu sein. Im Anschluss an den Kreuzweg fand dann mittags erneut eine Messe statt, an der ich dann auch teilnahm. Der besondere Part hierbei war, dass vor dem Altar ein großer Teppich lag, auf dem ein Kreuz stand. Nach und nach sind die Menschen dann nach vorne gegangen und haben sich jeweils zu zweit vor das Kreuz gekniet, sich verbeugt, ein Kreuzzeichen gemacht und die Jesus Figur berührt. Auch dies war für mich eine neue Erfahrung. Da ich dieses Ritual vorher noch nie gesehen habe, wirkte es auf mich etwas befremdlich und ich wusste nicht recht, wie ich mich „richtig“ verhalten sollte.

Am Samstagmorgen war von der Trauer der vorherigen Tage bereits nur noch wenig zu spüren, denn die meisten waren schon von der Vorfreude auf den anstehenden Abend erfüllt. Tagsüber waren unsere Köchinnen wieder eifrig mit Vorbereitungen beschäftigt, kochten fürs Abendessen und schmückten den Konvent mit Girlanden und Blumen. Den ganzen Tag über trafen bereits Menschen für den Gottesdienst in Ococia ein und warteten gespannt auf den Abend. Als dann endlich die Glocken zur abendlichen Messe läuteten, war bereits eine große Menschenmenge vor der Kirche versammelt, da der Gottesdienst draußen begann. Zuerst zündete der Priester das Osterfeuer vor der Kirche an, mit dem er auch die Osterkerze anmachte und dann den Einzug in die Kirche begann. So voll wie an diesem Abend habe ich die Kirche noch nie gesehen. Kinder saßen auf dem Boden, jede Bankreihe war vollgequetscht und einige mussten sogar außerhalb der Kirche stehen oder sitzen. Erst fanden für eine lange Zeit nur Lesungen aus der Bibel statt bis der Priester schließlich ankündigte, dass der Chor nun das erste Lied singen dürfe. Vom ersten Ton an standen alle Menschen auf, stimmten ein und begannen laut zu singen, zu klatschen und zu tanzen. Als dann schließlich all die Jesus Figuren und Bilder, welche während der Fastenzeit durch Tücher verdeckt waren, enthüllt wurden, gab es für die meisten kein Halten mehr. Die Menschen waren so von Freude und Begeisterung ergriffen, dass viele von ihnen sich auf die Bänke stellten, wild klatschten und tanzten und ein typisches „Eieieieieiei“ riefen, was hier während des Gottesdienstes ein Ausdruck von Freude und Glück ist. Im weiteren Verlauf des Gottesdienstes geschah erneut etwas, das ich so noch nie gesehen habe. Insgesamt wurden an diesem Abend sage und schreibe 150 Kinder und Jugendliche getauft und haben ihre Erstkommunion gefeiert. Bis alle an der Reihe waren hat das ganze mindestens eine Stunde gedauert, währenddessen die Gemeinde eifrig weitergesungen und getanzt hat. Schließlich wurde die Schale mit den Hostien, welche am Donnerstagabend aus der Kirche getragen wurde, wieder zurückgebracht, womit die Begeisterung der Menschen ihren Höhepunkt fand. Nach ganzen 4 ½ Stunden Gottesdienst, sprach der Priester dann (das von mir lang ersehnte) Schlusswort und wünschte allen frohe Ostern. Der Abend endete mit einem großen gemeinsamen Abendessen im Konvent. Erleichtert, die Messe überstanden zu haben und mit ein wenig Sorge darüber, wie lange wohl der Gottesdienst am Sonntagmorgen gehen wird, fiel ich dann endlich erschöpft, aber auch fasziniert von dem feierlichen Abend ins Bett.

Die beiden darauffolgenden Tage gestalteten sich recht ähnlich und so ging es am Ostersonntag und -montag noch einmal morgens zum Gottesdienst in die Kirche. Der Nachmittag wurde dann damit verbracht, gemütlich beisammen zu sitzen, wobei über die Tage verteilt immer wieder verschiedene Bewohner Ococias in den Konvent kamen, um uns frohe Ostern zu wünschen und gemeinsam bei einer Tasse Tee zu plaudern. Zum Abschluss luden die Schwestern am Montagabend die Priester und die Bewohner des Pfarrhauses ein, um uns beim Abendessen Gesellschaft zu leisten. Wie üblich wenn die Priester eingeladen sind, wurde besonders viel aufgetischt und nachdem wir den ganzen Nachmittag mit kochen und vorbereiten beschäftigt waren, gab es abends dann ein großes Festessen inklusive Atapa (klebriger Brei aus Hirse), Reis, Pommes, Matooke (Kochbanane), reichlich Gemüse und 3 verschiedenen Sorten Fleisch, was hier etwas sehr Besonderes ist. Ausreichend Getränke durften natürlich auch nicht fehlen und so verbrachten wir den Abend damit, gemeinsam zu essen und zu trinken, zu singen, erzählen, lachen und zu tanzen.

Abschließend kann ich sagen, dass ich Ostern 2019 so intensiv erlebt habe, wie noch nie zuvor in Deutschland, allein schon dadurch, dass ich zusammengerechnet von Gründonnerstag bis Ostermontag ganze 13 Stunden in der Kirche gesessen habe. Auch wenn man bei uns an Ostern im Gottesdienst daran erinnert wird, warum dieses Fest gefeiert wird und welche Bedeutung dahintersteckt, verbinde ich Ostern zuhause doch überwiegend mit Osterhasen, Eiern und Schokolade, und weniger mit dem Tod und der Auferstehung Jesu. Die einzelnen Feiertage und deren Bedeutung habe ich dieses Jahr das erste Mal wirklich bewusst wahrgenommen und mich durch die vielen Gottesdienste und Rituale viel intensiver damit auseinandergesetzt, was der Bibel nach an diesen Tagen passiert ist. Während ich es zuhause an Ostern vor allem genieße Zeit mit meiner Familie zu verbringen und beisammen zu sein, war es diese Ostern sehr interessant zu sehen, wie die Menschen hier das Fest der Auferstehung feiern. Was mir am meisten in Erinnerung geblieben ist, ist die Emotionalität der Menschen, von Trauer und Leid, über Hoffnung bis hin zu purer Freude, Begeisterung und Glück.

Ein Highlight in der letzten Schulwoche: Mit den Kindern Marshmallows am Lagerfeuer rösten

Nachdem ich die Ostertage also gut überstanden habe und endlich wieder richtig gesund war, ging es dann nochmal für eine Woche in die Schule, in der die Abschlussprüfungen und Zeugnisausgaben anstanden, bevor dann die 1-monatigen Ferien starteten.

Zusammen mit meinen Eltern & Ansprechpartnern vor Ort in Ococia V.l.n.r.: Alfred, meine Mutter, Truus, Ich & mein Vater

 

 

 

Mit den Ferien stand für mich auch schon das nächste Highlight an, da ich in diesem Zeitraum Besuch von meiner Familie bekam. Es war unheimlich schön alle nach fast 9 Monaten wiederzusehen, in die Arme zu schließen und gemeinsam Zeit zu verbringen. Nachdem wir ein paar entspannte Tage in Entebbe verbracht haben, ging es dann zusammen ins Projekt nach Ococia, da es mir ein wichtiges Anliegen war, meiner Familie zu zeigen, wie mein Zuhause in Uganda aussieht und ich ihnen natürlich all die lieben Menschen, mit denen ich die letzten 9 Monate verbracht habe, vorstellen wollte. Es war unheimlich schön zu sehen, wie herzlich die Schwestern alle willkommen geheißen haben und wie viel Mühe sie sich gemacht haben, damit sie sich so Wohl wie möglich fühlen.

Mit meinen Eltern am Äquator

Außerdem war es auch nochmal sehr interessant, vieles aus der Sicht von jemandem zu sehen, für den hier alles noch neu und ungewohnt ist, wobei mir erneut aufgefallen ist, wie gut ich mich hier eingelebt habe und meinen Platz gefunden habe. Neben dem Besuch im Projekt, habe ich es vor allem sehr genossen einfach den normalen „Alltag“ gemeinsam zu verbringen.

Über den Dächern Kampalas mit meinem Bruder

Vermeidliche Kleinigkeiten, wie gemeinsam Frühstücken, abends beim Kartenspielen zusammenzusitzen, oder zur Abwechslung mal in echt und nicht durchs Telefon über Gott und die Welt zu reden, waren sehr schön und so konnte ich während der Zeit nochmal Kraft für die letzten Monate tanken. Es ist unheimlich wertvoll, Menschen in seinem Leben zu haben, die einem so nahestehen, dass man sich auch nach 9 Monaten getrennt sein, gleich wieder vertraut ist und sich wohl und geborgen fühlt.

Während ich diese Zeilen schreibe, sind es noch genau 2 Monate bis ich wieder Zuhause in Deutschland bin, was ich im Moment noch gar nicht so recht begreifen kann. Ich freue mich, auf die Wochen, die mir noch bleiben und versuche nochmal alles so intensiv wie möglich wahrzunehmen, genieße es wie „angekommen“ ich mittlerweile bin, und versuche trotzdem mit den Augen eines Neuankömmlings durch den Tag zu gehen, um vieles was schon normal geworden ist, erneut zu schätzen und mich daran zu erfreuen.

Den nächsten Brief werde ich vermutlich schreiben, wenn ich schon wieder in Deutschland bin, bis dahin wünsche ich euch alles Gute und hoffe, es geht euch gut und ihr könnt den heißen Sommer genießen.

Vielen Dank fürs Lesen!

Beste Grüße, eure Katarina