Bolivien – 3. Rundbrief von Katharina Conrad

Hola und eine Portion Sonnenschein aus Santa Cruz de la Sierra, Bolivien ?

Liebe Leser meines Rundbriefes,

ich freue mich, dass ihr alle wieder den Weg hierher gefunden habt und immer noch mitverfolgt, wie hier in Bolivien mein Leben abläuft und was ich alles in meinem Projekt, dem Kindergarten „Zentrum Nazareth“ aber natürlich auch außerhalb erlebe. Ohne es wirklich wahrzunehmen, sind schon wieder einige Monate verstrichen und über die Hälfte meiner Zeit hier in Bolivien ist schon vorbei. Deshalb ist es wieder Mal an der Zeit, euch ein kleines Update von mir zu geben.

Die Lamas sagen hallo ?

Eine Reise quer durch Bolivien

Gestartet hat mein Jahr 2023 nach ein paar ruhigen Tagen mit dem Plan, Bolivien und alles, was es zu bieten hat, kennenzulernen. In unseren Projekten sind wir nämlich doch ziemlich platzgebunden, was natürlich auch schön ist, da wir so alles bis ins kleinste Detail kennenlernen, was unser vorübergehender Wohnort für uns zu bieten hat. Aber Bolivien ist so vielseitig und von so vielen unterschiedlichen Landschaften, Traditionen und Bräuchen geprägt, sodass in uns Freiwilligen natürlich die Lust geweckt wird ALLES kennenzulernen. So viel wie möglich von diesen uns unbekannten Dingen wollen wir in uns aufzusaugen und im Gedächtnis behalten. Deshalb haben wir uns dann Anfang Januar auf eine Reise begeben, auf der wir unglaublich viele Orte kennenzulernen durften und viel erlebt und gesehen haben. Angefangen hat unsere Reise in La Paz, von wo aus wir uns auf den Weg zum Titicacasee und die in seiner Mitte liegenden „Isla del Sol“ (Insel der Sonne) gemacht haben. Unser nächstes Ziel war die Stadt Uyuni und die dazugehörige Salzwüste, die für mich definitiv das Highlight der ganzen Reise war. Allein der Anblick war wirklich atemberaubend und man hat sich kurz gefragt, wie so ein Ort tatsächlich existieren kann. Danach sind wir auch schon zum letzten Ziel unserer Reise gefahren: Sucre, die offizielle Hauptstadt Boliviens, auch wenn sie lange nicht so groß ist wie zum Beispiel La Paz oder Santa Cruz. Berühmt ist Sucre einerseits für seine weißen Häuser im Zentrum und anderseits für Schokolade, wovon wir uns natürlich selbst überzeugt haben. Nachdem ich mit den anderen Freiwilligen ein paar entspannte Tage in Sucre verbracht hatte, haben wir uns dann wieder auf die Heimreise in unsere jeweiligen Städte und Projekte begeben. Für uns Freiwilligen war es natürlich wieder ein tolles Erlebnis, so viel reisen zu können, aber natürlich muss man sich gleichzeitig auch vor Augen halten, dass wir selbst in diesem Sinne ziemlich privilegiert sind. Denn für die Mehrheit der Bolivianer ist es nicht möglich, zu reisen, geschweige denn wie wir in nur einem Jahr so viel von Bolivien zu sehen. Denn von vielen meiner Freunde und Kollegen weiß ich, dass sie nur Santa Cruz und vielleicht noch ein paar kleine Städte drumherum kennen, aber sonst noch nie in ihrem Leben die Möglichkeit hatten, andere Teile ihres eigenen Landes kennenzulernen.

Eine unglaubliche Landschaft Boliviens – Salar de Uyuni

UNESCO Weltkulturerbe in Oruro: Karneval

Mit Anfang des neuen Schuljahres hier in Bolivien habe ich auch im Februar wieder meine Arbeit im Projekt begonnen, wo einige Änderungen in meiner Nachmittagsgruppe stattfanden, da ich zwei neue Kolleginnen bekam und auch einige Kinder die Gruppe verlassen haben, dafür aber auch neue dazu gekommen sind. Geprägt sind meine Nachmittage dann durch Helfen bei Mathe-oder Textverständnisaufgaben aber auch von lustigen Gesprächen und schönen Momenten, wenn die Kinder dann fertig mit ihren Aufgaben sind und im Park spielen dürfen. In der zweiten Hälfte des Februars stand dann auch schon wieder Karneval an, weshalb wir in der Woche davor auch mit den Kindern Masken gebastelt und kleine Spiele gespielt haben. Für den Karneval selbst bin ich aber nach Oruro gefahren, da diese Stadt berühmt für ihren großen und besonders schönen Karneval ist und dieser sogar auch UNESCO Weltkulturerbe ist. Also ein Ereignis, das ich mir nicht entgehen lassen wollte. Anders als in Deutschland sind die zwei Haupt-Karnevalstage in Oruro Samstag und Sonntag und so haben wir das Wochenende dort verbracht. Schon von Weitem hat man die fröhliche Musik mit dem Trommelschlagen gehört und als ich mich dann endlich auf meinem Platz auf einem der Ränge, die entlang der Straße aufgebaut worden waren, eingefunden hatte, konnte ich nur staunen. Vor mir tanzten Menschen in unglaublich schönen und aufwendigen Kostümen vorbei, jede Gruppe mit ihrer eigenen Kapelle, die sogar manchmal größer war als die eigentliche Gruppe an Tänzern. Passend zur Musik bewegten sich die Gruppen dann tanzend die Straße entlang und präsentierten dadurch ihre Region und ihre Kultur. Denn es traten Gruppen aus allen Winkeln Boliviens auf und so gab es Gruppen mit Bärenkostümen zu sehen, andere stellten bestimmte Geister oder mystische Wesen dar und wieder andere waren als antike KriegerInnen verkleidet. Man konnte sich also gar nicht sattsehen an dem Spektakel, das einem präsentiert wurde. Von morgens an ging der Umzug den ganzen Tag und sogar noch bis in die frühen Morgenstunden, so viele Gruppen kamen nach Oruro. Für mich hat es sich auf jeden Fall sehr gelohnt, diese doch etwas andere Art von Karneval mitzuerleben und so habe ich einige schöne Tage dort verbracht.

Carnaval in Oruro

Zwischenseminar in Cochabamba

Kurz nach Karneval fand dann auch schon unser Zwischenseminar in Cochabamba statt, wo ich und die anderen Freiwilligen uns eine Woche lang mit unserem bisherigen Freiwilligendienst und unserer Zeit in Bolivien beschäftigt haben. Um uns richtig auf all das konzentrieren zu können, waren wir in einem Seminar-Haus ein bisschen außerhalb von Cochabamba untergebracht, das sich wie eine richtige Ruheoase angefühlt hat. Hier haben wir uns dann mit Themen wie Rassismus, der politischen, sozialen und ökonomischen Situation hier in Bolivien, aber auch mit ganz persönlichen Themen wie unseren Zielen für das kommende halbe Jahr, dem Abschied von Bolivien und dem Wiederankommen in Deutschland beschäftigt. Außerdem hatten wir auch nochmal die Möglichkeit über eventuelle Probleme im Projekt, mit der Wohnsituation oder über auch sonst alles zu reden, was uns auf der Seele lag. Auch wurde von der Seite des Hauses alles dafür getan, damit wir Freiwilligen uns dort wohlfühlten. So wurden wir essenstechnisch richtig verwöhnt. Zum Frühstück gab es frisch gepresste Säfte und alles, was man sich nur wünschen konnte. Zum Mittag- und Abendessen wurde uns stets super leckeres (für mich vegetarisches) Essen und sogar eine Zwischenmahlzeit am Nachmittag aufgetischt. So hat es mir und den anderen in dieser Woche an nichts gefehlt. Damit wir während dem Zwischenseminar auch nicht die ganze Zeit im Haus festsitzen, stand einmal ein Ausflug in ein Naturschutzgebiet an, wo wir eine kleine Wanderung gemacht haben, während wir über eine Aufgabenstellung reflektiert haben, die uns vorher gestellt wurde. Ein anderes Mal haben wir dann abends alle zusammen einen Spaziergang gemacht, was auch nochmal sehr schön war. Insgesamt hat mir das Zwischenseminar noch einmal richtig gut getan; über Probleme zu reden und sich verstanden zu fühlen, aber auch Lösungen für diese Probleme zu finden. Warme Worte und Umarmung von meinen Mitfreiwilligen zu erhalten und mit ihnen zu plaudern und zu lachen. Die Zeit in Cochabamba hat mir wirklich das Gefühl gegeben, mit meinen Problemen nicht allein zu sein und wenigstens etwas geplant in die nächsten Monate zu starten. Zum Abschluss des Seminars wurde für uns alle noch ein besonderer kleiner Ausflug organisiert und zwar zum Wahrzeichen Cochabambas, der Christusstatue, die sogar eine der größten auf der ganzen Welt ist. Sie ragt über der ganzen Stadt auf einem Hügel inmitten von Cochabamba auf und den Aufstieg mussten wir glücklicherweise nicht zu Fuß bestreiten, sondern haben uns gemütlich vom Teleférico, einer Seilbahn, nach oben bringen lassen. Und wenn der Christo eins ist dann gewaltig. Ich habe mich richtig eingeschüchtert gefühlt, als ich am Fuß dieser etwa 40 m hohen Statue stand. Nach diesem letzten gemeinsamen Ausflug hieß es für mich und die anderen dann wieder Abschied nehmen und sich schon auf ein baldiges Wiedersehen freuen, aber erstmal stand die Rückreise in mein Projekt an und auch alle anderen sind in ihre jeweiligen Projekte zurückgekehrt.

Reflektieren im Zwischenseminar

Neuer Alltag und Vatertag

Zurück in meinem Projekt hat der Alltag wieder begonnen, aber mit einer kleinen Änderung: ich arbeite jetzt nicht mehr nur in der Nachmittagsbetreuung der Kinder der Grundschule, sondern helfe jetzt auch im Kindergarten selbst mit und zwar im Saal der 3-Jährigen. Dafür fange ich dann schon morgens um zehn Uhr an und unterstütze die Erzieherinnen bis mittags dort, danach wechsele ich dann zur Nachmittagsgruppe. Ich muss ehrlich sagen, manchmal verlangt mir die Arbeit mit den Kleinen doch einiges ab, denn mit fast 30 Kindern in diesem Alter in nur einem Raum hat man selten mal einen Moment Ruhe. Die Kleinen haben immer Energie und leben diese auch aus und haben leider auch oft irgendwelchen Unfug im Kopf, wie das halt bei Dreijährigen so ist. Deshalb heißt es, den Kindern irgendwelche Beschäftigungen zu suchen, mit denen sie eine Weile zu tun haben, damit das Ganze nicht in komplettes Chaos ausartet. So gehört es zu meinen täglichen Aufgaben mit den Kindern zu basteln, Spiele zu spielen oder zu malen. Damit die Kinder ihre Energie auch richtig rauslassen können, haben sich die Erzieher hier etwas echt Tolles ausgedacht. Oft werden nämlich interaktive Kinderlieder angemacht, zu denen die Kinder dann nach Lust und Laune singen, tanzen, hüpfen oder springen dürfen. Später am Vormittag geht es dann auch raus auf den Spielplatz, damit die Kinder sich vor dem Mittagessen so richtig austoben können. Um 12 Uhr gibt es dann für alle Kinder Mittagessen und danach beginnt für die Erzieherinnen der ruhigere Teil des Tages, da die Kinder dann Mittagsschlaf machen. Vorher werden ihnen aber erstmal die Kleider gewechselt, da diese oft durch die Hitze und das Rumtoben verschwitzt und nach dem Spielen im Park und dem Mittagessen etwas dreckig sind. Bis die Kinder dann aber wirklich alle ruhig auf den Matratzen liegen und wirklich schlafen, bedarf es einem ganz schönen Aufwand und einiger Ermahnungen, da die Kinder es verständlicherweise lustig finden, sich nach Herzenslust auf die Matratzen zu schmeißen. Aber ab etwa halb 2 sind die Kinder dann im Traumland und ich und meine Mitarbeiterinnen können zu Mittag essen, bevor ich bei der Hausaufgabenhilfe starte.

Die Kleinen beim Mittagsschlaf

Auch der Saal der 2-Jährigen und den der 4-Jährigen habe ich schon kennengelernt und dort ausgeholfen, wenn eine der anderen Erzieherinnen aufgrund von Krankheit oder anderer Gründe gefehlt hat und für mich war es schön, durch diese Gelegenheit fast alle Kinder des Kindergartens kennenzulernen und auch zu sehen wie unterschiedlich der Vormittag und das Programm je nach Altersgruppe abläuft. Langsam hatte ich mich also auch im Saal der 3-Jährigen gut eingearbeitet und es hat mir richtig Spaß gemacht. Die Kleinen sind oftmals auch schon wirklich süß und lieb und kommen zu einem gelaufen, weil sie eine Umarmung wollen und es ist für mich einfach schön zu sehen, wie die Kinder immer mehr Vertrauen zu mir fassen und sie mir gleichzeitig immer mehr ans Herz wachsen. Etwa Mitte März stand auch schon das nächste Event in unserem Kindergarten an und zwar die alljährliche Feier zum Vatertag, zu der alle Väter abends in den Kindergarten eingeladen werden. Der eigentliche Vatertag ist hier in Bolivien der 19. März, aber da dieses Datum in diesem Jahr ein Sonntag ist und dieser Tag dann auch wirklich für die Familie gedacht ist, haben wir die Feier am Freitag Abend veranstaltet. Dazu gab es für jeden Papa ein selbstgemachtes Geschenk von ihren Kindern (in Zusammenarbeit mit den Erzieherinnen) und jeder der Säle hat entweder eine kleinen Tanz vorgeführt oder ein Lied für die Väter gesungen. Natürlich gab es auch gutes Essen und einige Reden zur Bedeutung der Rolle eines Vaters. Es war ein toller Abend und für die Väter bestimmt schön, ihre eigene Feier zu haben und sich wertgeschätzt zu fühlen.

So meine Lieben, das war es auch schon wieder für den Moment. Nun bin ich schon seit mehr als sieben Monaten weg aus Deutschland und dafür in diesem aufregenden Land zu Hause. Mehr als die Hälfte habe ich schon hinter mir, aber mich erwartet noch so einiges, davon bin ich überzeugt. Natürlich werde ich alles hier in meinen Rundbriefen festhalten, sodass auch ihr diese Erfahrungen mit mir teilen könnt. Nun sage ich aber tschüss und bis zum nächsten Beitrag.