Burkina Faso: 2. Rundbrief von Judith Steinmetz

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Interessierte,

Wenn ihr diesen Rundbrief lest, ist für mich schon mehr als ein halbes Jahr in Burkina Faso vergangen. Von Langeweile kann mittlerweile echt keine Rede mehr sein, sodass ich euch viel zu berichten habe, von meinem neuen Alltag, aber auch von Festen und Feiern.

Nachdem ich in meinem letzten Rundbrief noch vom schrittweise Ankommen erzählte, ging Anfang Oktober dann meine Arbeit richtig los. Mit Beginn des neuen Schuljahres kamen auch die etwa fünfzig Mädchen aus der Umgebung von Banfora hier im Foyer an. Ihnen wäre etwa aufgrund fehlender Infrastruktur oder schwieriger Familienverhältnisse ein Schulbesuch bei Verbleib in der Familie nicht möglich. So leben sie in der Schulzeit hier im „Foyer Sainte Monique“ und besuchen die weiterführenden Schulen der Umgebung. Das heißt, sie sind zwischen zwölf und dreiundzwanzig Jahre alt, einige kommen gerade erst aus der sechsjährigen Grundschule, andere machen bald ihr Abitur. Zu Beginn empfand ich meine Rolle zwischen Autoritätsperson und Kameradin anstrengender, als ich mir das von zu Hause vorgestellt hatte. Mittlerweile kommen wir aber gut miteinander klar und ich habe die Mädchen echt lieb gewonnen.

Alltag

Um euch einen besseren Eindruck von ihrem und meinem Leben hier zu vermitteln, möchte ich euch kurz den Tagesablauf schildern: Von montags bis samstags verlassen die Mädchen bereits früh morgens das Foyer, um zur Schule zu gehen, sodass ich sie dann nicht mehr zu Gesicht bekomme. Erst mittags um zwölf Uhr haben sie Mittagspause, kommen zurück und wärmen das Essen vom Vorabend auf. Dazu muss man wissen, dass die Küche der Mädchen komplett getrennt von der der Schwestern läuft, um sie möglichst selbstständig zu erziehen. So bereitet eine täglich wechselnde Kleingruppe das Essen für alle 50 Mädchen zu. Ähnlich verhält es sich auch mit anderen Aufgaben. Nachdem alle zu Mittag gegessen und sich ausgeruht haben, geht es dann schon zurück in die Schule, da der Unterricht von 15 bis 17 Uhr weiter geht. Anschließend kehren sie erneut ins Foyer zurück, wo die Küchengruppe das Kochen übernimmt, um daraufhin das gemeinsame Abendessen einzunehmen. Um 20 Uhr beginnt meine Hauptarbeitszeit, da die Mädchen dann ihre Hausaufgaben machen oder sich auf Prüfungen vorbereiten. Zwei Stunden lang pendele ich zwischen den verschiedenen Lernräumen hin und her, beantworte Fragen, frage Stoff ab, helfe meist in den Fächern Englisch und Deutsch, bemühe mich aber auch schon mal, Mathematik auf Französisch zu erklären, und versuche, Müde und Lernunwillige doch noch zur Arbeit zu motivieren. Dies bedeutet, dass für mich mal mehr und mal weniger zu tun ist, doch ich bin immer froh, irgendwo gebraucht zu werden. Abgesehen von diesem Alltag assistiere ich zweimal die Woche nachmittags beim Computerunterricht. Zudem schließe ich die Schlafsäle der Mädchen auf und zu.

Das klingt nach viel Freizeit, da die Mädchen fast den ganzen Tag in der Schule verbringen, doch ich habe ja noch eine weitere Aufgabe: den Aufklärungsunterricht. Zu diesem fahre ich mit Sœur Pélagie und einer weiteren Frau an die Schulen der Umgebung. Leider war dies im ersten Trimester bis zu den Weihnachtsferien nicht viel möglich, da Sœur Pélagie anderweitig sehr eingespannt war. Hinzu kommt, dass burkinische Schulen viel bestreikt werden. Seien es nun die Lehrer oder die Schüler, häufiger fällt der Unterricht aus diesem Grund für einen oder mehrere Tage aus. Im Januar waren die beiden Frauen ohne mich unterwegs, doch jetzt geht es auch für mich richtig los. Daher möchte ich euch davon erst im nächsten Rundbrief berichten.

Außer den Kleinigkeiten, die natürlich immer anstehen, versuche ich zudem, mindestens einmal die Woche in einem anderen Projekt zu helfen: Vor knapp vier Jahren haben die Belgierin Irene und ihr burkinischer Mann Théo unweit vom Foyer ein Centre für Garibous gegründet. „Garibous“, Koranschüler, sind Jungen die von ihren Eltern einem Meister anvertraut werden, sei es nun aus eigener Armut oder religiösen Gründen. Bei diesem leben sie dann, studieren den Koran und werden tagsüber zum Betteln auf die Straße geschickt, wobei sie das Geld später abgeben müssen. Da sich aus diesem Alltag kaum Zukunftsperspektiven ergeben, ist das Hauptziel des Projekts die Einschulung von Garibous in die Regelschule bzw. eine Berufsausbildung, was aber, da die Meister dem eher ablehnend gegenüber stehen, sehr schwer ist. Allein in Banfora gibt es über 40 Koranschulen mit insgesamt etwa 700 Garibous. Im Centre haben sie nun dreimal die Woche morgens die Möglichkeit, sich, ihre Sammelbüchsen und ihre Kleidung zu waschen, zu spielen, sich auszutoben und etwas zu essen. Außerdem gibt es eine kleine Lerneinheit etwa in Französisch, da viele nur ihre Lokalsprache beherrschen, sie lernen, ihren Namen zu schreiben oder grundsätzliche Höflichkeitsregeln. Zugang zum Centre erhalten allerdings nur die kleinsten Garibous, die etwa zwischen sechs und dreizehn Jahre alt sind. Dies hat verschiedene Gründe: Die Jüngsten sind besonders schutzbedürftig und werden teilweise von den größeren unter Druck gesetzt. Zudem wird viel Wert auf eine persönliche Bindung zu den Jungen gelegt, was bei zu vielen nicht möglich wäre. Außerdem lässt sich das Ziel der Einschulung mit ihnen am besten verwirklichen. Auch wenn für mich nicht immer viel zu tun ist, gehe ich doch gerne ins Centre, da ich mich freue zu sehen, wie viel Spaß die Jungen haben, mit ihnen etwas aus Bauklötzen baue und mich einfach gut mit den anderen Helfern unterhalte. Im Dezember gab es die alljährliche Weihnachtsfeier, zu der alle Garibous eingeladen waren, sodass insgesamt 133 Jungen ihren Spaß bei Film, Musik, Spielen, Essen und kleinen Geschenken hatten.

Feste und Feiern

Natürlich gibt es aber auch in der Communauté immer wieder das ein oder andere Fest, sei es nun ein christlicher Feiertag oder der Namenstag einer Schwester. Aus der Reihe dieser Feiern, die sich während meiner Schreibpause ereignet haben, möchte ich besonders drei hervorheben:

Da war zunächst das dreifache Fest Anfang November: Zum einen wurde die im letzten Jahr errichtete Kapelle der Communauté vom Bischof eingeweiht. Zum anderen traten Alice, Céline und Germaine offiziell ins Postulat ein, begannen also ihre Ausbildung zur Ordensschwester. Zu guter Letzt war dies auch der traditionelle Empfang der Mädchen im Foyer. Dazu gab es zunächst eine feierliche Messe – natürlich in der neuen Kapelle – an der die ganze Communauté und alle Mädchen teilnahmen. In diesem Rahmen bedankte sich die Gründerin und Leiterin der Communauté und des Foyers, Sœur Véronique, besonders bei den Familien Weiler aus Mehren sowie Wenzel aus Trier, dem „Solidaritätskreis Westafrika e.V.“ aus Hillesheim und SoFiA e.V. Anschließend gab es ein großes gemeinsames Abendessen und eine kleine „After-Show-Party“, bei der sogar ich mich dazu hinreißen ließ, mit den Mädchen zu tanzen.

Weihnachten im Sonnenschein

Und dann nahte auch schon das nächste große Fest: Weihnachten. Die Mädchen schrieben ihre Abschlussarbeiten fürs erste Trimester und wurden in die Ferien verabschiedet, die sie bei ihren Familien verbringen. Und obwohl ich eifrig Plätzchen buk und Deko bastelte, wollte Weihnachtsstimmung bei täglichem Sonnenschein und frühlingshaften Temperaturen nicht so recht aufkommen. Am 24. stellte ich mich dann bei Hausputz, Dekorieren und Essensvorbereitungen gedanklich auf ein gemeinsames Weihnachtsfest mit den Schwestern in Communauté und Pfarrei ein, als mir Sœur Véronique einen Vorschlag machte: Für die Messe in ihrem Heimatdorf Sara hatte sie einen jungen Priester organisiert, den sie nun, gemeinsam mit den drei Postulantinnen, dorthin begleiten würde. Hatte auch ich Lust, Weihnachten auf dem Dorf zu feiern? Gar keine leichte Entscheidung, doch einige Stunden später war ich bereits unterwegs ins Abenteuer. Und das war es dann wirklich, denn die Geburt an diesem Abend war wahrlich keine leichte! Später als ursprünglich geplant aufbrechend hatten wir mit dem schon in die Jahre gekommenen Auto eine Panne, sodass wir nur mit Mühe und Not weiter fahren konnten und schließlich ganz zum Halten kamen. Die Anfahrt des Mechanikers und die Reparatur nahmen dann natürlich ihre Zeit in Anspruch. In der Zwischenzeit fiel zudem auf, dass weder Hostien noch Messwein mit an Bord waren. Diese dann an Heiligabend, zu einer Uhrzeit, als gerade die Christmetten begannen, zu organisieren, war eine neue Herausforderung. Doch auch diese wurde mit Erfolg gemeistert. Am Ende führte all dies zu einer Ankunft in Sara zwei Stunden nach geplantem Beginn der Messe, sprich um 23 Uhr. Auf der Fahrt stellte ich mich bereits auf eine fast leere Kapelle ein. Die Leute waren bestimmt, bis auf wenige Ausnahmen, alle nach einem gemeinsamen Gebet nach Hause gegangen. Wer harrt schon nachts zwei Stunden in Erwartung eines Gottesdienstes auf einfachen Holzbänken aus? Weit gefehlt! Als wir mit dem Auto vor fuhren, eilten wir direkt in die Kapelle und die Christmette begann. Und zwar in einem kleinen, aber übervollen Raum, in dem von Greis bis Kleinkind alle versammelt waren. Gemeinsam wurde die Geburt Christi dann gebührend gefeiert! Auch wenn ich, da die Messe auf Djula gehalten wurde, inhaltlich quasi nichts verstand, so spürte ich doch eindeutig den Geist der Weihnacht. Der Gesang von Chor und Gemeinde war kräftig, dazu wurde geklatscht und getanzt. Weihnachten war hier nicht eine besinnliche, feierliche Angelegenheit, sondern ein wahres Fest zur Geburt Christi! Auch ich ließ mich, trotz Müdigkeit, davon mitreißen.

Nach dem Abendessen gegen ein Uhr fiel ich um drei Uhr erschöpft ins Bett. Am nächsten Morgen ging es mit einer, wenn überhaupt möglich, noch energiegeladeneren und fröhlicheren Messe weiter. Angesteckt von der kraftvollen Musik und der guten Stimmung aller, ließ auch ich mich zum Klatschen, Tanzen und (wenn ich etwas verstand) Singen hinreißen. Das waren wirklich fröhliche Weihnachten!

Nach der Messe fand dann eine weitere, für mich bewundernswerte, Tradition statt: Von überall wurden plötzlich verschiedene Töpfe und Schüsseln herbei getragen, ehe ich mich versah saßen einige Dorfbewohner vor der Kapelle auf Bänken und Stühlen im Kreis und das von vielen fleißigen Händen zu Hause zubereitete Mittagessen wurde an die Anwesenden verteilt. Auch wir waren ein Teil dieser so Beschenkten, doch wirklich jeder bekam hier ausreichend und gut zu essen. Zudem ist es Tradition, dass zu christlichen Festen Christen ihren muslimischen Nachbarn Essen vorbeibringen und bei muslimischen Festen eben umgekehrt. So sah ich immer mal wieder ein Kind mit Töpfen durch die Straße laufen, um alle an der Feier teilhaben zu lassen. Dieses solidarische Miteinander der Religionen, in dem z.B. auch Heiraten in der Regel kein Problem darstellen, bewundere ich hier sehr und vermisse es in Deutschland häufig. Natürlich wird dieses Teilen auch von den Schwestern der Communauté in Banfora praktiziert, die an diesem Tag viele Besucher erwartete, die ein frohes Weihnachtsfest wünschen wollten. Leider bekam ich davon jedoch nichts mehr mit, denn – ebenso wie unser Aufbruch in Banfora – verzögerte sich unsere Abfahrt aus Sara und auch auf dem Rückweg blieb eine Autopanne, die uns über eine Stunde zum Halt zwang, nicht aus. Daher kamen wir erst spät abends in Banfora an, sodass die Weihnachtsfeier mit den Schwestern, zu der auch das in der Communauté traditionelle Wichteln gehörte, erst Silvester stattfinden konnte.

Und  schon wieder ist ein Jahr vorüber…

Apropos Silvester: Den Abend des 31. Dezembers verbrachten wir erst bei gemütlichem Beisammensein in der Communauté, bevor es in die Messe ging. 2018 war für mich wirklich ein Jahr des Umbruchs, was allein Silvester zeigt: Vor genau einem Jahr saß ich zum Jahreswechsel mit meinen Freunden zusammen, wir haben uns viel unterhalten, gespielt, gelacht und dabei versucht, nicht zu viel über das bevorstehende Abitur zu reden. Nun aber war ich hier, in einer Messe in Banfora, Burkina Faso, Westafrika, und fiel mir mit einigen Bekannten und vielen Unbekannten in die Arme, als das neue Jahr genau im Moment des Friedensgrußes begann. Natürlich durften dabei auch Gesang und Tanz wieder einmal nicht fehlen.

Die Schwestern Céline, Pélagie, Véronique-Victorine, Véronique, Élise, Cécile, Novizin Marceline, die Postulantinnen Alice und Germaine (Céline fotografiert) sowie ich an Silvester.

Fröhlich ging es auch an Neujahr weiter, als ich mich nach dem festlichen Mittagessen mit einigen Schwestern und den Postulantinnen auf den Weg zu verschiedenen Familien in der Stadt machte, um ihnen ein frohes neues Jahr zu wünschen. Begannen wir gegen 15 Uhr in einem eher einfach Innenhof, so besuchten wir im weiteren Verlauf des Nachmittags auch mittelständische Familien, die neu erbaute Villa eines Arztes und endeten gegen 19 Uhr beim Bischof. So unterschiedlich die Orte auch waren, eines war allen gemeinsam: Überall wurden wir freudig empfangen und es wurde Essen gereicht. Wer jetzt meint, hierbei handele es sich um simple Snacks, der hat sich getäuscht. Sei es nun Reis mit Soße, Fleisch und Salat; Fritten, Hühnchen und Bohnen oder Lasagne, jedes Mal wurde eine warme Mahlzeit aufgetischt – und jedes Mal wurde gegessen, denn das Essen abzulehnen gilt als unhöflich. Ähnlich wie an Weihnachten war es für mich einfach schön zu sehen, wie bei einem solchen Fest Freude und Essen miteinander geteilt werden und jeder Besuch, ob bekannt oder – wie ich häufig – unbekannt gerne empfangen wird. Ich hoffe, mir von dieser unkomplizierten Offenheit und Gastfreundschaft etwas mitnehmen und mir auch in Deutschland bewahren zu können.

Januar war Reisezeit

Nach den Feiertagen ging es für mich erst mal auf Reisen. Los ging es am 2. Januar mit der Fahrt nach Ouagadougou, um dort ein Visum für meine Reise nach Ghana zu beantragen. Drei Tage später kam dann auch schon die Gruppe des „Solidaritätskreises Westafrika e.V.“ aus Deutschland an, mit denen ich in den folgenden zwei Wochen unterwegs sein sollte. Dieser Verein mit Sitz in Hillesheim in der Eifel unterstützt nämlich nicht nur das „Foyer Sainte Monique“, etwa durch die Vermittlung von Patenschaften, sondern baut vor allem Schulen in ganz Burkina Faso. Daher reist jedes Jahr im Januar eine Delegation von etwa 15 Menschen an, um diese offiziell einzuweihen. Das heißt, dass wir in zwei Gruppen mit jeweils einem bzw. zwei Pick-Ups quer durchs Land, von einem Dorf zum anderen, fuhren. Fast jeden Tag standen ein oder zwei Einweihungsfeiern auf dem Programm, bei denen es immer einige Reden und ein Festessen gab. Oft wurden sie außerdem durch Animationen, sei es ein Gesang der Schüler, ein Tanz der Frauen des Dorfes oder ein traditioneller Maskentanz bereichert. Besonders letzteres war sehr eindrucksvoll, wenn ich auch am schönsten die Freude der Dorfbevölkerung über ihre neue Schule fand. Bei unserer Rundreise campten wir an den unterschiedlichsten Orten, die uns die Dörfer zur Verfügung stellten, sei es nun in einer noch nicht bezogenen Geburtsstation, vor der Schule selbst oder im privaten Innenhof einer Familie. Nach einer Woche machten wir auch einige Tage Zwischenstopp im Foyer, was nach der anstrengenden Rundreise für alle etwas Entspannung bedeutete. Ich war dabei von mir selbst überrascht, wie froh ich nach nur knapp zwei Wochen Abwesenheit darüber war, wieder „nach Hause“ zu kommen, die Schwestern und Mädchen zu begrüßen und abends in „mein Bett“ zu fallen . Das heißt wohl, dass ich mittlerweile sogar noch besser hier angekommen bin, als ich dachte. Insgesamt hatte ich eine schöne Zeit mit der Gruppe, wir redeten (auf Deutsch!) und lachten viel, lauschten einigen Reden und Musik, besichtigten auch mal ein touristisches Ziele und waren vor allem viel unterwegs. Nach zwei Wochen begleitete ich sie dann in Ouagadougou wieder an den Flughafen.

Anschließend hatte ich aber keine Zeit zur Erholung, denn am nächsten Morgen stieg ich direkt in den Bus, der mich nach Kumasi in Ghana bringen sollte. Dort fand mein Zwischenseminar mit anderen deutschen Freiwilligen statt. Die Anreise war dabei ein größeres Abenteuer als gedacht: Wir brachen mit zwei Stunden Verspätung Richtung Süden auf. An der Grenze zu Ghana dann mussten alle den Bus verlassen und die Pässe wurden zunächst von der burkinischen Grenzpolizei durchgesehen. Dann ging es zu Fuß weiter zu ihren ghanaischen Kollegen. Diese entschieden kurzerhand, ich hätte als einzige mit in ein Büro zu kommen, wo sich nochmal ein höherer Beamter meine Papiere durchsah und mir ein paar Fragen stellte. Das machte mich ziemlich nervös, vor allem, da mich das benötigte Englisch nach so langer Zeit mit Französisch doch sehr im Stich ließ. Als ich das Büro endlich verlassen durfte, ging es weiter zur Gesundheitsbehörde. Dort wollten sie mein Zertifikat zur Impfung gegen Gelbfieber sehen, dass sich allerdings in meinem Rucksack im Bus befand, der ohne Passagiere bereits weiter gefahren war. Trotzdem irgendwann den Behörden entkommen, sah ich natürlich keinen meiner Mitreisenden mehr. Also folgte ich erst einmal weiter zu Fuß der Straße, mit der Befürchtung, der Bus sei bereits abgefahren. Als ich endlich das rote Fahrzeug sah, war ich sehr erleichtert und traute mich vorerst nicht mehr aus dem Bus. Das sollte mir noch zum Verhängnis werden: So hatte ich weder Geld gewechselt, noch mir etwas zu essen gekauft. Nur mit meinen burkinischen Franc CFA in der Tasche, war ich nun in Ghana quasi mittellos. Wie schon häufiger machte ich aber die Erfahrung, dass es doch sehr viele freundliche Menschen gibt: Als bei einem Stopp ein fremder Mitfahrer mein Problem bemerkte, kaufte er mir etwas zu essen. Ein weiteres Problem war, dass hier in Ghana mein Handy nicht mehr funktionierte, sodass die Kommunikation mit den Leitern des Seminars mitten im Gespräch abriss. Als wir endlich statt wie geplant um 23 Uhr um 2:30 in der zweitgrößten Stadt Ghanas auf den Busbahnhof rollten, war dort alles wie ausgestorben. Aber schon wieder hatte ich großes Glück: Tatsächlich gab es einen Taxifahrer, der mir vertraute, dass die Menge an burkinischen Franc CFA, die ich ihm gab, seinem geforderten Fahrpreis in ghanaischen Cedi entsprach und mich daraufhin zur Unterkunft brachte. Hier machte er sogar noch mit mir den Nachtwächter ausfindig, der mir mein Zimmer auf schloss, woraufhin ich müde, erleichtert und dankbar endlich ins Bett fiel.

Das Seminar verlief dann zum Glück wesentlich entspannter. Mit den anderen deutschen Freiwilligen, von denen ihren Dienst dreißig in Ghana und eine im Benin leisteten, und vier Betreuern verbrachte ich eine gute Zeit. Wir redeten unglaublich viel, erörterten Unterschiede zwischen Ghana – Burkina Faso – Benin lachten, spielten, machten einen Ausflug in die Stadt sowie zum See Bosomtwe und setzten uns intensiv mit unserem bereits geleisteten Dienst als auch mit der Zeit, die uns noch bevorsteht auseinander. Vor allem aber setzten wir selbst unsere Schwerpunkte, wobei Probleme angesprochen und Lösungsansätze entwickelt wurden. Ich fand besonders den Austausch mit anderen Freiwilligen unglaublich hilfreich, da ich hier in Burkina Faso noch nicht auf Freiwillige getroffen bin. Somit war es schön zu sehen, dass wir doch alle irgendwie das Gleiche erleben und durchmachen und wenn auch der eine mehr, der andere weniger Sorgen hat, so ist doch so ein Freiwilligendienst für niemanden nur das spannende Abenteuer voller Begegnungen, dass man sich zu Hause gerne vorstellt. Ich habe dabei für mich nochmal festgestellt, wie gut es mir doch eigentlich in meinem Projekt geht und was für ein Glück ich bisher, etwa im Bezug auf Krankheiten, hatte. Nach einer wunderbaren gemeinsamen Woche hieß es dann aber wieder einmal Abschied nehmen, wo wir uns doch gerade erst kennen gelernt hatten. Ich verbrachte daraufhin noch einen Tag in Kumasi bevor ich glücklicherweise eine entspannte nächtliche Rückfahrt hatte.

Anschließend fuhr ich nicht sofort wieder nach Banfora, sondern verbrachte noch ein paar schöne Tage in Ouagadougou, da am 1. Februar erneut ein Abschied bevorstand: An diesem Tag nahm Flora das Flugzeug nach Deutschland. Bis zu ihrem Abitur im Sommer 2018 lebte sie im Foyer, nun wird sie als sechste Burkinabe des Projekts einen Freiwilligendienst in Deutschland leisten. Ein Jahr lang lebt Flora dort in einer Gastfamilie und arbeitet in einer Kindertagesstätte. Vor den Weihnachtsferien haben wir beide im Foyer viel Zeit miteinander verbracht, Deutsch gelernt, über die Unterschiede zwischen Burkina Faso und Deutschland geredet, am Computer gearbeitet und uns so angefreundet. Ihr Abschied machte mich nun traurig, doch ich freue mich auch für sie. Ich weiß, dass wir uns in Deutschland wieder sehen werden, so wie ich nun Jeannine hier in Burkina Faso wieder sah. Sie ist Floras Vorgängerin, die ich bereits in Deutschland kennengelernt habe, und ich bin froh, nach ihrer Rückkehr hier Zeit mit ihr verbringen zu können.

Nachdem ich so viel unterwegs war, verspürte ich zugleich ein bisschen Trauer über das Ende der Reise, aber auch Freude, als ich am Abend des 2. Februars, also genau einen Monat nach meinem Aufbruch, wieder im Innenhof der Communauté in Banfora stand. Ich war zurück!

Zu guter Letzt…

Ich könnte noch so einiges erzählen, aber ich bin schon froh, wenn ihr bis hierhin durchgehalten habt. Zu Essen und Klima daher erst mal nur so viel: Jetzt im März und April wird es richtig heiß, dafür ist aber auch Mangosaison.

Ich hoffe, dass ich euch mit diesem Rundbrief einen guten Eindruck von meinen vergangenen Monaten hier geben konnte. Schwer vorstellbar, dass die Hälfte meines Freiwilligendienstes nun tatsächlich schon vorbei ist – und die Hälfte noch vor mir liegt. Betrachte ich es von außen, so erscheint mir über ein halbes Jahr unglaublich lange, hier mittendrin vergeht die Zeit jedoch rasend schnell. Oft muss ich einmal inne halten und mir bewusst machen, dass ich gerade mittendrin bin, meinen Freiwilligendienst hier in Banfora, Burkina Faso, leiste, etwas wovon ich in Deutschland geträumt habe. Doch selbst so ein Traum, einmal realisiert, wird schnell Alltag mit seinen kleinen und großen Sorgen. Ich wünsche euch, dass auch ihr es manchmal schafft, bewusst auf das große Ganze sowie die kleinen Wunder zu schauen und eure Probleme so zumindest für einen Augenblick vergesst.

So wie über den unerwarteten Anblick der Krokodile im Stadtpark Bangr-Weoogo in Ouagadougou versuche ich, mich immer wieder an kleinen Wundern zu erfreuen

Damit möchte ich mich gerne von euch verabschieden und kann euch versichern: Der Alltag hat mich wieder, was wohl heißt: Ich bin angekommen!

Mit einem lieben Gruß

Judith Steinmetz